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Vergleich der Stimmenzahlen CDU im Stimmentief, Grüne verdoppeln ihre Anhängerschaft

Von Jens Schmidt und Winfried Borchert 22.03.2011, 04:31

Magdeburg. Bis auf CDU und FDP haben alle etablierten Parteien 2011 mehr Wähler aktiviert als vor fünf Jahren. Das zeigt der Vergleich der absoluten Stimmenzahlen. Am erfolgreichsten waren die Grünen, die ihr Ergebnis um enorme 120 Prozent steigern konnten.

CDU: So wenig Wähler wie seit 1990 nicht

Die Union bleibt zwar stärkste Kraft in Sachsen-Anhalt, verlor aber das zweite Mal in Folge Stimmen. Ihre Anhängerschaft schmolz auf knapp 323 000 Wähler – so wenig wie noch nie seit der Landtagswahl 1990. Selbst im rabenschwarzen Jahr 1998, als die CDU in die Opposition musste, lockte die Partei 6000 Wähler mehr zu den Wahlurnen als am jüngsten Sonntag. Der Rückzug des populären Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer, der fehlende Amtsbonus seines wahrscheinlichen Nachfolgers Reiner Haseloff, der Rücktritt des Bundesverteidigungsministers zu Guttenberg und die Atomkraftdebatte setzten der CDU offenbar zu. Nimmt man die guten Stimmenergebnisse von 1994 und 2002 zur Grundlage und berücksichtigt den Bevölkerungsrückgang, liegt das Potenzial der CDU bei 360 000 bis 400 000 Wählern. Davon ist die Partei derzeit weit entfernt.

Die Grünen im Höhenflug

Die bundespolitischen Böen, die der CDU ins Gesicht blasen, sind den Grünen Rückenwind – so stark wie lange nicht. Die Ökopartei mobilisierte nahezu 71 000 Wähler und damit fast so viele wie 1990, als die Partei noch stark als Bürgerrechtspartei der DDR-Wendeaktivisten wahrgenommen wurde. Bedenkt man, dass die Zahl der Wahlberechtigten um 11 Prozent sank, wiegt das Ergebnis vom Sonntag noch schwerer. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die Grünen auf einem kurzen bundespolitischen Höhenflug segeln oder sich im Land eine solide Stimmenbasis erworben haben.

FDP ist der größte Verlierer

Der größte Verlierer heißt FDP. Binnen fünf Jahre verlor sie mehr als 20 000 Zweitstimmen – fast 40 Prozent der Wählerschaft. Die Partei, die 2002 mehr als 150 000 Wähler für sich gewonnen hatte, rutschte ab auf das niedrige Niveau ihres Krisenjahres 1994. Die Landtagsfraktion, obgleich eine tüchtige Truppe, konnte die allgemein trübe Stimmung für die FDP nicht aufhellen.

SPD noch weit vom Möglichen entfernt

Nach zwei verlustreichen Wahlen gelang es SPD-Spitzenmann Jens Bullerjahn, ein paar Tausend Anhänger mehr zu gewinnen. Allerdings: 213 000 Zweitstimmen sind immer noch weniger als im für die Sozialdemokraten bitteren Jahr 2002 – und es sind zu wenige, um Ministerpräsident zu werden.

Die SPD klebt weiterhin auf Rang drei und ist weit von ihren Möglichkeiten entfernt. Unter Berücksichtigung allgemein gesunkener Einwohnerzahlen in Sachsen-Anhalt dürfte die SPD ein Potenzial von etwa 350 000 Wählern haben. Davon ist die Partei weit entfernt. Dabei hatte die SPD in Umfragen deutlich aufgeholt und sich zum Schluss ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Linken geliefert. Aber es bestätigte sich ein weiteres Mal, dass die SPD in Umfragen besser punktet als dann bei der Wahl.

Linke legt zu, verfehlt aber das Ziel

Die Linke konnte knapp 20 000 Anhänger mehr mobilisieren als 2006 – so wie die SPD auch. Doch ähnlich wie die Sozialdemokraten waren auch die Sozialisten über ihr Abschneiden enttäuscht. Denn: Das 30-Prozent-Ziel, das die Parteispitze gern erreicht hätte, wurde deutlich verfehlt. An ihre Bestmarke von 300 000 Stimmen (wie etwa 1998) kommt die Linke auf Landes-ebene offenbar nicht mehr so recht heran.

Das Potenzial scheint sich bei ihr auf gut 230 000 Wähler einzupendeln.

Wie geht es diese Woche weiter?

In dieser Woche werden sich die neuen Landtagsfraktionen konstituieren und ihre Führungen wählen. Wahrscheinlich werden die Spitzenkandidaten Wulf Gallert (Linke) und Claudia Dalbert (Grüne) sowie SPD-Landeschefin Katrin Budde ihre Fraktionen führen. CDU-Fraktionschef Jürgen Scharf ließ gestern offen, ob er für das Amt kandidiert. "Dazu äußere ich mich nicht." Ihm werden Ambitionen auf den Posten des Landtagspräsidenten nachgesagt.

CDU und SPD wollen am Freitag Sondierungsgespräche für eine Neuauflage ihres Regierungsbündnisses aufnehmen. SPD-Fraktionschefin Budde gab als Ziel aus, bis zum 16. April einen Koalitionsvertrag auszuhandeln, über den an diesem Tag ein SPD-Parteitag abstimmen solle. Scharf nannte den Zeitplan auch für die CDU realistisch. Der Landtag könnte sich dann am 19. April konstituieren. Der amtierende CDU-Fraktionschef sagte, er erwarte harte Verhandlungen mit der SPD, "vor allem in der Bildung". Konkrete Forderungen seiner Partei gegenüber der SPD nannte Scharf nicht.

Budde kündigte an, auch mit den Linken zu reden, bekräftigte aber, die SPD werde keinen linken Ministerpräsidenten wählen. Da mehrere Linke-Spitzenleute es gestern erneut ablehnten, zugunsten der SPD auf das Amt zu verzichten, bleibt eine Linke/SPD-Koalition wohl Theorie. Die SPD-Parteichefin lehnte jeglichen Kommentar darüber ab, welche Ziele die SPD in ihren Gesprächen mit der Linken verfolge, bevor der Landesvorstand getagt habe. Das war für gestern Abend geplant.

Grünen-Landeschef Christoph Erdmenger zeigte sich erfreut über das Abschneiden seiner Partei. Allerdings seien die 4,6 Prozent für die NPD ein "deutlicher Warnschuss für alle demokratischen Parteien". Bisher fehle ein konsequenter Anspruch, den Rechtsextremismus zurückzudrängen.

Erdmenger unterstrich die ökologischen Ambitionen seiner Partei und kündigte Initiativen dazu an. Die Abhängigkeit des Landes von Erdöl und Gas solle gesenkt werden und eine Landes-Energie-Agentur eingerichtet werden. "Sachsen-Anhalt sollte Vorbildland für Energiesparen und den Ausbau erneuerbarer Energien werden", sagte Erdmenger.