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Magdeburger Automobilforscher Helmut Tschöke gibt nach 16 Jahren Lehrstuhl ab Im Ruhestand ruht der Motor noch lange nicht

Von Philipp Hoffmann 06.04.2011, 04:32

Magdeburg. Zwischen zwei Terminen und inmitten von Aktenbergen sitzt Helmut Tschöke in seinem Büro in der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Am Nachmittag muss der Maschinenbau-Professor Prüfungen abnehmen, in wenigen Tagen reist er nach Kiew, wo er Gründungsdekan der Fakultät für Maschinenbau an der Technischen Universität ist. Alles scheint wie immer im wissenschaftlichen Leben des Automobilforschers, aber das ist es nicht: Seit Anfang April ist der 65-Jährige im Ruhestand.

"Etwas weniger Pflicht und etwas mehr Kür", beschreibt Helmut Tschöke, was sich für ihn geändert hat. Und: "Mir wird’s nicht langweilig." Das nächste halbe Jahr will der langjährige Inhaber des Lehrstuhls für Kolbenmaschinen im Großen und Ganzen so weitermachen wie bisher, den Forschungsschwerpunkt Automotive der Uni betreuen und das neue Institut für Kompetenz in AutoMobilität (IKAM), dessen Projektleiter er ist. Dann wird Helmut Tschöke vielleicht etwas kürzertreten und sich wieder mehr in seiner Heimat nahe Stuttgart aufhalten. Aber bis dahin ist von einem Ruhestand wenig zu merken.

Helmut Tschöke, der in Stuttgart Maschinenbau studierte und dort auch promovierte, kam 1995 an die Uni Magdeburg. Vorher hatte er 14 Jahre lang für die Firma Bosch gearbeitet. An Magdeburg reizte ihn die Aussicht, selbstbestimmt arbeiten und etwas Neues aufbauen zu können.

Das hat er eindrucksvoll verwirklicht. In seiner ersten Vorlesung am 1. April 1995 hatte er genau einen Studenten vor sich, heute sind es bis zu 100. Und der von ihm mitgeleitete Schwerpunkt Automotive gehört zu den wenigen ausgewiesenen Spitzenforschungsbereichen in Sachsen-Anhalt.

Die Magdeburger haben sich darauf spezialisiert, die Antriebstechnik und das Energiemanagement von Autos so zu verbessern, dass diese weniger Kraftstoff verbrauchen. "Dabei sehen wir uns immer einem Zielkonflikt gegenüber", sagt Helmut Tschöke. "Wollen wir weniger Verbrauch, steigen die Schadstoff- und Geräuschemissionen, und umgekehrt." Dennoch ließe sich der Verbrauch reduzieren, beispielsweise durch Abbau von Reibungsverlusten im Motor. "Man kann die Oberflächen von Kolben und Zylindern sowie die Schmierung verbessern", so der Experte.

Doch Helmut Tschökes Interesse gilt nicht nur der Grundlagenforschung. Auf Anfrage hat er auch immer eine Meinung zu aktuellen öffentlichen Debatten rund ums Auto parat. Und nimmt ihnen oft die Aufgeregtheit – ob es um Feinstaub, Klimawandel oder wie jetzt den Kraftstoff E10 geht. "Ich verstehe nicht, warum Menschen, deren Fahrzeuge dafür zugelassen sind, das preiswertere E10 meiden – ich tue es nicht", sagt er. Dass der Kraftstoff den Verbrauch enorm steigere, sei ein Märchen. "Der Verbrauch wird durch die Fahrweise viel mehr beeinflusst als durch den Kraftstoff oder die Technik", stellt der 65-Jährige klar. Wer vorausschauend fahre und früh hochschalte, spare Energie.

Der Motorenforscher ist sich sicher, dass die Entwicklung ergänzender Kraftstoffe voranschreiten wird: "Wir müssen uns zukünftig auch mit E20 befassen." Eine wichtige Aufgabe sieht er darin, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Alternative Kraftstoffe seien dafür unabdingbar.

Die Magdeburger Uni bezeichnete den Professor vergangene Woche anlässlich seiner Verabschiedung als "Motor der Ingenieurwissenschaften". Der Dekan der Fakultät für Maschinenbau, Karl-Heinrich Grote, hatte schon früher einen ähnlichen Vergleich gezogen. Helmut Tschöke agiere wie ein moderner Kraftfahrzeugmotor: "zuverlässig, leistungsstark, ökonomisch, geräuscharm und schadstofffrei".