1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Mit Arztbesteck, Mikroskop, Ultraschall

Magdeburger Sandsteinfiguren geben einige Geheimnisse preis Mit Arztbesteck, Mikroskop, Ultraschall

Von Klaus-Peter Voigt 12.04.2011, 04:31

Magdeburg/Halle (dapd). Vorsichtig entfernt Katrin Steller die schützende Plastikfolie von auf den ersten Blick unscheinbaren Steinbrocken. Die Wissenschaftlerin untersucht fast 180 kleine und 34 größere Fragmente von gotischen Sandsteinfiguren. Alle stammen aus dem Mittelalter und wurden vor etwa acht Jahren in Magdeburg bei Erdarbeiten zwischen dem Domplatz und dem Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg entdeckt. Im Depot des Landesamtes für Archäologie und Denkmalpflege in Halle haben sie seitdem ihren Platz gefunden. Die Forschungen sind zeitaufwendig. Die Wissenschaftler brauchen unendlich viel Geduld für die Untersuchung des Materials, die Reinigung und die Zuordnung der einzelnen Stücke zu einem großen Ganzen.

Vieles ist nur Vermutung

Katrin Steller schreibt über die einstigen Plastiken und Reliefs ihre Dissertation. Sie versucht vor allem eine Antwort darauf zu finden, warum die "eindeutig künstlerisch wertvollen Stücke von hoher Qualität" völlig zerschlagen wurden. "Nichts ist mehr komplett", sagt sie. Das könnte die Folge eines Bildersturms in der Reformation gewesen sein. Aber solche Aussagen bleiben nur eine Vermutung. Klar sei, die Überreste wurden im 18. Jahrhundert beim Bau einer Grundstücksmauer verwendet, wurden ins Mauerwerk integriert. Erst 2003 kamen sie dann wieder ans Tageslicht.

Dazu gehört auch ein gotisches, fast ein Meter hohes Relief mit zwei Heiligenfiguren. Möglicherweise wurde es 1699 nochmals bearbeitet, dafür spricht die auf dem Fragment umlaufende Schrift. Die junge Frau, die im Landesamt auch schon während ihres Studiums der Kunstgeschichte zu dem Fund forschte, ist sich sicher, dass die Plastiken an mehreren Gebäuden ihren Platz hatten. Dazu gehört eine "wunderschöne Madonna mit Kind", sagt sie. Allerdings ist davon auch nur noch der Korpus erhalten.

Christian-Heinrich Wunderlich arbeitet als Restaurator im Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege. Chemie und Archäologie gehören zu seinen Spezialgebieten. Er kommt auch nach so langer Zeit der Entdeckung der Überreste gotischer Bildhauerkunst aus dem 14. Jahrhundert noch ins Schwärmen. Schließlich blieben trotz der nicht gerade sanften Behandlung viele Farbreste der ursprünglichen Fassung erhalten. Pures Zinnober, das mehr als 700 Jahre nach der Verwendung so gut erhalten geblieben sei, sei schon "ein Glücksfall für die Forschung", sagt der Restaurator. Bleihaltige Ölfarben wurden verwendet, die sonst erst ab dem 15. Jahrhundert belegt sind. Auch die viel später üblich gewordene Ölvergoldung wurde bereits praktiziert.

Mit Zahnarztbesteck, Mikroskop und Ultraschall ging Wunderlich ans Werk, als er die Zeugnisse alter Handwerkskunst restaurierte. Schwierig war es für ihn vor allem, die Farbreste zu festigen, um sie zu erhalten. Fingerspitzengefühl zählt dabei ebenso wie Erfahrung. Er schätzt den Wert der steinernen Überreste schon deshalb als sehr hoch ein, da im Dreißigjährigen Krieg Magdeburg fast vollständig zerstört wurde und aus der Zeit vor diesen Kämpfen nur noch wenige Plastiken existieren. Keine Erklärung hat er bisher dafür, warum "auffällig viele Köpfe der Sandsteinfiguren" verschwunden sind.

In den kommenden Wochen sollen die Arbeiten an den Magdeburger Fragmenten abgeschlossen werden, die einstmals 13 eigenständige Plastiken bildeten. Für Wunderlich ist es keine Thema, sie zumindest für eine gewisse Zeit auch im Museum auszustellen. Konkrete Pläne gibt es jedoch noch nicht. Allerdings müssten die Stücke unter Glas präsentiert werden, um die Reste der alten Farbigkeit nicht zu gefährden. Jeder Windzug könne trotz aufwendiger Sicherung schaden und einzelne Pigmente abtragen.

www.archlsa.de