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Behörden gehen von krimineller Futtermittel-Vergiftung aus Dioxin: 180 belastete Schweine nach Sachsen-Anhalt geliefert

Von Winfried Borchert 13.01.2011, 04:28

Der Dioxin-Skandal weitet sich aus. Das niedersächsische Agrarministerium hielt es gestern entgegen Äußerungen vom Vortag doch für möglich, dass kontaminiertes Schweinefleisch in den Handel gelangt sein könnte. Während sich Hinweise auf gezielte Futterpanschereien verdichteten, hat die Verursacherfirma Insolvenz beantragt.

Magdeburg. Nach Informationen des Norddeutschen Rundfunks hat die schleswig-holsteinische Futterfettfirma Harles und Jentzsch gestern Insolvenzantrag gestellt. Sie gilt als Verursacher des Dioxin-Skandals, weil nach Behördenerkenntnissen dort dioxinbelastete Industriefette illegal in die Produktions- und Vertriebskette für Tierfutter gelangt und so das Gift über 13 Bundesländer verteilt worden war, darunter an eine Futtermittelfirma in Zörbig (Anhalt-Bitterfeld).

Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerium gab zugleich teilweise Entwarnung. "Nach amtlichen Untersuchungen und Auswertungen von Futterfett-Rückstellproben kann den vorliegenden Analyseergebnissen zufolge ausgeschlossen werden, dass die Agrarhandels GmbH in Zörbig Futtermittel in Sachsen-Anhalt ausgeliefert hat, das den Höchstgehalt an Dioxin überschritten hatte", erklärte Ministeriumssprecher Holger Paech.

Daher könnten die restlichen 27 der ursprünglich gesperrten 30 Agrarbetriebe, die Futter aus Zörbig beziehungsweise Fette aus Schleswig-Holstein hatten, wieder freigegeben werden.

Die Staatsanwaltschaft im schleswig-holsteinischen Itzehoe geht dem Verdacht nach, dioxinhaltige Futterfette könnten bei der Tierfutterherstellung soweit verdünnt worden sein, dass der Grenzwert von 0,75 Nanogramm Dioxin je Kilogramm Futter unterschritten wurde. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) sagte, wenn sich dies bestätige, handele es sich um "kriminelles Vorgehen".

Zugleich wurden gestern zwei sachsen-anhaltische Mastbetriebe gesperrt. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums habe ein Schweinemastbetrieb Tiere aus Thüringen bezogen, die dort mit verdächtigem Futter gemästet worden waren. Ein Mastputenbetrieb habe Futter aus Niedersachsen verwendet, das womöglich erhöhte Dioxinwerte aufwies. Paech sagte: "Die Untersuchungen dauern an."

Unterdessen teilten die niedersächsischen Behörden gestern mit, dass 180 Schweine im Dezember einem Schlachthof in Sachsen-Anhalt geliefert worden seien, die in Niedersachsen dioxinhaltiges Futter gefressen hatten. Die Tests dauern auch in diesem Fall an.

Unklar ist weiter, wie das Dioxin in bis zu 150 000 Tonnen Tierfutter gelangt ist. Der Verband der Biokraftstoffindustrie hält es für "unwahrscheinlich", dass die Bioölfirma Petrotec aus Nordrhein-Westfalen die Verseuchung verursacht hat. Von dort hatte Harles und Jentzsch Industriefette bezogen. Verbandssprecher Frank Brühning sagte der Volksstimme: "Die hohen Dioxinwerte sind aus fachlicher Sicht nicht erklärbar. Wir nehmen an, dass das Dioxin an späterer Stelle in den Herstellungsprozess für Futtermittel gelangt ist."