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Gymnasiasten stellen Notwendigkeit von Pflichtfach in Frage Muss Mathe-Abitur reformiert werden? Ministerium und Schüler streiten

Von Philipp Hoffmann 20.01.2011, 04:25

Florian Krause ist erst 15 Jahre alt, aber macht sich schon sehr genaue Gedanken über seine Zukunft. Vier Jahre vor dem Abitur hat der Gymnasiast aus Hettstedt (Kreis Mansfeld-Südharz) die Anforderungen unter die Lupe genommen, die ihn in Sachsen-Anhalt erwarten. Und ist dabei auf etwas gestoßen, das er nicht verstehen kann: Warum muss jeder Schüler Mathematik als Prüfungsfach belegen?

Magdeburg/Hettstedt. Mit seinem ausgeprägten politischen Interesse und seiner gewählten Ausdrucksweise ist Florian Krause ein ungewöhnlicher Neuntklässler. Der 15-Jährige will bereits mitreden. Er engagiert sich in einer politischen Jugendorganisation. Und schreibt auch mal Briefe an Bundesministerien, um seine Meinung kundzutun. Dem Bildungsministerium etwa teilte er mit, warum er unterschiedliche Bildungssysteme in den Bundesländern für unsinnig hält.

In den vergangenen Monaten hat sich der Schüler vom Gymnasium am Markt in Hettstedt intensiv damit befasst, was ihn später im Abitur erwartet. Für den Jungen aus Stangerode im Landkreis Mansfeld-Südharz steht fest, dass er einmal Journalist werden will. Wozu, so fragt er sich, muss er dann bis zum Abitur Mathematik belegen – und in dem Fach lauter Dinge lernen, die er vielleicht nie wieder braucht?

Mathe als Wahlfach?

Auch Jan Brune stellt sich diese Frage. Florian Krause hat den 18-Jährigen vom gleichen Gymnasium über ein soziales Netzwerk im Internet kennengelernt. Jan Brune macht in diesem Schuljahr Abitur und hat ebenfalls ein klares Berufsziel: Er will Lehramt in Englisch und Französisch studieren.

In Sachsen-Anhalt ist Mathe in der Oberstufe ein verbindliches schriftliches Prüfungsfach – für alle Schüler. "Ich halte es nicht für sinnvoll, dass jeder das Mathe-Abi schreiben muss", sagt Florian Krause. "Schließlich hat nicht jeder die gleichen Fähigkeiten." Jan Brune ist sich sicher, dass "spätestens in der zehnten Klasse jeder weiß, wo seine Stärken liegen". Am Ende des zehnten Schuljahres sollte es daher am Gymnasium eine Mathe-Abschlussprüfung geben, so der Zwölftklässler. Und in der Oberstufe könne Mathe weiterhin für diejenigen angeboten werden, für deren Berufsziel das Fach relevant ist. Florian Krause ist sich sicher: "In Sachsen-Anhalt wird das Potenzial vieler Schüler nicht ausgeschöpft, weil sie zu sehr für Fächer lernen müssen, in denen ihre berufliche Zukunft keinesfalls liegen wird."

Wenn Mathe ein freiwilliges Angebot ist, können aus Sicht des 15-Jährigen die verbliebenen Schüler besser gefördert werden. "Wer in Mathe gut ist, wird Mathe auch weitermachen", glaubt er. Gegenwärtig sei im Matheunterricht aber vielfach zu beobachten, dass die einen gelangweilt aus dem Fenster sehen, während die anderen an den Aufgaben zur Integral- oder Wahrscheinlichkeitsrechnung verzweifelten.

Die beiden Hettstedter Schüler bezweifeln den Nutzen solcher Aufgaben für nichttechnische Berufe. Die in der Oberstufe gelehrten Mathematik-Gebiete Analysis, analytische Geometrie und Stochastik halten sie für sehr abstrakt. Wenn das Fach schon verpflichtend ist, würden sie sich mehr Aufgaben mit direktem Praxisbezug wünschen, etwa Prozentrechnung.

Absage von Willems

Bildungsstaatssekretär Winfried Willems (CDU) erteilt der Idee eines mathefreien Abiturs eine klare Absage. Die Kultusministerkonferenz habe festgelegt, dass Mathematik in der dreijährigen Oberstufe mindestens vier Halbjahre lang belegt werden solle. Die bis zur 10. Klasse gelegten Grundlagen reichten nicht für das Abitur aus. "Da gibt es nichts zu reformieren", sagt Willems. Andernfalls würde man die bundesweite Anerkennung des Abschlusses gefährden.

Im Übrigen sei das Abitur in Deutschland kein Fachabitur, sondern eine allgemeine Hochschulreife, betont Willems. "Es ermöglicht ein Studium aller Richtungen." Für mögliche Berufswechsel bräuchten Abiturienten auch eine gewisse Flexibilität.

In der Frage der Praxisrelevanz appelliert der Staatssekretär aus dem Kultusministerium daran, die Anwendungsorientierung "nicht immer nur ganz eng" zu sehen. Mathematik habe großen Anteil daran, die Fähigkeiten des allgemeinen Problemlösens und des abstrakten Denkens auszubilden.

Allerdings hält es Willems für überdenkenswert, ob man es in der Oberstufe mit der mathematischen Abstraktion nicht "zu weit treibt". Möglicherweise gehe der Mathematikunterricht teilweise zu sehr ins Detail. Willems: "Das muss man bedenken, wenn die Lehrinhalte der gymnasialen Oberstufe überarbeitet werden."

Florian Krause hält das Abitur in Sachsen-Anhalt nicht nur in Bezug auf Mathematik für reformbedürftig. Er fragt sich auch, warum man Schüler im Alter von 16 bis 18 Jahren immer noch dazu verpflichtet, Schulsport zu betreiben. "In dem Alter sollte man es Schülern selbst überlassen, ob sie Sport machen wollen." Der Hettstedter Gymnasiast wünscht sich stattdessen für andere Fächer wie Informatik ein flächendeckendes Angebot in Sachsen-Anhalt: "Dann würden vielleicht auch mehr Menschen dieses Fach studieren."