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Die Salzwedelerin Martina Berger wird deutschlandweit erste Chefin einer Berufsfeuerwehr. Von Philip Najdzion Karriere: Feuerwehr statt Volkstanzgruppe

05.01.2012, 04:20

Die Salzwedelerin Martina Berger (32) wird bundesweit erste Chefin einer Berufsfeuerwehr. Sie leitet ab Februar das Amt für Brand- und Bevölkerungsschutz in Gießen. Ihre Feuerwehrkarriere begann mit elf Jahren in der Jugendwehr.

Salzwedel l Martina Berger wird ab Februar Leiterin der Berufsfeuerwehr in Gießen (Hessen). Sie ist dann Vorgesetzte von 200 freiwilligen und 70 hauptamtlichen Feuerwehrleuten. Die erste Chefin einer Berufsfeuerwehr in ganz Deutschland kommt gebürtig aus Salzwedel (Altmark) und ist erst 32 Jahre alt.

Als junges Mädchen fing alles an. "Jemand hatte bei uns in der Schule die Jugendfeuerwehr vorgestellt", erzählt Martina Berger. Das war 1990 an der Polytechnischen Oberschule Käthe Kollwitz in Salzwedel. "Ich hatte gerade bei der Volkstanzgruppe aufgehört", sagt sie. Und dann kam ein "komischer Zufall" dazu. Denn der Termin für das erste Treffen war an ihrem elften Geburtstag. Martina Berger überlegte kurz und ging hin. "Mensch, machste mal", habe sie gedacht, "und dann bin ich kleben geblieben."

"Da war der Ton untereinander auch mal rau"

Mit 16 Jahren wechselte sie zur aktiven Wehr. "Das war wesentlich aufregender", erinnert sich Martina Berger. Denn sie konnte mit zu Einsätzen fahren. Sie machte ihr Abitur, und selbst als sie mit dem Studium 1997 an der Technischen Universität (TU) in Berlin anfing, blieb sie aktive Kameradin in ihrer Heimatstadt. Doch irgendwann hörte sie auf. "Ich war nur alle drei Wochen in Salzwedel und konnte keine Dienste mehr mitmachen", erinnert sie sich.

Seit 2003 ist Martina Berger diplomierte Ingenieurin für technischen Umweltschutz. Die junge Frau arbeitete erst an der TU und begann dann 2005 das sogenannte Brandreferendariat. "Das ist die Ausbildung für den höheren Feuerwehrtechnischen Dienst", erklärt Martina Berger.

Es ging um "alles, was Feuerwehrmänner und -frauen heute können müssen", sagt sie: Leiter steigen, Atemschutz tragen, Feuer löschen und technische Hilfe. "Ich habe das Handwerk Feuerwehr noch mal gelernt", sagt sie über die Ausbildung bei der Berufsfeuerwehr in Frankfurt am Main.

Außerdem besuchte sie mehrere Lehrgänge zur Personalführung. Im März 2007 war sie fertig. Im Juni kam sie zur Berliner Feuerwehr. Ihr Dienstgrad: Brandrätin. Ihre Aufgabe: Das neue Einsatzkonzept der Wehr koordinieren. Oder mit ihren Worten: "Die Arbeitsorganisation musste umgekrempelt werden." Und das von 3500 Berufs- und 1500 freiwilligen Feuerwehrmännern. "Und Frauen", fügt Martina Berger hinzu.

Schließlich müsse sie als Chefin auf die korrekte Bezeichnung achten. Allerdings seien Frauen bei den Hauptamtlichen überall selten. "Nicht mal ein Prozent der Berufsfeuerwehrleute sind Frauen", sagt sie. "Das ist nun mal \'ne Männerdomäne", erklärt die 32-Jährige.

Auch sie musste sich im Laufe ihrer Karriere - außer in Salzwedel - einige Sprüche anhören. "Die Klassiker wie: Frauen haben in der Feuerwehr nichts zu suchen", beginnt Martina Berger mit einem Beispiel und fügt hinzu: "Der ganze Blödsinn halt." Doch das habe sie sich nicht so zu Herzen genommen. "Ich bin in der Salzwedeler Feuerwehr groß geworden. Da war der Ton untereinander auch mal rau", erklärt sie.

Bis heute sei der Kontakt zu den Kameraden nicht abgerissen. "Ich bin sehr gut befreundet mit Kameraden der Salzwedeler Feuerwehr", erzählt Martina Berger. Sie ist immer noch Mitglied im Förderverein. Und einmal im Monat ist Martina Berger normalerweise in ihrer Heimatstadt und besucht ihre Familie.

Mit ihrer steilen Karriere möchte Martina Berger jungen Menschen auch Mut machen. "Ich war auch nur ein ganz normales Mädchen bei der Jugendfeuerwehr", erzählt sie. Damals - erinnert sie sich - konnte sie zu jeder Straße den Weg von der Feuerwache aus erklären.

Die Wende sei eine faszinierende Zeit gewesen. Es gab viele Übungen, Partnerschaften mit Wehren aus Niedersachsen. "Es war aufregend, weil alles neu war", sagt Martina Berger.

Ab 1. Februar wird sie nun deutschlandweit die erste Chefin einer Berufsfeuerwehr. Genauer: Leiterin des Amtes für Brand- und Bevölkerungsschutz in Gießen (Hessen). Martina Berger: "Es gibt bisher in Deutschland nur zwei hauptamtliche Chefinnen einer freiwilligen Feuerwehr." Sie übernimmt die Gesamtverantwortung für 270 Brandbekämpfer.

"Eine starke Kameradschaft, die einen stützt und trägt"

"Ich freue mich drauf", sagt die 32-Jährige, die derzeit im Umzugsstress steckt. Schließlich habe sie ihre neuen Mitarbeiter schon kennengelernt. Und sie habe in Gießen "ein tolles Team", sagt Martina Berger. Besonders die Autobahnen, die großen Kliniken und die Gebäude der Universität stellen die Feuerwehr in Gießen vor große Herausforderungen.

Vor der neuen Aufgabe habe sie jedoch auch ein "wenig Bammel", sagt Martina Berger. Schließlich sei die Position auch eine Herausforderung, die sie nicht ohne hohen Respekt angehe.

Eine Erfahrung, die sie schon als 16-Jährige machte, könnte ihr dabei helfen: "Feuerwehr ist immer sehr familiär - eine starke Kameradschaft, die einen stützt und trägt." Diese Einschätzung habe sich bis heute nicht geändert. Und mit der Einstellung scheint der "Bammel" unbegründet.