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Bundeswehr Harzer ist in Mali der "Zahlmeister"

Weltweit sind zurzeit 2600 Soldaten der Bundeswehr im Auslandseinsatz.
140 kommen aus Sachsen-Anhalt. Einer von ihnen ist Hauptfeldwebel
Patrick Wohlmacher aus Wernigerode, der in Mali im Rahmen der
europäischen Trainingsmission seit sechs Monaten das Geld der Truppe
verwaltet.

Von Matthias Fricke 03.02.2015, 02:20

Mali/Wernigerode l Die 36-jährige Conny Winter-Wohlmacher hat es sich in ihrer Wohnung in einem Ortsteil von Wernigerode mit dicken Socken gemütlich gemacht. Die Kerze flackert auf dem heimischen Wohnzimmer-Tisch, draußen ist es stockfinster. Die Temperaturen liegen nur ein paar Grad über null. Im Hintergrund sitzt ihr elfjähriger Sohn Jason: "Ich freue mich schon auf Papa." Dann erscheint er auf dem kleinen Tablet per Videokonferenz. Das Paar hat erst vor eineinhalb Jahren auf dem Schloss in Wernigerode geheiratet, seitdem sahen sie sich nur neun Monate.

Auf der anderen Seite sitzt ihr Mann Patrick, etwa 4900 Kilometer fernab der Heimat. Der 34-jährige Hauptfeldwebel hat es sich ebenfalls gemütlich gemacht, im dünnen T-Shirt. Wenn er die Kamera schwenkt ragen im grellen Licht die Palmen hinter den Containern seiner Unterkunft hervor. Ein paar Geckos sonnen sich an der Wand. Bei Temperaturen von 35 Grad Celsius nerven in der afrikanischen Sonne besonders die Moskitos. Nur mit Netzen ist hier nachts ein ruhiger Schlaf möglich.

Die Containerstadt des deutschen Kontingents der europäischen Trainingsmission trägt dazu den passenden Namen "Gecko". Die Bezeichnung steht für German Camp Koulikoro. Soldaten aus 26 Nationen, darunter 250 Bundeswehrangehörige, bilden malische Soldaten aus.

Seit sechs Monaten ist dort der Wernigeröder als Zahlstellenverwalter eingesetzt. Man könnte ihn auch als den "Banker" der Soldaten bezeichnen. Alles, was im Camp mit Geld zu tun hat, läuft über seinen Tisch. "Wenn die Abrechnung nicht stimmt, dann kann es wirklich eng werden. Damit steht und fällt auch die Stimmung im Lager", sagt sein Kollege Oberstleutnant Matthias Böhnke.

"Es ist wirklich gut zu erfahren, dass wir in Mali gebraucht werden und unsere Hilfe ankommt." - Patrick Wohlmacher

Ob die Rechnung der Müllabfuhr, das Geld für Benzin oder die Auszahlung von Bargeld an die Soldaten, Berechnungen von Zuschlägen, Wehrsold und Reisekosten - all das läuft über Wohlmachers Tisch. Der "Baboo" (weißer Mann), wie die Malier die Deutschen nennen, sagt: "Ich bin auch mehrmals im Monat im Land unterwegs, um zum einen die Bargeldversorgung in der Landeshauptstadt Bamako sicherzustellen oder Bankgeschäfte bei der Bank of Africa abzuwickeln."

Dabei hat die ursprüngliche Berufsausbildung des Harzers nur wenig mit Rechnungswesen zu tun. Der 34-Jährige studierte Jura und wollte eigentlich Rechtsberater werden. Doch in der Bundeswehr fand er nun die neue Herausforderung. "Das fand ich von Anfang an richtig spannend. Obwohl sich die Aufgabe sehr trocken anhört. Aber als Zahlstellenverwalter ist man Dreh- und Angelpunkt in solch einem Lager und das macht alles sehr kommunikativ", sagt er. Erschütternd sei die Armut im Land. Es sei einfach eine ganz andere Welt, die in den Fernseh-Reportagen nicht annähernd wiedergegeben werden könne. Gefährlich sei es für Bundeswehrsoldaten in Mali nicht. Wohlmacher: "Da muss man keine Bedenken haben. Die Kämpfe sind vor allem im Norden. Im Süden gibt es nur die Ausbildung für die malischen Soldaten."

Außerdem seien die Deutschen in Mali sehr beliebt. "In Koulikoro kam ein Einheimischer auf mich zu und sagte mir folgendes: Die Deutschen unterstützen uns mit ihrem Wissen und Handeln, die anderen nur mit Geld. Es ist wirklich gut zu erfahren, dass wir in Mali gebraucht werden und unsere Hilfe ankommt." Auch wenn die Kommunikation vor Ort nicht immer einfach sei. Die Soldaten verständigen sich mit einer Mischung aus Englisch, Deutsch und Französisch. Für unüberwindliche Sprachbarrieren springen die Übersetzer ein. All dies erfährt seine Ehefrau Conny bei den abendlichen Gesprächen via Internet oder Telefon. "Wir erzählen jeden Tag miteinander und werten auch den Tag aus, wie jedes andere Ehepaar eben auch", sagt sie.

So geht es inzwischen seit sechs Monaten. "Besonders schwer war es für uns, Weihnachten und Silvester voneinander getrennt zu sein. Auch für meinen Mann war es nicht einfach, bei tropischen Temperaturen unter dem Weihnachtsbaum zu sitzen, während wir hier zu Hause die Geschenke ausgepackt haben", sagt die 36-Jährige.

Den Heiratsantrag erhielt die Angestellte bei einer Weihnachtsfeier des Fußballvereins im Jahr 2012. Am 5. Juli 2013 wollten sie heiraten. Doch kurz vorher erhielt der Hauptfeldwebel seine Abkommandierung nach Afghanistan. "Ich habe natürlich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Hochzeitstermin zu halten", sagt der Soldat. Und schaffte es. Wohlmacher reiste zwei Tage nach dem Jawort im Schloss Wernigerode in das Krisengebiet.

"Das war also meine ,Hochzeitsreise` - ganz allein, irgendwo in der Provinz Kunduz", scherzt der Wernigeröder. Erst am 2. Oktober 2013 kehrte der Bundeswehrsoldat wieder in die Heimat zurück.

"Als Patrick in Afghanistan war, hatte ich jeden Tag Angst, dass er nicht zurückkommt." - Conny Winter-Wohlmacher

Die eigentliche Hochzeitsreise führte im Sommer vergangenen Jahres dann nach Teneriffa. Doch das gemeinsame Glück währte nur kurz: Neun Tage später hob seine Maschine zum Einsatz in das afrikanische Mali ab. Vor und während der Hochzeitsreise absolvierte er einen Impfmarathon gegen alle möglichen Krankheiten.

Sie unterstützt ihren Mann, trotz aller Entbehrungen. "Ich wusste ja, auf was ich mich einlasse, wenn ich einen Zeitsoldaten heirate", sagt Conny Winter-Wohlmacher. Inzwischen sei auch die Angst verflogen. Sie sagt: "Als Patrick in Afghanistan war, hatte ich jeden Tag Angst, dass er nicht zurückkommt. Da hatte ich wirklich mit mir zu kämpfen." Inzwischen ist die Wernige- röderin ruhiger.

Etwa 20 Soldaten aus Sachsen-Anhalt dienen im Camp "Gecko", weltweit sind 140 im Einsatz. Oberstleutnant Thomas Poloczek vom Landeskommando in Magdeburg: "Im zweiten Quartal bereiten sich Logistiker aus Burg auf weitere Einsätze vor. Dann dürfte die Zahl ansteigen." Vor einigen Jahren, zu Spitzenzeiten, hatte die Bundeswehr 7000 Soldaten im Auslandseinsatz. Inzwischen sind es etwa 2600. Geplant sei, dass im Regelfall die Einsatzkräfte nur alle zwei Jahre ins Ausland gehen. "Bei Spezialkräften ist das aber nicht immer zu halten", sagt der Oberstleutnant.

Patrick Wohlmacher wird nach seiner Rückkehr und einem kurzen Heimaturlaub übrigens zum Dienst nach Holland aufbrechen: "Da werde ich aber jedes Wochenende pendeln."