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Landesparteitag der Bündnisgrünen am Sonnabend in Halle /Parteichefs im Amt bestätigt Fette Watschen für CDU und SPD und klitzekleine Portionen Selbstkritik

Von Michael Bock 02.07.2012, 05:45

Bündnis 90/Die Grünen haben beim Landesparteitag am Sonnabend in Halle ihre Doppelspitze bestätigt. Die Grünen rechneten mit der Politik der schwarz-roten Landesregierung ab.

Halle l Es dauert nicht mehr allzu lange, da gehen die Landespolitiker in die parlamentarische Sommerpause. "Wovon will sich die Landesregierung denn erholen?", fragt Cornelia Lüddemann spitz. Kecker Zwischenruf des Landtagsabgeordneten Sebastian Striegel: "Vom Streit!"

Das ist der ganz wenigen Momente, in denen beim Grünen-Parteitag mal so was wie Stimmung aufkommt. Ansonsten plätschert der Parteitag an diesem heißen Sommertag vor sich hin. Bundeschef Cem Özdemir ist da - und schnell wieder weg. Er muss nach Hause, seine Frau bei der Kinderbetreuung ablösen. Vorschläge werden müde durchgewinkt. Zum Leitantrag ("Den sozialökologischen Wandel in Sachsen-Anhalt gestalten") gibt es keine Wortmeldung, die Abstimmung ist nur Formsache. Es gibt zwei Enthaltungen, alle anderen sind dafür.

"Ehestandskredit? Es ist mehr als weltfremd, sich bei der DDR zu bedienen"

Landeschefin Cornelia Lüddemann

Bei der Wahl der Doppelspitze bleibt alles beim Alten. Cornelia Lüddemann und Sebastian Lüdecke werden mit respektablen Wahlergebnissen im Amt als Landesvorsitzende bestätigt. Alles ist so überraschend wie das Happyend bei einer Liebesschnulze.

Die Grünen schwelgen in innerparteilicher Harmonie. Nur ab und zu kommt ein wenig Selbstkritik. Etwa bei der Erkenntnis, dass in der Partei, die so viel Wert auf Gleichstellung legt, nur 34 Prozent der Mitglieder Frauen sind.

Lieber arbeiten sich die Grünen an diesem Tag leidenschaftlich an den Regierungsparteien CDU und SPD ab. So hält Lüddemann die CDU-Idee eines Ehekredits schlichtweg für Quatsch, denn: "In einem Land, in dem 64 Prozent aller Kinder außerhalb der klassischen Familie leben, ist es mehr als weltfremd, sich bei der DDR zu bedienen und ein Ehestandsdarlehen auf den Weg zu bringen, was man dann ,abkindern\' kann."

Von der Regierung und den sie tragenden Fraktionen komme nur "heiße Luft, kaum was Substanzielles". Lüddemann kritisiert Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) wegen dessen Aussagen zur Solarförderung. "Es ist mehr als erbärmlich, wenn sich der Ministerpräsident, der der gleichen Partei angehört wie die Kanzlerin, damit rühmt, dass die Kürzungen beim Erneuerbare-Energie-Gesetz nicht so drastisch ausgefallen seien. Es wäre seine verdammte Pflicht gewesen, dafür zu sorgen, dass die Streichungen ganz zurückgenommen werden."

Auch die Fraktionsvorsitzende im Landtag, Claudia Dalbert, geht hart mit Schwarz-Rot ins Gericht. Mit Blick auf die Dessauer Fördermittel-Affäre sagte sie: "Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich ein schwarzer CDU-Filz über das Land senkt." Das führe zu Politikverdruss, die Union werde zum "Totengräber der Demokratie".

Sie wirft der Landesregierung bei der Energiewende Versagen vor. "Aussitzen und zu Grabe tragen" sei deren Motto, sagt sie. Die Argumente von CDU und SPD seien veraltet. So hält sie der Regierung vor, an aus ihrer Sicht überholten Verkehrsprojekten festzuhalten - wie der Nordverlängerung der A 14 von Magdeburg in Richtung Schwerin und der Westumfahrung von Halle, der A 143. Diese Autobahnen brauche niemand. Stattdessen müsse lieber in das schnelle Internet investiert werden. Auch den Sozialdemokraten wäscht Dalbert kräftig den Kopf: "Die SPD verrät ihre Wahlversprechen", sagt sie. Beispielhaft nennt die Grünen-Politikerin Vergabegesetz ("hier hat die SPD den Mindestlohn nicht durchgesetzt"), Kinderförderung ("ein Entwurf nach dem anderen wird kassiert") und Gemeinschaftsschulen ("das Konzept ist ein Papier ohne Profil und konkreten Gestaltungswillen").

Kurzum, so die bündnisgrüne Lesart: Die Regierung habe keine politische Vision, der Koalitionsvertrag sei ein reiner Formelkompromiss.

Nach 13 Jahren Abstinenz hatten die Bündnisgrünen im März 2011 mit 7,1 Prozent den Wiedereinzug in den Magdeburger Landtag geschafft. Dort stellen sie neun der 105 Abgeordneten und sind in der Opposition.

Die Partei hat in Sachsen-Anhalt nach eigenen Angaben rund 690 Mitglieder. Im zurückliegenden Jahr sei die Mitgliederzahl um 17 Prozent angestiegen. Seiten 1 und 3