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Marx-Card: Überziehungskredit ohne Zins

Von Silke Janko 17.07.2012, 05:23

Chemnitz l In unsicheren Zeiten, in der die Menschen um ihr Erspartes bangen, sind unkonventionelle Maßnahmen nichts Ungewöhnliches. Ausgerechnet der Kopf des größten Kapitalismuskritikers Karl Marx ("Das Kapital") ziert jetzt als eines von zehn Motiven die Kreditkarte der Chemnitzer Sparkasse, was ihr Reaktionen aus aller Welt beschert. Und die Nischel-Card soll unter den 300000 Kunden der Renner schlechthin sein.

Das Vertrauen in die Finanzbranche ist eh dahin, so dass inzwischen selbst ein quasi öffentlich-rechtliches Kreditinstitut nicht mehr davor zurückschreckt, den Begründer des Kommunismus - wo nach der reinen Lehre Geld keine Rolle mehr spielen soll - als Werbeträger zu nutzen. Mit Marx bezahlen, den Mehrwert mehren, so lautet die Devise! Der ewig klamme Philosoph, 1818 in Trier geboren, der des Öfteren das Familiensilber verscherbeln musste, um mit Frau, Kindern und Haushälterin überleben zu können, wird sich das wohl nie erträumen lassen haben.

Ob Marx, dessen Nischel ja in Chemnitz steht, wirklich von den dortigen Sparkassen-Vorständen verstanden worden ist, da sind erhebliche Zweifel angebracht. Marx\' Vision von der klassenlosen Gesellschaft "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen" bedeutet ins Bankdeutsch übersetzt, Konto überziehen ohne Limit und zinsfrei. Nach dem Motto, das Proletariat hat nichts zu verlieren als seinen Überziehungskredit. Das schafft Binnennachfrage, kurbelt die Wirtschaft an und schafft Arbeitsplätze! Eine beruhigende Alternative, falls das Ersparte im Zuge der Euro-Finanzkrise sich verflüchtigen sollte. Wie heißt es doch bei Marx: "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern."