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Die Otto-von-Guericke-Universität stellt Studenten aus aller Welt jetzt Mentoren zur Seite. Von Kristin Schulze Buddys: Hand in Hand durch den Uni-Dschungel

12.12.2012, 01:25

Neue Sprache, fremde Menschen, andere Sitten. Aller Anfang ist schwer, vor allem in einem fremden Land. Mit dem Buddy-Programm an der Magdeburger Universität soll internationalen Studierenden der Einstieg erleichtert werden.

Magdeburg l Mina Soleimani trägt Wollleggins, einen grauen Rock und eine dicke Jacke. Ihre dunklen Haare hat sie unter einer noch dunkleren Mütze versteckt. Um sie herum sprechen alle deutsch, eine Sprache, die sie kaum versteht. Bei ihr zu Hause im Iran ist es gerade 20 Grad warm, in Magdeburg zeigt das Thermometer Minusgrade an. Den Fahrplan der Straßenbahn versteht sie nicht, so bleibt nur das Fahrrad. Nicht immer ein Vergnügen bei Schnee und Eis ... Mina Soleimani ist neu in Deutschland. Sie studiert an der Otto-von-Guericke-Universität den Masterstudiengang Performance Analysis of Sport. Deutsche Bürokratie, deutsche Kälte, deutsche Eigenheiten ... Seit knapp drei Monaten versucht Mina, sich in Magdeburg einzuleben. Unterstützung bekommt sie dabei vom Referat für Internationale Angelegenheiten (RIA), einer Unterorganisation des Studentenrates der Magdeburger Universität.

"Wir wollen internationalen Studenten den Start erleichtern."

Die 24-Jährige betritt die Cafeteria der Uni, putzt sich den Schnee von ihrer dicken Winterjacke, öffnet ihr Haar und präsentiert die neue Frisur. "Nice hairdresser", sagt sie fröhlich und nippt an dem Kaffee, den Mandy Stier ihr reicht.

Mina Soleimani ist in Magdeburg angekommen. Die Iranerin hat sich nicht nur eingewöhnt, sie fühlt sich auch pudelwohl. Auch dank "Buddy" Mandy. Buddy ist englisch und heißt Kumpel. Das Buddy-Programm gibt es an der Otto-von-Guericke-Universität seit diesem Wintersemester. "Wir wollen den internationalen Studenten den Start erleichtern", erklärt Anne Jacob. Die 25-Jährige arbeitet neben ihrem Studium ehrenamtlich im RIA, hier ist die Buddy-Idee entstanden. Wie ihre Kollegin Sophie Hinzmann (25) studiert sie den Masterstudiengang Friedens- und Konfliktforschung. 50 Prozent der Studenten kommen aus dem Ausland. "Da bekommt man vieles von deren Startschwierigkeiten mit", erzählt Sophie, die ähnliche Programme von anderen Unis kannte. Auch an der Hochschule Magdeburg/Stendal gibt es so ein Programm bereits seit einigen Jahren. "Beim Direktor und beim Studentenrat haben wir mit unserer Idee gleich punkten können und so konnten wir im Wintersemester die ersten Buddys an die Internationalen vermitteln."

Wie hilfreich so ein Buddy sein kann, hat Mina schon bei der Anreise gemerkt. "Mein Buddy Mandy hat mir per Mail erklärt, wie ich vom Flughafen Berlin Tegel zum Hauptbahnhof und von dort nach Magdeburg komme", erzählt Mina von ihrer Ankunft im September in Magdeburg. Mina spricht englisch, das beherrschen auch Mandy Stier und die Mitarbeiter im RIA perfekt. Ein Freund von Mandy holte die junge Iranerin vom Bahnhof ab, brachte sie ins Wohnheim. Mandy kam vier Tage später. An diese vier Tage ohne ihren Buddy erinnert sich Mina besonders gut: "Ich hatte totale Panik, dass ich sofort zurück muss, wenn ich nicht gleich alle Behördengänge erledige. Ich habe Mandy zig Mal angerufen und sie hat mich dann immer beruhigt."

Wie ihr das gelingt, was einen Student aus dem Ausland bewegt und was er zuerst braucht, wenn er in Deutschland angekommen ist, hat Mandy Stier beim Workshop gelernt. Von den Mitarbeitern des RIAs bekam sie ein Papier mit dem Namen "First Steps". Erste Schritte heißt das und Mina und Mandy bezeichnen es jetzt gerne als ihr "Heiliges Papier". Krankenkasse, Bank, Einwohnermeldeamt, Visum ... das alles stand drauf und das alles galt es abzuarbeiten. "Es ist eine große Erleichterung, jemanden dabei zu haben, der fließend deutsch kann", sagt Mina.

"Der Buddy-Job ist zeitaufwändig, besonders in den ersten zwei Wochen."

Nach den Behördengängen kam der angenehme Teil der "Magdeburg-Einführung". Mina erzählt von der Kneipentour, dem deutschen Frühstück, das Mandy für sie veranstaltet hat, einer Fahrradtour durch Magdeburg ... "Klar ist der Buddy-Job zeitaufwändig", sagt Mandy. In den ersten zwei Wochen hatte Mina naturgemäß viele Fragen und viele Wege zu erledigen. "Aber ich verbessere so mein Englisch, erweitere meinen Horizont und habe in Mina eine tolle Freundin gefunden. Außerdem kann ich sie im nächsten Jahr in Valencia, wo sie auch ein Semester studieren wird, besuchen." Buddy heißt übersetzt übrigens auch Busenfreundin.

Besonders in Erinnerung geblieben ist Mandy, die den Bachelorstudiengang Internationales Management studiert, eine Episode im Discounter. "Mina wollte etwas typisch Deutsches essen und wir haben Kassler und Sauerkraut besorgt. "Great", entfährt es Mina euphorisch, wenn sie Sauerkraut hört. "Ich habe ein ganzes Glas auf einmal gegessen."

Bei Mina Soleimani und Mandy Stier hat das Matching offenbar funktioniert. "Beim Matching ordnen wir den internationalen Studenten einen Buddy zu", erklärt Sophie Hinzmann. Buddys und Internationale konnten sich online direkt beim RIA melden. "Wir hatten etwa 80 Buddys und 80 Internationale, das ist super aufgegangen",sagt Anne Jacob und erinnert sich daran, wie die 15 Mitarbeiter des RIAs, die hier alle ehrenamtlich und in ihrer Freizeit arbeiten, mit all den Bewerbungen auf dem Boden saßen und versuchten jedem Studenten aus dem Ausland einen passenden Buddy zuzuordnen. Ähnliche Interessen, Studiengang, Sprache ... Es gab einiges zu beachten. Danach seien "Dein-Partner-ist-Mails" rumgegangen. So konnten die Buddys schon zu ihren Schützlingen Kontakt aufnehmen, wenn diese noch im Ausland waren. Fragen wie "Ist es bei euch kalt?" oder "Was ist eine Winterjacke" klingen zwar lustig, würden aber sehr häufig gestellt, sagt Sophie Hinzmann. Per Mail oder Skype können sie leicht geklärt werden. "Das gibt den Internationalen Sicherheit", sagt Anne Jacob. "Und sorgt dafür, dass der erste Kontakt mit der deutschen Kultur ein positiver ist."

Anliegen des Referats für Internationale Angelegenheiten ist es, Toleranz und Integration in Universität und Stadt zu fördern. "Gerade wenn man von Pöbeleien und sogar Gewalt gegen Ausländer hört, wird klar, wie wichtig das ist", sagt Anne Jacob.

"Wir brauchen noch mehr Buddys. Und träumen vom ersten Buddy-Baby."

Als Mandy die Werbung für die Buddy-Aktion in der Uni entdeckte, war für sie gleich klar, dass sie mitmachen möchte. "Ich reise sehr gern, war schon in Chile, Argentinien, Australien ... Ich weiß, wie es sich anfühlt, ganz allein in der Fremde zu sein."

Fahrradtouren, gemeinsame Friseurbesuche, Shopping - Mina und Mandy unternehmen viel zusammen. Und doch - gerade in der Weihnachtszeit kommt auch bei Reiseprofi Mina etwas Heimweh auf. Vor ein paar Tagen hatte ihre Mutter Geburtstag. "Schade, dass ich an diesem Tag nicht bei ihr sein kann. Und schön, dass ich hier nicht alleine bin", sagt sie und Mandy streicht ihr aufmunternd durch die neue Frisur. Mina kennt das Weihnachtsfest aus dem Iran, obwohl nur die christliche Minderheit es dort feiert. Von Mandy hat sie trotzdem viel neues rund um Weihnachten gelernt. Der Adventskalender und auch die Geschenke im Schuh zum Nikolaustag waren völlig neu für Mina. Weihnachten wird sie zusammen mit Mandys Familie in Hamburg feiern.

"Das perfekte Match", fassen Anne Jacob und Sophie Hinzmann zusammen, wenn sie die Geschichte der beiden hören. Auch im nächsten Semester soll es möglichst viele solcher Verbindungen geben. "Wir wollen das Projekt noch größer aufziehen. Dafür brauchen wir mehr Buddys", sagt Sophie. Bewerben können die sich schon jetzt (siehe Infokasten). "Und vielleicht klappt es dann auch mit der ersten Buddy-Beziehung oder gar einem Buddy-Baby."