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Kerstin und Harald Christel vom Media Markt am Magdeburger Pfahlberg Vom Westen in den Osten

11.11.2009, 10:15

In der DDR waren sie nur zu Besuch. Bei Verwandten und Bekannten. Diese Reisen mochten sie. Aber nicht die Grenzabfertigung. Da schlotterten die Knie. Kerstin und Harald Christel, beide 46, stammen aus Braunschweig. Wenn sie aber heute im Urlaub gefragt werden, woher sie kommen, sagen sie immer : " Wir sind aus Magdeburg. Naja, also aus Gommern, gleich um die Ecke. " Das Ehepaar hat da ein Haus gebaut. Hier ist es zu Hause. Hier will es bleiben. Mit den Kindern Vanessa, 18, und Vincent, 13.

Dass die Christels mal im Osten landen, hätten sie sich nicht träumen lassen. Auch nicht, als die Mauer fiel. Harald Christel war im Wendeherbst 1989 Verkaufsleiter von Media Markt, Ehefrau Kerstin im Büro von Karstadt in Braunschweig. Im Fernsehen sahen sie die Demonstrationen in der DDR. " Da haben wir den Mut der Menschen bewundert ", sagt Kerstin Christel. " Wer hat denn damit gerechnet, dass kurz darauf die Grenze fällt ?"

Das Unfassbare geschah dann. In der Nacht der Nächte. Menschenmassen überfluteten am 9. November 1989 die Berliner Mauer. Tanz in die Ekstase. Auch 200 Kilometer weiter westlich strömten die Deutschen an die Grenzübergangsstelle Marienborn. Auch die Christels. Gegen 22 Uhr kamen sie dort an.

" Die Gefühle kann man nicht beschreiben ", sagt Harald Christel. Ehefrau Kerstin nickt : " Wir hatten eine Gänsehaut. Jedes Auto, das da über die Grenze fuhr, haben wir jubelnd beklatscht. Wir spürten einen unbeschreiblichen Zusammenhalt. Freude, Euphorie, aber auch Unglauben. Jeden Moment wollten wir genießen. So sind wir erst am nächsten Morgen, als wir nicht mehr konnten, nach Hause gefahren. "

" Das hier ist ein toller Menschenschlag "

Es folgten aufregende Wochen, aufregende Monate. Aber dann hatte der Alltag die Menschen wieder. Im Osten die Umbrüche. Im Westen mehr oder weniger wie gehabt. Auch für das Braunschweiger Ehepaar, zumindest bis 1996. Da bekam Harald Christel das Angebot, den Media Markt in Magdeburg zu übernehmen. Klar doch ! Nur Kerstin Christel wollte nicht. Verwandte und Freunde blieben im vertrauten Braunschweig. Und der Osten wirkte irgendwie grau, trist. Vielerorts jedenfalls. Auf jeden Fall fremd.

Trotzdem ließ sie sich von ihrem Mann überzeugen. Er wollte nicht jeden Tag pendeln. So hatte er eine Bleibe gesucht und ein Haus zur Miete in Gommern gefunden. Die Familie sollte zusammenbleiben. Kerstin Christel kam mit den beiden Kindern in den Osten, nach Gommern. Und lebte sich problemlos ein. " Ganz schnell habe ich festgestellt : Das hier ist ein toller Menschenschlag, herzlicher als in Braunschweig. " Auch da gibt es Schmuddelecken, hat sie festgestellt. Die nahm sie aber erst wahr, als sie dorthin zu Besuch kam. Die Perspektive ändert sich eben.

" Nach Magdeburg zu gehen, war richtig "

Kerstin Christel ist Büroleiterin im Magdeburger Media Markt und zuständig für die Ausbildung. " Die eigentliche Chefin ", sagt Ehemann Harald mit einem Augenzwinkern. Die beiden schieben sich nun verbale Bälle zu. Als wären sie frisch verheiratet, dabei sind sie es schon 22 Jahre. Und nun auch schon lange in der Firma vereint. Die Chemie stimmt immer noch.

Das Ehepaar reist gern. Harald Christel träumt von einer Tour mit einem kleinen Propellerboot durch die Sümpfe von Florida. Das Abenteuer lockt. Das Kind im Manne. Doch erst mal ruft der Job. " Wir sind krisensicher ", sagt er. Und zufrieden sind er und Kerstin. " Die Entscheidung, nach Magdeburg zu gehen, war richtig ", tönt es unisono.

Und das, obwohl man in ihrer Gommeraner Wohnecke ins Dunkelland kommt, wenn es um eine schnelle Internetanbindung geht. Kaum vorstellbar im digitalen Zeitalter. Darüber können sich die Christels in Rage reden.

Vor ein paar Jahren erhielt Harald Christel ein Jobangebot in Braunschweig. Aber er wollte nicht mehr zurück. Ebenso wenig seine Kerstin. Klingt nach kleinem Paradies in Magdeburg-Gommern ? So würden es die beiden nicht formulieren. Sie sind hier jedenfalls angekommen, auch innerlich. Immer wieder sagen sie : " Hier ist unser Zuhause. " Nicht nachvollziehen kann das Ehepaar, dass die Familie hier ab und zu mit dem Spruch konfrontiert wird : " Ihr seid Wessis. " Na und ? Die Christels fühlen sich als Deutsche, als Europäer, als Erdenbürger.