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Der Tag nach der Bundestagswahl Die SPD im Tal der Tränen: "Ein, Weiter so’ wird es nicht geben"

Von Winfried Borchert und Michael Bock 29.09.2009, 04:57

An der SPD-Basis haben gestern viele Genossen das Ergebnis der Bundestagswahl als " Katastrophe " und " Desaster " bezeichnet. Vor der Landesvorstandssitzung am gestrigen Abend in der Parteizentrale in Magdeburg verschaffte sich die Volksstimme ein Stimmungsbild.

Magdeburg. Die Ursachen für das schlechte Abschneiden se hen viele Sozialdemokraten im Fehlen eines eigenen klaren Profi ls in der Bundesregierung sowie im Erscheinungsbild einzelner SPD-Minister in der Landesregierung. Genannt wurden vor allem Innenminister

und Landeschef Holger Hövelmann sowie Sozialministerin Gerlinde Kuppe. Als Konsequenz wurden aus einigen Kreisverbänden Forderungen nach einer schnellen Entscheidung über die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2011 erhoben – zugunsten von Finanzminister Jens Bullerjahn.

Die Kontrahenten um die Spitzenkandidatur, Hövelmann und Bullerjahn, hatten sich darauf verständigt, die Frage der Spitzenkandidatur nach der Bundestagswahl zu klären. Hövelmann sagte vor der Vorstandssitzung, das Thema stehe nicht ganz oben auf der Tagesordnung. " Es gibt viel wichtigere Fragen, die wir beantworten müssen. " Dennoch könne die Entscheidung wie geplant bis zum Jahresende getroffen werden.

Die altmärkischen Kreischefs Jürgen Barth ( Westliche Altmark ) und Ralf Bergmann ( Stendal ) forderten gestern Nachmittag als Konsequenz aus der Niederlage rasche Entscheidungen über Inhalte und Personen in der Landes-SPD. " Mit einem, Weiter so ‘ wird es nicht gehen ", sagte Barth. An der Basis wurde gehofft, mit einer schnellen Klärung über die Spitzenkandidatur wieder die politische Offensive zu erlangen. Barth und Bergmann forderten : " In Magdeburg müssen jetzt wichtige Personalentscheidungen fallen, damit wir uns mit voller Kraft auf die Landtagswahl konzentrieren können. " Bergmann weiter : " Es gibt keinen Grund, mit der Entscheidung über die Spitzenkandidatur zu warten. Die Situation ist heute genau so wie in vier Wochen oder in vier Monaten. "

In der Frage, mit wem an der Spitze die SPD in die Landtagswahl ziehen sollte, hielten sich Bergmann und Barth vor der Vorstandssitzung bedeckt. Der Wittenberger Thomas Quast wurde deutlich : Im Vergleich mit Hövelmann mache " Bullerjahn den besseren Job ". Katja Pähle, Vorsitzende des SPD-Stadtverbandes Halle, forderte, bei der Entscheidung über die Spitzenkandidatur die Mitglieder einzubeziehen. Zunächst sollten sich Bullerjahn und Hövelmann aber einigen. " Anschließend muss in den Kreisund Ortsvereinen diskutiert werden, wie es weitergehen soll. "

Wie konnte es überhaupt zu dem Wahldebakel kommen ? Pähle meinte : " Vielleicht waren wir nicht dicht genug an den Wählern und ihren Themen dran. Vielleicht lag es auch daran, dass die Arbeit des Innen- und des Sozialministeriums in der Öffentlichkeit vor allem als streitund problembehaftet wahrgenommen wurde. " Ähnlich sieht es Thomas Quast, Chef des SPDKreisverbandes Wittenberg : " Ob es an einer schlechten Pressearbeit liegt oder woran auch immer – die Medienpräsenz einiger unserer Minister ist suboptimal. " Die Ursache für das besonders schlechte Ergebnis der Landes-SPD sieht Quast in dem " sprunghaften Wählerverhalten in Sachsen-Anhalt ".

SPD-Landtagsfraktionschefi n Katrin Budde betonte, Hövelmann wie auch Kuppe hätten in den zurückliegenden Wochen " kein gutes Bild abgegeben ". Budde : " Unsere Minister waren ständig in den negativen Schlagzeilen. " Zudem hätten die Entscheidungen der Bundes-SPD zur Erhöhung der Mehrwertsteuer und zur Rente mit 67 an den SPD-Wahlständen eine " gravierende Rolle " gespielt. " Das hat bundespolitisch am schwersten durchgeschlagen. "

Der Burger Oberbürgermeister und designierte Justizstaatssekretär, Bernhard Sterz, forderte eine stärkere inhaltliche Auseinandersetzung mit der Linken. Die SPD müsse die " Meinungsführerschaft " bei Themen wie Hartz IV oder der Rente zurückerobern, sagte er.

Matthias Graner, Landtagsabgeordneter und Kreischef im Jerichower Land, sagte : " Wir müssen weiter für unsere Themen wie etwa soziale Gerechtigkeit kämpfen. Unsere sozialdemokratischen Forderungen sind doch nach dem miserablen Wahlergebnis nicht plötzlich unwichtig geworden. "

Basisvertreter mahnten eine Strukturreform des SPD-Landesverbandes an. Parallel dazu müsse die Partei inhaltliche Schwerpunkte für die Landtagswahl setzen und dabei frühzeitig die Frage klären, wie sie es künftig mit der Linken halten wolle : Koalition oder nicht, notfalls als Juniorpartner unter einem Linke-Ministerpräsidenten oder nicht ?

Um das öffentliche Bild der SPD im Land zu verbessern, schlug Bergmann eine Arbeitsteilung zwischen der Landtagsfraktion und den SPD-Ministern vor : " Für das Bild der SPD in der Öffentlichkeit wäre es gut, wenn die Fraktion die inhaltlichen Schwerpunkte setzen würde und die Ministerien möglichst geräuschlos ihre Arbeit machten. "