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25 Jahre Mauerfall DDR-Handel: Hier spricht der Centrum-Funk!

Das Centrum-Warenhaus Magdeburg, eröffnet im Herbst 1973, war ein Quantensprung für den Handel im gleichnamigen Bezirk. An Umsatz mangelte es nie, eher an den Waren.

Von Steffen Honig 07.06.2014, 03:13

Magdeburg l "Hier spricht der Centrum-Funk!" - so klang es mehr als 15 Jahre durch die Etagen des Kaufhauses in der damaligen Karl-Marx-Straße, dem heutigen Breiten Weg. Der Hausfunk pries gerade vorrätige Waren an oder strahlte Suchanzeigen aus.

Vor der Tür regierte der Buschfunk. Es sprach sich schnell herum, wenn es zum Beispiel Bohrmaschinen, klassische DDR-Bückware, gab. Die waren unerlässlich, wollte man in Wände der Plattenbauten auch nur einen Nagel bekommen. "Die Bohrmaschine Multimax kostete 123,70 Mark", erinnert sich Barbara Westermann noch genau.

Anfangslohn von nicht einmal 400 DDR-Mark

Die 58-Jährige gehört wie Renate Trapp und Edelgard König zu den "Centrum-Pionierinnen", die seit der Eröffnung 1973 bis zu heutigen Karstadt-Zeiten im leichtmetallverkleideten Handelswürfel in der Magdeburger City arbeiten.

Beispiel Renate Trapp: Sie zog aus Gardelegen zu. Die gelernte Fachverkäuferin für Lebensmittel hatte durch Mund-zu-Mund-Propaganda erfahren: "In der Centrum-Kaufhalle suchen sie Leute!" Wenig später stieg die heute 61-Jährige als Warendisponentin im Magdeburger Kaufhaus ein. "Wir haben den Mangel verwaltet", sagt sie, "aber wenn wir etwas da hatten, war der Umsatz sehr gut."

Selbst verdienten die drei Damen vom Centrum in ihrer 45-Stunden-Arbeitswoche nicht viel. Barbara Westermann berichtet, ihr Anfangslohn habe 530 DDR-Mark betragen, bei Edelgard König (57)waren es gerade mal 386 Mark. Zum Ende der DDR hätten die Verkäuferinnen im Centrum dann bei 600 bis 700 verdient, gibt das Trio übereinstimmend an.

Dazu kamen Umsatzprämien und andere Extras. So gab es für mehrmonatiges fehlerfreies Kassieren 30 Mark. Beste Verkäuferin der Woche oder des Monats - das war eine weitere Form der Anerkennung. Die Arbeitszeit betrug 45 Stunden in der Woche. Ab 7 Uhr wurden die Regale aufgefüllt, um 9 Uhr öffnete sich die Centrum-Türen, die sich in der Regel um 18 Uhr wieder schlossen.

Ein Arbeitsplatz im Centrum war attraktiv: Hier saß Renate Trapp an der Quelle um Naturalien zu ordern, die ihre Verwandschaft in der Altmark eher selten zu Gesicht bekam. Also fuhr sie mit Bananen in der Tasche nach Gardelegen, wenn es die mal gab. Doch auch knappes Schmalzfleisch wurde mitgebracht - nahrhafte "Beziehungen".

Offiziersfrauen setzten die Ellenbogen ein

Im Centrum mit seinen rund 1200 Mitarbeitern gab es alles, was einen wichtigen DDR-Betrieb ausmachte: Werksrestaurant und Ferienplätze, Jahresendprämie und SED-Parteileitung. Ihre Grundorganisationen im Warenhaus hatten natürlich auch die Gewerkschaft und andere Massenorganisationen wie die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF).

Allerdings wirkte das Auftreten der russischen Kundschaft im Hause wenig beflügelnd für die Völkerfreundschaft. Zumeist waren das Offiziersfrauen, die in der Garnisionsstadt wenig zu tun hatten, aber über einiges Geld verfügten. Um bei großem Andrang an begehrte Artikel zu kommen, setzten diese Kundinnen gern und erfolgreich ihre Ellenbogen ein.

Im Centrum wurde auch ein Warenaustausch quer über die Straße betrieben. Die Kaufhalle des Hauses hatte im Wechsel mit der "Ratswaage" schräg gegenüber sonntags den "Versogungsauftrag" für Lebensmittel. Beide Verkaufsstellen stimmten sich über die Vorratslage ab und halfen sich bei Milch oder Schlagsahne öfter aus, berichtet Renate Trapp: "Da hat man schon mal ein Päckchen Kaffee mitgenommen." Denn am Montagfrüh war Rapport beim Rat der Stadt angesagt, und wehe, es hatte Beschwerden seitens der Kundschaft gegeben!

Einmal im Monat während der Arbeit zum Friseur

Der überwiegende Teil der Belegschaft waren Frauen. Für sie gab es eine ganz besondere Sozialleistung. Den Friseursalon, den es im Centrum auch gab, durften sie einmal im Monat sogar während der Arbeitszeit in Anspruch nehmen!

Das Warenhaus hatte in Magdeburg-Sudenburg seinen eigenen Betriebskindergarten und unterhielt ein Kinderferienlager. Wie sich die Verkäuferinnen erinnern, wurde eigens für dessen Küche bestes Obst aus den Centrum-Beständen abgezweigt. Für den Familienurlaub der Beschäftigten gab es unter anderem drei Wohnwagen in Kühlungsborn an der Ostsee.

Ach, es habe schon Spaß gemacht damals, räsoniert Barbara Westermann. Der Kollektivgeist sei unter den Centrum-Verkäuferinnen immer hochgehalten worden, betont das Verkäuferinnen-Trio.

"Stecken Sie sich den Ostkram an den Hut"

Zur Wendezeit war Schluss mit dem gewohnten Handel und Wandel im Centrum. "Stecken Sie sich Ihren Ostkram doch an den Hut", bekamen Edelgard König und ihre Kolleginnen nun zu hören. "Wir haben teureste Anzüge für 20 DDR-Mark verkauft", entrüstet sich Renate Trapp noch heute.

Das Magdeburger Warenhaus und ein ganzes Land stellten auf Ausverkauf um. Bald waren die Regale wieder gefüllt - jetzt gab es alles, was man bezahlen konnte. Karstadt hatte Centrum geschluckt.