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25 Jahre Mauerfall Warum Trabi und Audi Verwandte sind

Auch wenn man es ihm am Ende nicht mehr ansah: Aber im Trabi stecken die
Gene genialer deutscher Automobile. Sein Geburtsland Sachsen war immer
eine große Autoschmiede. Und ist es heute wieder.

Von Jens Schmidt 18.07.2014, 03:14

Magdeburg l Wäre Sachsen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zur Ost-Zone gekommen, würden Premiumautos der Marke Audi heute wahrscheinlich in Zwickau vom Band rollen und nicht im bayrischen Ingolstadt. Und hätten die Genossen in der DDR im sozialistischen Übereifer nicht vergessen, die Markennamen zu sichern, hätte der Trabi die berühmten vier Ringe auf der Kühlerhaube gehabt. Wenigstens das. Doch es kam alles anders.

Zwickau, der Produktionsort des Trabant, war lange vor der Geburt der Rennpappe eine Autostadt. Mit Zwickau, Zschopau und Chemnitz wuchs Sachsen nach Rüsselsheim (Opel) zur zweitgrößten Auto-Schmiede im Deutschen Reich heran. August Horch legte 1904 dafür den Grundstein. Horch-Luxusautos standen in den Garagen der Schönen und Reichen. Im Streit verließ er bald seine eigene Firma und baute unmittelbar neben seinen alten "Horch-Werken" in Zwickau eine neue Fabrik. Aus rechtlichen Gründen durfte Horch seine neuen Autos nicht mehr "Horch" nennen. Wie das Kind taufen? Der Kniff: Er übersetzte seinen Namen ins Lateinische. "Horch!" ist die Befehlsform von "hören". Und die Befehlsform vom lateinischen "audire" (hören) lautet: Audi. Horch halt. Nur anders. 1910 fuhren die ersten Audis in Zwickau vom Hof. Das Revolutionäre: Audi baute erstmals das Lenkrad auf die linke Seite - bislang war Rechtssteuerung angesagt.

Ein Trabi-Urvater kam aus Dänemark

Der andere Ur-Vater des Trabis war ein Däne. Jørgen Skafte Rasmussen siedelte sich 1904 in Sachsen an, probierte es erst mit Dampfkraftwagen - und ließ das Kürzel DKW schützen. Der Dampf verzog sich, das Benzin kam. In den 20er Jahren stieg DKW in Zschopau mit seinen leichten RT-Maschinen zum weltgrößten Motorradhersteller auf. Schließlich stieg er auch groß ins Autogeschäft ein, übernahm Audi in Zwickau und baute auch DKW-Autos.

Anders als viele andere setzte DKW auf kleine, leichte Karossen aus lederbezogenem Sperrholz und kam damit in der Zeit beginnender Massenmotorisierung groß raus. DKW-Autos waren erschwinglich und wurden die ersten "Volks-Autos". Vor allem: Es kamen Zweitakt-Motoren zum Einsatz. Die qualmten zwar mehr, waren aber bei nahezu gleicher Leistung kleiner und preiswerter als Viertakter.

Und: DKW-Autos gehörten weltweit zu den ersten Serienwagen mit Frontantrieb. Diese Wagen waren leichter zu steuern und kamen auf glatter Straße besser voran. Der erste "Frontwagen" bekam den Namen F 1. Die Reihe wurde mehr als 30 Jahre lang weiterentwickelt. Später im Osten bis zum F 9; im Westen bis zum F 103.

Zweitakter, leichte Karosse, Frontantrieb - das grundlegende technische Erbgut behauptete sich über Jahrzehnte und fand sich später in Trabi und Wartburg wieder.

In der Weltwirtschaftskrise gerieten auch die sächsischen Autobauer in Schieflage. Auf Betreiben der Sächsischen Staatsbank kam es zur Fusion. Audi, Horch, DKW und Wanderer in Chemnitz wurden 1932 zur neuen "Autounion AG" mit Hauptsitz in Chemnitz verschweißt. Zum Zeichen der großen Firmenehe zierten fortan vier ineinander verschlungene Ringe die Autounion. Jene Ringe, wie sie heute noch am Kühler der modernen Audis prangen.

Nach 1945 kam Sachsen zum sozialistischen deutschen Teil. Große Fabriken wurden volkseigene Betriebe (VEB), also verstaatlicht. Statt aber einen VEB Autounion zu bilden, erledigten die Genossen auch auf Druck Moskaus ihre Arbeit gründlich: Die Firma wurde 1948 aus dem Handelsregister gelöscht, der Name Autounion getilgt - nicht einmal die Markennamen Audi, DKW, Horch und Wanderer ließ man sich rechtlich schützen. Alle ostdeutschen Autobetriebe wurden stattdessen unter der Dachmarke IFA zusammengefasst. Zur Freude der ehemaligen Firmenchefs: Die waren nach Bayern gegangen und gründeten dort in Ingolstadt die Autounion neu und konnten problemlos die zugkräftigen Marken nutzen.

Zunächst wurde dort der DKW gebaut und weiterentwickelt. Wieder mit Frontantrieb und Zweitaktmotor. Das ging bis in die 60er Jahre gut, dann kamen die Stinker beim Westpublikum nicht mehr gut an. Der VW-Konzern übernahm bei der Autounion das Ruder und verpasste den Wagen einen saubereren Viertakter. Zum Zeichen der Zäsur wurde die Marke DKW beerdigt und die alte Marke Audi 1965 wiedergeboren. Die Zweitakter gingen, die vier Ringe blieben. Im Westen.

Zwar behielten die beiden - nun volkseigenen - Zwickauer Autowerke noch eine Weile die alten Markennamen (VEB Audi, VEB Horch), doch damit war bald Schluss. 1958 wurden die Werke schließlich zum VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau vereinigt.

Anfangs wurden die alten DKW-Modelle F8 und F9 weitergebaut. Auch die luxuriöse Horch-Linie ging weiter: Mit dem "Sachsenring", einem schicken Sechszylinder-Pkw. Der kostete 27 000 DDR-Mark, das waren fast fünf Jahresgehälter.

Der für Normalverdiener unerschwingliche Wagen war vor allem als Regierungskarosse im Einsatz. Auf Geheiß Moskaus sollte sich die DDR aber auf Kleinwagen beschränken und große Autos gefälligst aus der UdSSR importieren. Daher kam für den Sachsenring ein frühes Ende. Heute sind die raren Wagen gesuchte Oldtimer.

Die DDR-Führung gab die Weisung aus, ein moderneres, erschwingliches, technisch unkompliziertes Auto für die Massen zu bauen - in dem eine vierköpfige Familie Platz hat. Das alte DKW-Prinzip also, nun aber in einem DDR-Volkswagen des Zeitgeschmacks. Zwickau brauchte dafür Platz: Die F-9-Produktion wurde ins ehemalige BMW-Werk nach Eisenach verlagert - der F 9 wurde dort später zum Wartburg fortentwickelt.

Die Zwickauer probierten etwas anderes: Die Konstrukteure ersetzten das teure Stahlblech durch Duroplast. Der P 70 war geboren. Unter der neuartigen Karosse tuckerte aber immer noch eine mittlerweile veraltete F-8-Maschine. Das änderte sich 1957/58 mit dem P 50. Er bekam einen kleineren, aber moderneren Motor. Die Karosserieteile wurden erneut verändert: Nun wurden Baumwollreste zusammen mit Phenolharz zu einer Art "Pappe" verpresst. Die Rennpappe war geboren - und sie erhielt den Namen Trabant. Zweitakter, Frontantrieb, eine leichte, andersartige Karosse - Zwickau nahm das alte DKW-Prinzip auf, entwickelte es aber zeitgemäß fort. Die Limousine kostete damals 7500 DDR-Mark.

Trabi mit Schrägheck und Wankelmotor

In den ersten Jahren durften die Ingenieure neue Ideen in die Tat umsetzen und den Kleinwagen modernisieren - bis 1964. Mit dem Trabant 601 war Schluss. Zwar entwickelten die Zwicker immer wieder Prototypen - mit Schrägheckkarosse, mit Viertakter, sogar ein Wankelmotor-Modell war dabei - doch die DDR-Wirtschaft hatte nicht die Puste, das umzusetzen.

Wegen des akuten Mangels waren die Trabis dennoch heiß begehrt, obgleich die Technik hoffnungslos veraltet und die auf bis zu 15 000 Mark gekletterten Preise durchaus saftig waren. Kunden mussten zehn Jahre und länger auf ihr Auto. warten. Und zahlten notgedrungen für gebrauchte Trabis sogar mehr als für neue.

Erst Ende der 80er Jahre wurde dem Kleinwagen ein moderner Viertaktmotor auf VW-Lizenzbasis gegönnt - doch bald darauf waren DDR und Trabi am Ende. Das Modell war zu weit weg vom Zeitgeschmack und den technischen Möglichkeiten. 1991 lief der letzte der insgesamt 3 Millionen produzierten Trabis vom Band. Heute rollen noch gut 30 000 Exemplare auf den Straßen.

Die vier Ringe der Autounion kehrten nicht wieder nach Sachsen zurück - aber ihr Eigentümer kam, der Volkswagen-Konzern. Er gründete in Zwickau die Volkswagen Sachsen GmbH. Mittlerweile sind dort 8000 Mitarbeiter beschäftigt. In Zwickau werden täglich gut 1300 Autos vom Typ Golf und Passat montiert. In Chemnitz baut VW die Motoren. Selbst die Luxus-Tradition vom alten Horch lebt fort, wenn auch nicht unter der Marke: Aber in der gläsernen Manufaktur in Dresden fertigt VW das Oberklasse-Modell Phaeton. 1915 hatte auch Horch einen Phaeton auf den Markt gebracht. Also: Die alte Autoschmiede Sachsen lebt.

l In der nächsten Woche lesen Sie: Wer kann Trabi fahren? Junger Redakteur im Selbst- und Autotest.