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Die Medienserie der Volksstimme (Teil 4) Kindernachrichten: Kompliziert ist verboten

Von Patrick Schneider 01.04.2010, 05:16

Auch Kinder wollen das Weltgeschehen verstehen. Nachrichtensendungen für Erwachsene tragen dazu naturgemäß kaum bei. Zu komplex sind die Probleme, über die dort berichtet wird. Doch viele Medien machen spezielle Nachrichten-Angebote für Kinder. Die sind zuweilen so gut, dass selbst Erwachsene ihre Inhalte erst dort so richtig begreifen.

Magdeburg. Welches Kind soll solche Nachrichten verstehen? "Der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi ruft Muslime wegen des Minarettverbots zum Heiligen Krieg gegen die Schweiz auf." "Der Empfang des Dalai Lama verursacht diplomatische Verstimmungen zwischen den USA und China", "Die veränderten Klimabedingungen kräftigen den Stoffwechsel der Bäume".

Jeden Tag erfährt das erwachsene Publikum über Fernsehnachrichten, was so alles in der Welt passiert. Ob in der "Tagesschau", bei "heute", "RTL aktuell" oder eine der anderen diversen Nachrichtensendungen – innerhalb von einigen Minuten bekommen wir über visuell aufbereitete Reportagen, Berichte oder Kurznachrichten das nationale und internationale Geschehen aktuell vermittelt.

Heranwachsende ohne Hintergrundwissen

Auch für die meisten Kinder ist das Fernsehen die wichtigste Informationsquelle, wenn es darum geht, Informationen über das Weltgeschehen einzuholen. Doch was Erwachsene leicht verstehen, ist Kindern oft ein Rätsel. Meist setzen Nachrichten Hintergrundwissen voraus oder sind sprachlich so komplex formuliert, dass Heranwachsende nicht folgen können. So ist es zum Beispiel für einen Fünfjährigen ohne Hintergrundwissen unmöglich, nachzuvollziehen, wieso Gaddafi zum Heiligen Krieg gegen die Schweiz aufruft oder wieso Klimawandel den Stoffwechsel der Bäume kräftigt. Doch gerade Kinder haben einen unstillbaren Wissensdurst und wollen verstehen, wie die Welt funktioniert und was ihre Eltern tangiert.

Wie diverse Untersuchungen gezeigt haben, nimmt mit wachsender Aufnahmefähigkeit auch das Interesse für das Tagesgeschehen zu. Mit zunehmendem Alter verschiebt sich das Medieninteresse der Kinder weg von Zeichentrickserien hin zu Informationen und Nachrichten. So entwickelte sich schon seit den 1970ern der Trend zur altersgerechten Darstellung von Medien und somit zur Gestaltung von selbständigen Kindernachrichtensendungen. Bereits 1972 rief BBC mit "Newsround" die ersten Kindernachrichten ins Leben. 1981 folgten das "Jeugdjournaal", produziert vom niederländischen Sender NOS, und 1985 die Kindernachrichten des Österreichischen Rundfunks. 1988 schließlich sollten auch Kinder in Deutschland die Möglichkeit des altersgemäßen Informationszugangs erhalten.

Das ZDF produzierte die Sendung "logo!", die auf dem Kinderkanal KI.KA mehrmals täglich ausgestrahlt wird. Eine lockere Moderation, die Verwendung einer verständlichen und einfachen Formulierung, anschauliche Animationen sowie erklärende Bilderfolgen helfen Kindern, auch schwierige Themen zu verstehen.

Die Heranwachsenden interessieren dabei weniger die aktuellen Entwicklungen an der Börse, sondern sind vielmehr an Hintergrundwissen interessiert, d.h. wie Naturkatastrophen entstehen, was der Klimawandel ist und wieso es sein kann, dass ein EU-Staat hoch verschuldet ist.

Geht es beispielsweise um die aktuelle Lage im Irak, erklärt "logo!" anhand einer einleitenden Grafik erst genau, wieso es im Irak überhaupt zu Gewalt und Auseinandersetzungen kommt. Mit einfachen Bildern werden die Invasion alliierter Truppen, der Sturz von Saddam Hussein und die Unzufriedenheit der Bevölkerung genauestens erläutert. Anschließend interviewt das "logo!"-Team eine 12-jährige Irakerin, die erzählt, wie sie die Gewalt erlebt.

Die Interviewer gehen dabei besonders auf Probleme ein, welche die Heranwachsenden betreffen – also, zum Beispiel, dass es durch die ständigen Sicherheitskontrollen etwa eine Stunde länger dauert, zur Schule zu kommen. Dank der altersgerechten Darstellung, der ausführlichen Erklärung von Hintergrundwissen und der Anspielung auf Probleme, die auch Kinder tangieren, gelingt es, den jungen Zuschauern näher zu bringen, was im Irak gerade passiert.

Bei einer repräsentativen Umfrage der ZDF-Medienforschung gaben 86 Prozent der Acht- bis Zwölfjährigen an, dass bei "logo!" schwierige Dinge verständlich erklärt werden und 84 Prozent der Befragten sagten aus, dass die "logo!"-Macher wüssten, was Kinder interessiert. Besonders schwärmten die Heranwachsenden über die verständliche sowie erklärende Darstellung der Nachrichten, aber auch die Möglichkeit der aktiven Beteiligung als Kinderreporter. Dabei moderieren Kinder ein bestimmtes Thema und stellen Filmberichte zusammen. Im ersten Halbjahr 2009 erreichte "logo!" 3,62 Millionen Kinder zwischen drei und 13 Jahren. Natürlich können sich Kinder nicht nur auf "logo!" über aktuelle Informationen und Hintergründe informieren. Auch "Die Sendung mit der Maus", "Löwenzahn", "Galileo" oder "Wissen macht Ah!" werden von Heranwachsenden genutzt, um den Wissensdurst zu stillen, wobei hier aber nicht primär die Aktualität im Vordergrund steht.

"Pusteblume" in der Volksstimme

Auch Zeitungen haben die Herausforderung "junge Leser" längst erkannt und bieten regelmäßig Kinderseiten, Jugendbeilagen oder Internetdienste für Heranwachsende an – in der Volksstimme zum Beispiel die "Pusteblume" und verschiedene Jugendseiten in den Lokalausgaben. 2004 ergab eine Chefredakteurbefragung, dass sich die Mehrzahl der Printprodukte im Kinder- und Jugendsektor engagiert und regelmäßig altersgerechte Nachrichten abdruckt.

Auch das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" bietet jungen Lesern seit Kurzem mit der Kinderausgabe "Dein Spiegel – Einfach mehr wissen" die Möglichkeit, sich über aktuelle Hintergrundinformationen schlau zu machen. Nach dem Motto "Kinder wollen wissen, was in der Welt vorgeht", informiert der Spiegel monatlich altersgerecht über beispielsweise Amok-Training in der Schule oder warum aktuell Geld gespart werden muss.

Viele Bilder, Interviews und verständliche Texte öffnen den Jugendlichen so den Zugang zur gedruckten Information. Auch hier können sie sich aktiv beteiligen: Verschiedene Kinderreporter interviewen da schon mal die Familienministerin Kristina Schröder oder aber das erwachsene Spiegelteam befragt Kinder zu bestimmten Themen wie zum Beispiel die Hartz-IV-Leistungen. Auf diese Weise fühlen sich Heranwachsende als Teil der Nachrichten und interessieren sich automatisch stärker für sie.

Ob es sich nun um die Physiologie der Bäume im Zeitalter des Klimawandels, um die 20-prozentige Anreicherung von Uran in unterirdischen Atomanlagen im Iran oder die angestrebte Verfassungsänderung in der Türkei durch die AKP handelt – keine Nachricht ist für Kinder zu kompliziert. Es kommt einzig auf die altersgerechte Erklärung und Darstellung an. Kombiniert mit Hintergrundinformationen, erklärenden Bildern und einer einfachen Sprache bleiben Nachrichten für Kinder nicht länger ein Rätsel. Im Gegenteil verstehen sie so schon früh Zusammenhänge und entwickeln ein ausgeprägtes Nachrichtenverständnis.