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Bewohner richten in Not geratenem Fischer Wohnung ein / Tierarzt fährt mit Boot zur Kuhrettung Hilfe und Solidarität für Opfer der Flut

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 24.06.2013, 03:27

Klietz l Sie mussten vor den Fluten des Fischbecker Deichbruches flüchten und kehren nun wieder zurück. Für die Menschen im Elbe-Havel-Land beginnt das Aufräumen, einige finden nur noch Trümmer vor und blicken voller Existenzängste in die Zukunft. Sie helfen sich aber gegenseitig.

Zumindest ein Dach über dem Kopf hat der Hohengöhrener Fischer Gernot Quaschny seit gestern. In den vergangenen zwei Wochen war er für die "Inselbewohner" der Retter in der Not, brachte mit seinem Boot Treibstoff und Lebensmittel vom Hohengöhrener Damm zu den vom Hochwasser eingeschlossenen Dörfern Hohengöhren und Schönhausen.

Sein Haus samt Betrieb am Ortsrand und auch der zweite Firmensitz am Klietzer See stehen noch tief im Wasser. Die Hohengöhrener, die im Dorf geblieben waren, haben sich in den letzten Tagen an die Arbeit gemacht und eine Gemeindewohnung für ihn renoviert. "Das ist ein kleines Dankeschön an unseren Mitbewohner, den das Hochwasser hier in Hohengöhren am meisten getroffen hat", sagt Ratsmitglied Peter Hackel im Kreise der Dorfgemeinschaft, als er Gernot Quaschny den Schlüssel überreicht. Dessen Gesicht zeigt dennoch kaum Regung. Er ist nicht mehr in der Lage, sich über irgendetwas zu freuen, zu sehr plagen ihn Sorgen vor der Zukunft. "Zu Hause ist nichts mehr zu retten! Die Substanz meines Elternhauses ist alt - ich kann alles nur noch zusammenschieben, wenn es vorher nicht schon von allein zusammenbricht."

Nur eine Druckmaschine war noch zu retten

Ganz von vorn anfangen muss auch Familie Kluge in Schönhausen. Ihr Mehrgenerationenhof, in den letzten Jahren mühsam Stück für Stück erneuert, stand einen Meter tief im Wasser. Nicht nur die beiden Wohnhäuser sind unbewohnbar, sondern auch die Büros der kleinen Werbeagentur Mediadotprint müssen entkernt werden. Jörg Kluge und seine Frau Karin wollten in diesem Monat zehnjähriges Betriebsjubiläum feiern - nun ist ihre Existenz bedroht. In der Nacht des Deichbruches hatten sie in aller Eile zwar noch ein paar Maschinen höher gestellt, doch das Wasser überflutete alles und zerstörte nicht nur Maschinen, sondern auch sämtliches Material, das für Drucksachen benötigt wird. Wenigstens die wertvollste Druckmaschine konnte, als das Wasser schon auf den Hof floss, rasch auf den Autoanhänger bugsiert und in Sicherheit gefahren werden.

"Irgendwie muss es weitergehen, wir geben nicht auf!", versucht Jörg Kluge Mut aufzubringen. "Die Familie und Freunde helfen uns, dass wir irgendwann wieder hier einziehen und arbeiten können." Um trotz der Katastrophe den Lebensunterhalt der Familie mit den zwei schulpflichtigen Töchtern Lisa und Johanna zu sichern, hat er ein leerstehendes Ladengeschäft im trockengebliebenen Teil des Dorfes gemietet.

Tierarzt setzt mit Boot über, um Kuh zu retten

Weiterhin eine Insel ist Neuermark-Lübars. Mit dem Boot holen Dorfbewohner das Essen über den See aus Klietz. Auch Retter wie Tierarzt Dr. Christian Leue aus Kamern müssen diesen Weg nehmen. Seine Hilfe war am Sonnabend nötig, als eine Kuh des Familienbetriebes Kieselbach ihr Kalb tot zur Welt gebracht hat. Vermutlich war der Stress der letzten Tage der Grund dafür. Denn der Hof der Familie stand unter Wasser. Mit Unterstützung der Dorfbewohner war ein Wall gebaut worden, damit das Wasser nicht in den Stall zu den 80 Kühen fließt. Der Tierarzt, dessen Haus in Kamern selbst im Wasser stand, nahm einen wegen der Umwege 80 Kilometer langen Anfahrtsweg in Kauf, um die Kuh zu retten. Diese Hilfe und auch der erste Abtransport der Milch nach zwei Wochen sind ein kleiner Lichtblick für Bauer Friedrich-Wilhelm Kieselbach.