1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Nach der Tour in die "Stube"

Entlang der Elbe Nach der Tour in die "Stube"

Auf dem Elberadweg treffen sich Fahrrad-Enthusiasten aus halb Europa. Diesmal geht es von von Buch über Tangermünde nach Storkau.

Von Oliver Schlicht 09.08.2012, 05:19

Tangermünde l Vollbremsung! Nun führt der Elberadweg endlich einmal direkt auf dem Deich an der Elbe entlang, da biegt er plötzlich in das Landesinnere ab. Aber es lohnt sich. Denn der kleine Zwei-Kilometer-Umweg führt in das Dorf Buch, wo der Naturschutzbund (NABU) das größte Umweltzentrum Sachsen-Anhalts betreibt.
Rund um ein ehemaliges Pfarrhaus und eine Scheune erfährt der Besucher alles über den Tier- und Naturraum Elbe. Die Schaukel ist ein Holzstamm und die Küche heißt "Futterkrippe". In einem Bauerngarten gibt es viele bunte Schautafeln über Kräuter, Spinnen und jede Art von Vögelchen. In einem Nachbargebäude haben NABU-Mitarbeiter liebevoll ein "Elbemuseum" eingerichtet. Schaukästen und Tier-Präparate stehen gut sortiert in einer scheunenartigen Halle. Besonders interessant ist, wie die Bauern im Laufe der Jahrhunderte gelernt haben, mit der Elbe zu leben und sie zu nutzen.
Im Obergeschoss des Elbemuseums ist Manfred Beckmann aus Tangermünde auf einer ganz eigenen Reise die Elbe entlang. Der Künstler fertigt ein riesiges Wandgemälde, das die Elbe von der Quelle bis zur Nordseemündung zeigt. Drei Jahre malt er schon, aber er ist - angefangen an der Quelle in Tschechien - erst kurz vor der deutschen Grenze bei Decin angekommen. "Ich war eine Weile krank. Aber jetzt bin ich wieder voll dabei", erzählt er. Der Hartz-IV-Empfänger malt für kleines Geld. "Aber das ist mir egal. Ich habe meine Freude an der Arbeit und bekomme hier täglich zu Essen. Das reicht mir."
Das Dorf Buch hat sich von den NABU-Aktivisten inspirieren lassen. Es bietet den naturverbundenen Fahrradgästen viele Unterkünfte. "Unter dem Namen ,Dorfhotel\' werden inzwischen etwa 80 Betten von Gästezimmern im Dorf und im Umweltzentrum vermittelt", erzählt Uta Neuhäuser, die Leiterin des Umweltzentrums.
Die Familien Zedler und Albrecht im Ort betreiben Pferdehöfe und laden dazu ein, den "Drahtesel" für einen echten Ausritt entlang der Elbewiesen einzutauschen. Und noch etwas Besonderes ist in Buch möglich. Neuhäuser: "Wir organisieren geführte Schlauchbootfahrten auf der Elbe. Gruppen oder Familien ab vier Personen können auch kurzfristig anfragen. Es findet sich fast immer schnell ein Führer, der sich für so eine Flussfahrt Zeit nimmt", sagt Uta Neuhäuser.
Zurück zum Deich. Weiter geht die Fahrt in Richtung Tangermünde. Kathleen Focke radelt mit ihrem Freund Jörg Hildebrandt von Wittenberge im Norden in ihre Heimat, die Lutherstadt Wittenberg. "Wir genießen den tollen Rundblick", schwärmen sie während draußen auf dem Fluss hunderte Wildgänse schnattern. In Rogätz wollen die beiden übernachten und sich dann Magdeburg ansehen.
Der Elberadweg ist ohne Zweifel wunderschön. Aber der Weg einige Kilometer vor und hinter Tangermünde ist einer der Höhepunkte auf der 1220 Kilometer langen Strecke. Alte Eichenbäume und Pappeln bieten entlang des Deiches Wind- und Sonnenschutz, während die Sicht frei über Fluss und Nebenarme möglich ist.
Den tollen Überblick über die Auenlandschaft genießen viele Radfahrer besonders gern von zwei knapp zehn Meter hohen Beobachtungstürmen direkt am Deich. Eine seltene Möglichkeit. Denn der Elberadweg verläuft in der Regel nicht direkt am Elbeufer, sondern einige hundert Meter entfernt im Hinterland.
Nur einen Steinwurf vom Deich entfernt beginnt die Lange Straße von Tangermünde - eine der schönsten Bummelmeilen von Sachsen-Anhalt. Das besondere mittelalterliche Flair und die vielen Einkaufs-, Schlemmer- und Übernachtungsmöglichkeiten der Elbestadt zu schildern, würde den Rahmen dieser kleinen Serie sprengen.
Ohne die Fahrradtouristen wäre Tangermünde aber keinesfalls das, was es heute ist. "In der Hauptsaison sind in unserer Pension mit 20 Zimmern die Hälfte aller Gäste Radfahrer, in unserem Hotel mit 18 Zimmern sind es etwa 30 Prozent", schätzt Stine Schönwald. Familie Schönwald betreibt in Tangermünde unter dem Namen "Exempel" eine mittelalterliche Zecherei, ein Gasthaus, eine Pension, ein Artificium-Geschäft und als jüngsten Sproß der Unternehmensgruppe ein "Schlafstuben"-Hotel. Die Zimmer dort heißen "Wallensteins Lager", "Fontanes Bibliothek" oder "Königin-Luise-Salon" - und sind auch alle entsprechend eingerichtet. Manche sogar mit freistehenden Badewannen. "Darin bekommen die Gäste dann das Abendessen serviert, wenn sie möchten." Heute Abend, so erzählt Stine Schönwald, möchte wieder jemand.
Das Rad ein wenig die Lange Straße hinaufgeschoben und schon steht der Gast vor der jüngsten Eröffnung von Tangermünde - keine sechs Wochen alt. "Nein, wir sind kein Café!" Darauf legt Diplom-Kaffeesommelier Sven Döbbelin großen Wert. Dies sei eine Rösterei mit angeschlossenem Café - nicht umgedreht. Den Titel "Sommelier" hat sich der junge Bursche beim Kaffee-Studium in Wien erworben und das Diplom hinter Glas gerahmt.
In seinem mit Partner Marcus Petzack betriebenen Rösterei-Café bekommen die Gäste den Kaffee frisch und mild geröstet serviert. Der Rohkaffee liegt in Säcken gleich neben dem Eingang. Sechs Sorten blau-grünliche Bohnen. Alle zwei, drei Tage wird in einer großen gusseisernen Maschine geröstet. "Höchstens 14 bis 17 Minuten", erzählt Döbbelin. Der Mann erklärt eigentlich fast alles, was mit Kaffee zu tun hat. Ein Liebhaber der schwarzen Bohnen. Sehr zu empfehlen ist der Eiskaffee. Genau das Richtige vor der Weiterfahrt.
Bis nach Storkau. Schloss Storkau. Ein edles Hotel, wo wöchentlich immerhin etwa 20 Fahrradtouristen einkehren, wie Geschäftsführer Jürgen Jablonowski versichert. "Wer sich für 5000 Euro ein E-Bike kauft, gibt auch mal 105 Euro für eine Nacht bei uns für ein Doppelzimmer aus", sagt er. Wer nicht so nobel sein Haupt betten mag, sollte wenigstens auf der Schlossterrasse ein Törtchen gabeln und der Elbe 200 Meter weiter beim Vorbeiziehen zuschauen.
In Wischer um die Ecke schläft es sich auf dem Campingplatz auch sehr gut. Frisch gekühlt nach einem beherzten Sprung in den klaren Waldsee.
Lesen Sie am Freitag im letzten Teil der Serie "Immer der Elbe nach", wieso ein Polizist in Sandau privat einen Cowboyhut trägt.