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Volksstimme-Serie zum Klimawandel ( Teil 6 ) : Auswirkungen auf die Gesundheit Allergiker müssen länger leiden

Von Uwe Seidenfaden 27.03.2007, 06:56

Klimaforscher prognostizieren für die kommenden Jahrzehnte eine Zunahme sommerlicher Hitzewellen und feucht-warmer Winter in Sachsen-Anhalt. Ältere Menschen mit Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen sowie Allergiker könnten die Folgen besonders zu spüren bekommen. Ob es auch zu Infektionen mit Tropenerkrankungen wie der Malaria kommen wird, ist umstritten.

Magdeburg. Der Sommer 2003 war einer der heißesten in Europa seit vermutlich 1500 Jahren. Jung und Alt stöhnten unter der Sonne und den Tropennächten, die kaum Abkühlung brachten. Damals starben in Europa schätzungsweise 35 000 Menschen – davon nach inoffiziellen Angaben rund 7000 in Deutschland.

Ähnliche heiße Sommer könnten im Verlauf der kommenden hundert Jahre viel häufiger auftreten, prognostizieren Klimaforscher wie Dr. Manfred Stock vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. Vor allem ältere Menschen mit Demenz-Erkrankungen, einem geschwächtem Herzkreislaufsystem, Atemwegserkrankungen, Diabetes und anderen " Alters " - Krankheiten könnten dann besonders leiden. Das Kieler Institut für Wirtschaftsforschung ( IfW ) veröffentlichte im Frühjahr eine Studie, der zu Folge die Zahl der jährlichen Hitzetoten zum Ende des Jahrhunderts in Deutschland bei 5000 bis 15000 liegen könnte.

Nicht alle Wissenschaftler sehen die Zukunft so pessimistisch – trotz des demografi schen Wandels. Laut aktueller Prognose wächst in Sachsen-Anhalt der Anteil der Älteren ( 65 Jahre und älter ) von derzeit 21, 6 Prozent auf 30, 6 Prozent im Jahre 2025. Allerdings gebe es Möglichkeiten, dem Flüssigkeitsverlust und dem Hitzeschock durch entsprechendes Verhalten entgegenzuwirken, meint der Epidemiologe Professor Olf Herbarth vom Umweltforschungszentrum Halle / Leipzig.

Kritik gibt es vor allem an der Überbewertung der reinen Hitzefolgen. " An heißen Sommertagen entstehen auch mehr Photooxydantien ", sagt der Biologe Dieter Teufel, Leiter des Heidelberger Umwelt- und Prognose-Instituts. Bei dem so genannten Sommersmog handelt es sich um einen chemischen Cocktail aus Ozon, Feinstaub und anderen aggressiven Substanzen. " Vor etwa zehn Jahren gab es Prognosen, dass die Belastung durch Photooxydantien abnehmen werde, weil die Vorläufersubstanzen durch Einbau von Schadstoff-Filtern in Kraftfahrzeugen zurückgehen sollten. Aber das Problem ist uns erhalten geblieben und die sonnenreichen Sommer haben daran ebenso einen Anteil wie die Kraftfahrzeuge ", so Teufel.

" Sommersmog kann insbesondere die gesundheitliche Situation älterer und kranker Menschen verschlechtern ", sagt Herbarth. Während Teufel erwartet, dass künftig auch gesunde Menschen zunehmend unter dem Sommersmog leiden werden, weist der Leipziger Forscher darauf hin, dass " in unserer Region noch keine Konzentrationen festgestellt wurden, die ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko für die Allgemeinheit der Bevölkerung darstellen ". Herbarth erwartet das auch für die Zukunft nicht.

Weniger rosig sind dagegen die Aussichten für Allergiker. " Wir können inzwischen feststellen, dass die Frühblüher unter den Pflanzen heute etwa zehn bis 14 Tage früher Pollen produzieren als noch in den 60 er Jahren ", sagt Dr. Klaus Bucher von der Medizinmeteorologischen Forschungsstelle des Deutschen Wetterdienstes in Freiburg. Bei einer zunehmenden Zahl milder Winter sei zu erwarten, dass der Beginn der Blüte sich weiter in die Wintermonate vorverlagern werde, so der Forscher. " Diesmal hatten wir schon im Dezember den ersten Haselnusspollenflug, sagt Bucher. Er erwartet, dass sich das Ende des Pollenflugs weiter hinauszögert. Insgesamt werde also die Vegetationsperiode länger.

" Es ist zu erwarten, dass die Zahl der Pollen und damit auch die Leiden der Pollenfl ug-Allergiker in Mitteldeutschland zunehmen werden ", stimmt auch Herbarth zu, denn wenn es wärmer wird, dann werden künftig auch mehr Pollen fl iegen. " Selbst wenn es längere Trockenperioden im Sommer geben wird " – wie Klimaforscher errechneten – " so werden Laubbäume und Gräser, die Pollen freisetzen, dadurch nicht seltener ", prognostiziert der Epidemiologe.

Einige Forscher befürchten, dass als Folge des Klimawandels künftig auch hier zu Lande tropische Infektionserkrankungen wie die Malaria auftreten können. " In Afrika wurde beobachtet, dass die Malaria in höher gelegene Gebiete des ostafrikanischen Hochlandes vorgedrungen ist. Das wird zum großen Teil auf die Klimaveränderung zurückgeführt ", sagt der Ökotoxikologe Matthias Liess vom Umweltforschungszentrum Halle / Leipzig, der sich in einem EU-Projekt mit der Möglichkeit einer biologischen Bekämpfung der Malaria-Ü berträger, der Anopheles-Mücke, beschäftigt.

Diese Mücken gibt es übrigens auch hier zu Lande, so Liess, nur übertragen sie bislang keine Malaria-Erreger. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass von Reisenden eingeschleppte Malaria-Infektionen in den letzten Jahren häufi ger aufgetreten sind, bestätigt Barbara Ebert vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. Dessen ungeachtet mahnt der Leipziger Ökologe Liess, dass es angesichts des Klimawandels wichtig sein wird, den Weg von Krankheitserregern und deren Überträgern genau zu überwachen.

Gleiches gilt für die Verbreitung der durch Zeckenbisse übertragenen heimischen Infektionskrankheiten wie Lyme-Borreliose oder eine Form der Hirnhautentzündung ( Frühsommer-Meningo-Enzephalitis / FSME ). Biologe Dieter Teufel vom Heidelberger Umweltinstitut erwartet deren Zunahme, wenn es immer öfter milde Winter geben wird. Auch die Biologin Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut ( RKI ) in Berlin will das nicht ausschließen. Sie weißt allerdings darauf hin, dass in den vergangenen Jahren keine Ausbreitung der Risikogebiete festgestellt wurde.

Die Hoffnung, dass mit den immer häufigeren milden Wintern die Zahl der Grippeopfer zurückgeht, wird nach Ansicht der Infektionsforscher nicht in Erfüllung gehen. Grippewellen treten zwar vermehrt in den Wintermonaten auf, aber nicht vorwiegend in strengen Wintern.

Ein Paar Grad Celsius mehr durch den Klimawandel macht dem Erreger offenbar nichts aus, meint Biologin Glasmacher auf Grund statistischer Reihen. Die Wissenschaftlerin erinnert in diesem Zusammenhang an den milderen Winter von 2004 auf 2005, in dem in Deutschland dennoch etwa 16 000 Menschen an der Grippe starben. Das waren mehr als doppelt so viele Menschen wie durch die extreme Hitze 2003 zu Tode kamen.

Dass sich die Grippe im Winter eher ausbreitet als im Sommer liegt wahrscheinlich an den Begleitumständen. " Im Winter rücken die Menschen nun einmal enger zusammen. Das erhöht die Ansteckungsgefahr ", so Glasmacher. " Viren profitieren auch von der winterlichen Heizungsluft. In beheizten Innenräumen trocknen die Schleimhäute schneller aus. Die Eindringlinge gelangen so leichter zu den Schleimhautzellen. Auch die Flimmerhärchen, die durch ihre Bewegungen den in der Nase gebildeten Schleim zum Rachen befördern, sind im Winter nicht so aktiv. " Außerdem kann Lichtmangel im Winter die Menschen anfälliger für Erkältungskrankheiten machen, vermuten Wissenschaftler. An all diesen Grippe-Faktoren ändert der berechnete Klimawandel in den kommenden 100 Jahren jedoch nichts.

Addiert man die Minusgrade eines Winters, erhält man Kältesummen. Meteorologe Willi Willmann vom Wetterdienst in Magdeburg stellte der Volksstimme eine Statistik zusammen. Seit 1988 erlebt die Region gehäuft milde Winter. Die aktuelle Klimastudie des Umweltbundesamtes ( Grafik unten ) zeigt, dass sich die Zahl der Frosttage im mitteldeutschen Tiefland in den kommenden 100 Jahren halbiert.