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Die Wintermacher vom Atlantik

Von Jens Schmidt 29.03.2007, 06:56

Viele Faktoren beeinfl ussen unser Klima. Im sechsten Teil geht es um zwei Luftdruckgebiete, die den Winter in Europa bestimmen.

Schon vor Jahrhunderten hatten Wetterbeobachter bemerkt : War der Winter auf Grönland besonders kalt, war er auf dem europäischen Festland mild. Waren die Winter im hohen Norden vergleichsweise zahm, bibberten Dänen, Deutsche oder Tschechen vor sibirischer Kälte. Später fanden Meteorologen heraus, dass das Tief über Island und das Hoch über den Azoren das Winterwetter in Europa sowie im westlichen Grönland bestimmen. Der Einfluss auf den Sommer ist deutlich geringer.

Das wechselseitige Auf und Ab beider Druckgebiete bezeichnen Fachleute als Nordatlantische Oszillation, kurz NAO. Ist das Island-Tief besonders stark ausgeprägt ( das heißt, es herrscht sehr niedriger Luftdruck ) und das Azoren-Hoch sehr kräftig, dann wehen Winde vom Atlantik auf den Kontinent. Die Meereswinde bringen feuchte, milde Luft mit.

Ist das Island-Tief eher schwach, der Luftdruck also nicht besonders niedrig, und das Azorenhoch auch nur schwach ausgeprägt, dann strömen eisige Luftmassen aus Russland bis weit nach Mitteleuropa. Dies war in den letzten zwei Jahrzehnten selten der Fall. So waren in Sachsen-Anhalt 13 der vergangenen 20 Winter sehr mild. Auch die aktuellen Klimaszenarien sagen, dass die Region in den kommenden 100 Jahren mit eher milden und feuchten Wintern rechnen muss. Die Zahl der Frosttage wird sich wohl halbieren.

Das heißt aber auch : Sind die Winter bei uns mild, müssen sie vor allem in Grönland besonders kalt sein. Die Wasserstraße zwischen Grönland und Kanada, die Davisstraße, ist demnach dick vereist. Jedoch : Hört und liest man nicht ständig von schmelzenden Polen, ins Meer stürzenden Eismassen und Monsterwellen ?

Was für Katastrophennachrichten und Horrorfi lme taugt, hat mit der Realität offenkundig wenig gemein. Ob Eis und Schnee in der Arktis insgesamt ab- oder zunehmen, ist noch unklar. " Wir beobachten zwar, dass das schwimmende Meereis in den letzten 20 Jahren zurückgegangen ist. Es ist aber durchaus möglich, dass das feste Inlandeis auf Grönland anwächst. Die Massebilanz kennt noch niemand ", sagt Professor Andreas Hense vom Meteorologischen Institut der Uni Bonn, der seit Jahren die Nordatlantische Oszillation erforscht. Bei aller Ungewissheit sei aber eines gewiss : Die Theorie der Luftdruckgebiete stimmt mit den Wetterbeobachtungen überein. In den vergangenen Jahren mit überwiegend milden europäischen Wintern " war es zwischen Grönland und Neufundland tatsächlich besonders kalt ", sagt Hense. Hatten wir knackige Winter, wie in den 50 er und 60 er Jahren, Mitte der 90 er Jahre oder zuletzt 2005 / 06, dann war der Winter in diesem Teil Nordamerikas relativ feucht-mild. Dabei ist eines zu bedenken : Feucht-mild heißt nicht verregnet. In Grönland herrschen auch in zahmen Wintern zweistellige Minusgrade. Und feucht bedeutet dort vor allem eines : mehr Schnee.

Auch in Nordeuropa zeigen milde Winter ein anderes Gesicht als in der Mitte. In Norwegen schneit es vermehrt. " Die Gletscher dort wachsen ", berichtet Hense. Im Gegensatz zu alpinen Gletschern, die diesen " Niederschlagsgewinn " nicht verbuchen.

Welche Konsequenzen hat das für den Meeresspiegel ? Würden die Festlands-Eismassen in Arktis und Antarktis komplett schmelzen, stiege der Meeresspiegel um 80 Meter an. Doch das ist in diesem Jahrhundert fern der Realität. Die im UNKlimabericht dargelegten Szenarien errechneten einen Anstieg zwischen 18 und 59 Zentimeter bis 2100. Das hat unter anderem folgende Ursachen :

Das Wasser der Ozeane wird im globalen Mittel wärmer und dehnt sich demzufolge aus. Laut Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ist der Meeresspiegel seit 1993 unerwartet schnell, nämlich um vier Zentimeter, gestiegen. Ob sich dieser Trend fortsetzt, ist noch unklar.

An den Kragen geht es zunächst vor allem dem Meereis. Tauende Eisberge und Schollen erhöhen aber nicht den Meeresspiegel. Sie verdrängen nach Gesetzen der Physik im gefrorenen Zustand genauso viel Wasser wie nach ihrem Schmelzen. Verschwinden allerdings Meereisflächen, gehen sonnenrefl ektierende Areale verloren, was die Erwärmung antreibt.

Tauendes Festlandseis erhöht den Meeresspiegel. Ob das polare Inlandseis netto schmilzt, ist noch unklar. In der Antarktis wird die Eisdecke vermutlich leicht weiter wachsen. Das kann auch im westlichen Grönland passieren.

In den Alpen oder auch auf Neuseeland gehen die meisten Gletscher zurück, auch Afrikas höchster Berg, der Kilimandscharo, verliert Eis. In Norwegen hingegen wachsen die Gletscher.