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Wahl "Magdeburger des Jahres 2014" Der Turmretter von Salbke hat noch viel vor

Der Salbker Wasserturm und sein Parkgelände haben sich 2014 zu einem
neuen Kulturstandort entwickelt. Und dafür hat sich der Künstler Joachim
Röderer stark gemacht. Dabei ist er eher durch Zufall auf das
Wahrzeichen des Stadtteils gestoßen.

Von Peter Ließmann 12.12.2014, 02:08

Magdeburg l Es gibt viele Industriedenkmale in Magdeburg, an denen der Zahn der Zeit nagt. Sie verfallen, können nicht mehr genutzt werden, sind aber zum Teil imposante Zeugnisse einer Industriekultur und stehen unter Denkmalschutz. Der Salbker Wasserturm war so ein Backstein-Dinosaurier, weithin sichtbar, fast wie ein Wahrzeichen des Südens - allerdings mehr "tot als lebendig". Bis Joachim Röderer ihn entdeckte.

Fast zufällig. Joachim Röderer ist Künstler, Stahlbildhauer. Geboren 1960 in Tuttlingen bei Baden, studiert er in Köln erst Pädagogik, dann aber Kunst. 1990 richtet er sich Ateliers in Köln ein. Stahlobjekte, kinetische Skulpturen, aber auch Multimediaobjekte und Video-Kunst stehen im Mittelpunkt seiner künstlerischen Tätigkeit. Das bedeutet auch: Er braucht viel Platz, eine große Werkstatt. "Ab der 1990 Jahre wurden die Mieten so hoch, dass sie kaum noch zu bezahlen waren", sagt Röderer. "Darum war ich auf der Suche nach einer neuen Werkstatt". Sein Freund und Künstler Volker Kiehn empfiehlt ihm, sich doch in Magdeburg umzusehen. Das macht Joachim Röderer und entdeckt ihn: den Salbker Wasserturm. Dabei ist es nicht der Kugelturm, der ihm gute Arbeitsmöglichkeiten verspricht, sondern das Pumpenhaus daneben. Große Hallen hat das Backsteingebäude, gut geeignet für einen Künstler, der Drehbänke, Stahlbiegemaschinen, Schweißplätze und Schmiedeöfen braucht.

Das Problem: Gelände und Gebäude gehören der Bahn AG, und die möchte rund zwei Million Euro dafür haben. Viel zu teuer. "Dann hätte ich auch in Köln bleiben können."

Die Bahn hat aber noch ein anderes Angebot - den Salbker Bahnhof. Den kauft Joachim Röderer und richtet sich dort eine Werkstatt ein und lässt sich in Magdeburg nieder. Der Wasserturm geht ihm allerdings nicht mehr aus dem Sinn. "Es war mir sofort klar, dass man daraus etwas machen kann." Zusammen mit Volker Kien entwickelt er ein Nutzungskonzept. Ein Kultur- und Veranstaltungszentrum sollte daraus werden, ein neuer kultureller Mittelpunkt im Süden der Stadt, einemSorgenkind von Magdeburg: viel zu viele Industriebrachen, verfallene Häuser, zu wenig junge Leute. Und der Wasserturm sollte ein Symbol gegen den Niedergang werden.

Röderer geht mit seinen Vorstellungen zum Stadtplanungsamt - und trifft auf offene Ohren. "Die Zusammenarbeit mit der Stadt und speziell dem Stadtplanungsamt war und ist richtig gut", blickt Joachim Röderer zurück. "Nur im Stadtrat mussten wir Anfangs noch viel Überzeugungsarbeit leisten, einige Stadträte standen dem Projekt skeptisch gegenüber." Die Stadtplaner helfen beim Konzept und bei der Fördermittel-Suche und: Die Stadt verhandelt mit der Bahn AG. Erfolgreich, denn die will dann doch lieber den Salbker "Klotz am Beim" loswerden und überlässt der Stadt das Gelände für einen symbolischen Betrag. Dadurch kommt die Sache in Fahrt. Und es wird klar, dass das Projekt auf viele Schultern verteilt werden muss. Dazu gründen Röderer und Kiehn den Verein "H2O Turmpark". An dieser Stelle macht Joachim Röderer eines deutlich: "Der Erfolg wurde nur durch die Arbeit der Vereinsmitglieder möglich. Ich allein hätte das niemals leisten können."

Ab 2010 beginnen die Sanierungen von Pumpenhaus und Turm, 2012 wird das Pumpenhaus als Veranstaltungsort eingeweiht, im August 2013 der sanierte Wasserturm. "Am Anfang hatten wir geplant, das Dach des Turms nicht zu sanieren. Bei einem Termin hatten wir OB Lutz Trümper zu Gast und der hat sofort gesagt: Der Turm braucht ein `Dach`", erzählt Joachim Röderer. Die Stadt fand einen Weg und der Wasserturm bekam ein Dach. 2014 ist dann das Jahr der ersten Bewährung für den Turmpark. "Unser Ziel ist es, dass sich das Projekt finanziell selbst trägt", sagt Joachim Röderer. Dabei kann der Wasserturm allein nur als Aussichtsturm genutzt werden, mehr ist nicht möglich. Aber dem Verein gelingt es, das Pumpenhaus als Veranstaltungsort zu füllen. Mit Künstlern, Konzerten, Firmen-Veranstaltungen, Schreibwerkstatt, Stadtteiltreff, Probenräumen, Familien- und anderen Feiern, Seminaren und mehr. Der Turmpark strahlt auch in die gesamte Stadt aus und wird von den Magdeburgern wahrgenommen, was dem Süden dabei hilft, sein Image aufzupolieren.

Und die Zukunft? Das Konzept hat noch viel Potenzial, so Joachim Röderer. "Der Park soll wieder zu einem richtigen Park werden mit Biergarten und Skulpturen, die Wege müssen hergerichtet werden, Parkplätze sind notwendig und das Veranstaltungsprogramm soll noch weiter ausgebaut werden." Viel Arbeit. Darum hat der Verein jetzt auch einen Geschäftsführer (ehrenamtlich) engagiert.

Joachim Röderer hat keinen Augenblick bereut, mit seiner Familie in Magdeburg und in Salbke sesshaft geworden zu sein. "Magdeburg ist ein aufstrebende Stadt mit einem großen Potenzial. Allein was ich gesehen habe, wie sich die Stadt seit 2008 weiterentwickelt hat, ist beachtlich. Man kann hier gut leben."

Und das Turmpark-Projekt hat er ebenfalls nicht bereut: "Wenn man will, dass sich vor allem junge Leute in der Stadt ansiedeln oder hier bleiben, dann muss man auch die Angebote dafür schaffen."

Übrigens: Joachim Röderers Sohn Noah ist jetzt vier Jahre alt und ein waschechter Magdeburger. Die Familie ist angekommen in der Stadt an der Elbe.