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Besser Gemüse und Vollkorn Runter vom Zuckerberg

Zucker verursacht Heißhunger. Und er verhindert, dass die Fettrollen
schmelzen. Doch es gibt Abhilfe. Erstens: Zucker so sparsam wie Salz
verwenden. Zweitens: Gemüse und Vollkornprodukte essen. Die dämpfen die
böse Wirkung des süßen Stoffs.

Von Jens Schmidt 08.03.2014, 02:17

Magdeburg l Es vergeht kein Jahr, in dem nicht irgendein Lebensmittel von irgendeinem Forscher zu Teufelszeug erklärt wird. Mal sollen wir "light" essen, doch spätestens nach der fünften Packung Gummi-Käse sind wir pappesatt. Mal heißt es low fat (wenig Fett), mal low carb (wenig Kohlenhydrate). Ja, was denn nun?

Einig scheint sich die Fachwelt, dass wir zu viel Zucker essen. Und zu viel Weißmehl, wie es in hellen Brötchen und auch in vielen Mischbroten drin ist. Die Stärke im Mehl wird in Mund und Magen nämlich sofort in Zucker umgewandelt.

Ob aus der Limo oder dem Marmeladenbrötchen: Der süße Stoff ist Turbo-Rennbenzin für unseren Körper. Essen wir ihn, schnellt der Blutzuckerspiegel hoch. Nun schüttet die Bauchspeicheldrüse Insulin in rauen Mengen aus: Insulin schaufelt den Zucker aus dem Blut und packt ihn in die Muskel- und Leberzellen. Danach fällt der Blutzuckerspiegel wieder ab. Was heißt "fällt"? Er rauscht herunter. Und sackt eine zeitlang sogar unter den Ausgangswert. Unterzuckerung heißt die Phase, die es in sich hat. "Das bedeutet: Heißhunger!", erklärt Dr. Katrin Borucki, Ärztin und Stoffwechselexpertin am Institut für Klinische Chemie der Uni Magdeburg.

Wie sich das anfühlt, weiß jeder, der sich in der Kantine mal für das süße Angebot entschieden hat. Mehlklöße mit Vanillesauce oder Reisbrei mit Zucker und Zimt - lecker! Doch nach gut zwei Stunden hat man mächtigen Kohldampf, während der Kollege, der Steak und Gemüse verputzt hat, immer noch satt ist. Der Unterzuckerte rennt nun schnurstracks zum nächsten Laden und genehmigt sich ein großes Baguette oder einen Riegel.

Nun vollführen Zucker und Stärke ihr teuflisches Werk von neuem: Blutzuckerspiegel hoch, Insulin hoch, Zuckerspiegel runter: wieder Kohldampf.

Zucker und Stärke gehören zu den Kohlenhydraten, einem der drei Brennstoffe, die wir täglich tanken. Die anderen heißen Fett und Eiweiß. Es ist nicht allein die Kalorienmenge, die zum Problem werden kann, sondern die tückische Eigenschaft der Kohlenhydrate, Hungerattacken auszulösen. Kommen aber reichlich Fett und Alkohol hinzu, läuft die Hüftgoldproduktion vollends auf Hochtouren.

Morgens Honigbrötchen mit ordentlich Butter drauf, mittags ein Berg Bratkartoffeln oder Pommes, abends ein paar Stullen und vorm Fernseher reichlich Chips, Schokolade und zwei Bier: Wenn Sie eine barocke Figur Ihr Ideal nennen, haben Sie eine gute Chance, sie mit diesem Menüplan zu erreichen.

Doch Kohlenhydrate erzeugen nicht nur Heißhunger, sie haben noch eine zweite, figur-verheerende Wirkung. Denn: "Viel Zucker bedeutet viel Insulin. Und ein hoher Insulinspiegel sorgt dafür, dass das Fett in den Zellen gespeichert wird", erläutert Borucki.

Heißhunger und blockierte Fettverbrennung: "Wer abnehmen will, muss Kohlenhydrate radikal reduzieren", empfiehlt Ernährungsfachmann und Abnehm-Trainer Professor Claus Luley. Ernährungsberater Hans Gerlach rät: "Verwenden Sie künftig Zucker wie ein Gewürz." Eine Prise statt zwei Löffel voll.

Doch: Kohlenhydrate sind nicht immer automatisch auch Dickmacher. Die Fachleute unterscheiden daher zwischen

l schnellen Kohlenhydraten (wie reiner Zucker, sehr helles Mehl, Mais, geschälter Reis)

l und den langsamen Kohlenhydraten - zu denen zählen alle Vollkornprodukte, dunklere Mehle, Nudeln aus Hartweizen oder Naturreis.

Langsam deshalb, weil bei diesen Nahrungsmitteln der Zucker nur allmählich ans Blut abgegeben wird. Rasante Blutzucker- und Insulinspitzen werden so vermieden. Und somit auch Hungerattacken und Fettblockaden. Die segensreiche Wirkung entfalten die vielen Fasern in Vollkornprodukten - auch Ballaststoffe genannt.

Diese Blutzucker-Bremser haben noch eine zweite positive Wirkung: Trinkt man viel Wasser dazu, quellen die Fasern auf und helfen obendrein, schneller satt zu werden.

"Auch Abends sind ein, zwei Scheiben Vollkornbrot also kein Problem, wer Pfunde verlieren möchte", sagt Luley. Wer dazu noch Gemüse und Salat isst, macht alles richtig. Denn im Grünzeug sind viele dieser nützlichen zuckerbremsenden Ballaststoffe.

Ein Streitfall ist die Kartoffel. Manchen gilt sie als Dickmacher, andere differenzieren: Pell- oder Salzkartoffel seien okay, Pommes und Kartoffelchips freilich nicht.

Luley rät, während der Abnehmphase ganz auf die Kartoffel zu verzichten. Gerlach meint, für Menschen mit sehr hohem Übergewicht sei dies wohl auch ratsam. Wer aber lediglich einige Pfunde oder Kilo loswerden will, muss nicht gleich jede Essenstradition radikal über Bord werfen.

Wenn die Kollegen zur Kantine gehen, wollen die meisten nicht möhrenknabbernd abseits stehen. Und in Kantinen gibt es nun mal: Kartoffeln.

"Wir sollten die Kirche im Dorf lassen", sagt Gerlach, "Ansonsten machen die Leute nicht mit und bleiben lieber mollig - dann haben wir gar nichts gekonnt." Auf die Balance komme es an: Wer auf gekochte Kartoffeln nicht verzichten mag, sollte zugleich viel Salat und Gemüse dazu essen. "Die Ballaststoffe sind die Gegenspieler zu den Kohlenhydraten - darauf müssen wir halt achten."

  • Teil 3 am Donnerstag (13. März): "So kriegen Sie Ihr Fett weg"
  • Bereits erschienen: "Der verdammte Jo-Jo-Effekt (6.3.)