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Besuch in der Seniorenwohnanlage des PARITÄTISCHEN in Egeln Allein, aber nicht einsam: Im betreuten Wohnen hat jeder seine eigenen vier Wände

Von Bernadette Olma 08.07.2008, 05:00

Selbständigkeit bewahren, aber für den Notfall gerüstet sein: Wer sich für ein Leben im betreuten Wohnen entscheidet, hat beides. Die eigenen vier Wände, gelegentlich Gesellschaft und für den Notfall Hilfe. Die Volksstimme hat eine Einrichtung in Egeln (Salzlandkreis) besucht.

Egeln. Hildegard Harkenthal und Erna Meyer sind gute Freundinnen. Fast täglich halten sie ein Schwätzchen oder treffen sich zum Frühstück. Zeit genug haben sie. Schließlich sind beide Rentnerinnen und ihre Wohnungen liegen auf der selben Etage in der Seniorenwohnanlage des Paritätischen Landesverbandes in Egeln. Angefreundet haben sie sich vor ein paar Monaten. Erna Meyer (88) kam damals direkt aus dem Krankenhaus in ihr neues Zuhause. Das liegt direkt gegenüber der alten Wasserburg. "Einmal in der Woche gucken wir, wie die Enten drüben am Teich fliegen", sagt Hildegard Harkenthal (79).

Im "Betreuten Wohnen" hat jeder seine eigenen vier Wände. Zwischen 50 und 58 Quadratmeter haben die Zwei-Zimmer-Wohnungen. Platz genug, um es sich mit seinen vertrauten Möbelstücken gemütlich zu machen. "Ihre komplette Einrichtung können die Mieter freilich nicht mitbringen. Viele kommen aus ländlichen Regionen und haben vorher in Eigenheimen gewohnt", sagt Edita Hofmeister vom Sozialtherapeutischen Zentrum in Egeln. Sie und ihre Mitarbeiter betreuen die Wohnanlage.

Im Erdgeschoss der Seniorenwohnanlage hört man Geschirr klappern. Der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee zieht durch die Flure. Heftiges Klopfen an der Tür von Willy Schwarzer (76). "Es ist Kaffeezeit", ruft Ursula Hartleib (74). Die beiden wohnen nur ein paar Türen voneinander entfernt. Auf dem Flur haben sich die Bewohner eine Sitzecke eingerichtet. Ursula Hartleib hat ihr gutes Geschirr aufgedeckt. Sie hat Kuchen gebacken: Rhabarber-Baiser-Torte. "Die mag ich besonders gern", sagt Willy Schwarzer. Er freut sich über Gesellschaft.

Derartige Treffen sind ungezwungen und spontan. Wer lieber seine Ruhe haben möchte, macht eben die Tür hinter sich zu. "Die Senioren leben alleine, bewahren also ihre Selbstständigkeit, ohne dabei in die Gefahr der Vereinsamung zu geraten", sagt Edita Hofmeister. Im vergangenen Jahr wurde das Haus eröffnet. Der Landesverband des Paritätischen hat die Anlage von einer Berliner Immobiliengesellschaft gepachtet. "Um die Betreuung kümmert sich die Sozialstation vor Ort", sagt Edita Hofmeister.

Das Haus blitzt und blinkt. Die Grünanlagen rund um das Gebäude wirken gepflegt. Um die Reinigung des Treppenhauses oder die Gartenarbeit müssen sich die Bewohner freilich nicht kümmern. Auch Reparaturen in den Wohnungen übernimmt ein Hausmeister. Und die helfende Hand im Haushalt ist Birgit Riefenberg. Sie arbeitet für die Sozialstation. "Ich erledige Einkäufe, begleite die Senioren zum Arzt oder unterstütze sie beim Frühjahrsputz in ihrer Wohnung." Wer Hilfe braucht, steht nicht alleine da.

Zwischen 420 und 490 Euro kosten die Wohnungen. Das sind 6, 50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. "Dazu kommt eine Betreuungspauschale in Höhe von 60 Euro monatlich", sagt Edita Hofmeister. Die werden von den Krankenkassen auch nicht übernommen. Je nach Pflegestufe werden die Bewohner vom ambulanten Dienst versorgt.

Während es in der Kaffeerunde heiter und gesellig zugeht, genießen Erhard und Ruth Eisen ihre Zweisamkeit. Das Ehepaar wohnt im Erdgeschoss des Neubaus. Auf dem mit Geranien bepflanzten Balkon haben sie es sich gemütlich gemacht. Die gestreifte Markise haben sie ganz runtergelassen. Die Nachmittagssonne scheint ihnen direkt in die Fenster. "Wenn das Wetter so schön ist, sitzen wir den ganzen Tag draußen", sagt Erhard Eisen. "Das fängt schon mit dem Frühstück an."

Alles in der Wohnung ist behindertengerecht und barrierefrei. Das muss es auch. Denn Ruth Eisen ist rechtsseitig gelähmt und sitzt im Rollstuhl. Und damit der überall durchpasst, sind die Türrahmen breiter, es gibt keine Schwellen und auch im Bad ist genug Platz. In der alten Wohnung war das nicht der Fall. Ein Umbau wäre zu kostspielig gewesen. "Ich will meiner Frau das Leben so angenehm wie möglich machen. Das gelingt hier ganz gut."

Trotzdem ist es für den 73-Jährigen ein Kraftakt. Unterstützt wird er von der Sozialstation, die einmal am Tag eine ambulante Pflegekraft schickt, die sich um die Grundpflege von Ruth Eisen kümmert. Das reicht Erhard Eisen aber nicht. " Ich stehe im ständigen Dialog mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Ich kämpfe regelrecht um die Pflegestufe III. "Darüber ärgert er sich. Wenn er einmal Redebedarf hat, dann weiß er, wo er hin muss." Frau Riefenberg ist die gute Seele des Hauses. "

Sollte eine Situation eintreten, die Erhard Eisen nicht bewältigen kann, drückt er die rote Klingel. Die gibt es in jeder Wohnung. "Dann wird sofort eine Verbindung zur Sozialstation hergestellt und die ist rund um die Uhr besetzt", sagt Edita Hofmeister und deutet auf die Gegensprechanlage an der Wand.

Das Klientel in der Seniorenwohnanlage sei ganz unterschiedlich. Viele alleinstehende Senioren entscheiden sich fürs betreute Wohnen. " Die meisten kommen, damit sie in Gesellschaft bleiben. " Es gibt aber auch Ehepaare, die ganz nüchtern und vorausschauend planen. " Das kann ganz schnell gehen, dass der Partner plötzlich zum Pflegefall wird. " Darauf wollen sie vorbereitet sein.

Das Konzept des betreuten Wohnens greifen auch Wohnungsgenossenschaften zunehmend auf. "Die Wohnungsgenossenschaften in Sachsen-Anhalt haben sich den Bedürfnisstrukturen der Mieter angepasst und auch auf die demografische Entwicklung reagiert", sagt Roland Meißner, Direktor des Verbandes der Wohnungsgenossenschaften Sachsen-Anhalts. "Unsere Mieter sind übewiegend ältere Menschen."

Bei rund 50 Prozent der insgesamt 200 000 Wohnungen (davon 37 000 allein in Magdeburg) habe man in den vergangenen zehn Jahren Modernisierungen vorgenommen, die ein barrierefreies und altersgerechtes Wohnen erlauben. " Wir bemühen uns, ein lebenslanges Wohnen in den Wohnungen zu ermöglichen. " Besonders für ältere Menschen sei es ab einem bestimmten Alter schwer, die Wohnung zu wechseln. Deshalb pflegen die Wohnungsgenossenschaften Kooperationen mit Trägern sozialer Dienste. "So ist über das altersgerechte Wohnen hinaus auch eine Betreuung in den eigenen vier Wänden möglich."