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Spendenaktion Selbsthilfe im Klosterladen

Ein Schlaganfall, und nichts ist mehr, wie es einmal war. In Darlingerode wird Menschen geholfen, die nach Unfall oder Erkrankung körperbehindert sind. Doch nun benötigt die Einrichtung selbst Hilfe.

Von Theo Weisenburger 27.01.2015, 15:55

Darlingerode l Kuchen und Pralinen, die in jeder Konditorei ihre Liebhaber finden würden, Holzarbeiten, bei denen Bastler blass vor Neid werden, und Töpferwaren, die auf so manchem Weihnachtsmarkt der Renner wären. Die Gemeinnützige Paritätische Gesellschaft für Sozialarbeit in Darlingerode bietet ihren Patienten und Bewohnern viele Möglichkeiten, sich kreativ zu betätigen.
Doch das, was im "Haus Oehrenfeld" geboten wird, ist mehr als nur ein Hobby. Es ist eine Therapie, eine Möglichkeit für die Menschen, trotz schwerer körperlicher Beeinträchtigungen wieder etwas mit eigenen Händen herzustellen und so ihre Fertigkeiten zu trainieren.
Aber das findet in den Werkstätten des Wohnheimes statt, an "geschützten Orten", an denen die "Oehrenfeld"-Bewohner keinen Kontakt zu nichtbehinderten Menschen haben. Nun soll sich das ändern. Das nahe gelegene Kloster Ilsenburg soll weiter restauriert und Schritt für Schritt touristisch erschlossen werden. Einen dieser Schritte gehen die Darlingeröder mit.
"Wir wollen die Bewohner unseres Hauses ans normale Leben heranführen", sagt Geschäftsführerin Silvia Grahn, die gemeinsam mit Wohnheimleiter Torsten Seewitz einen konkreten Plan hat. Sie werden einen Klosterladen einrichten, in dem nicht nur die Produkte aus den "Haus Oehrenfeld"-Werkstätten verkauft werden. Die Bewohner werden selbst im Laden stehen, ihre Töpferwaren, Holzarbeiten und Tees anbieten, die Besucher beraten, ihnen von der Geschichte des Klosters berichten und die Eintrittskarten verkaufen.
"Bei uns bekommen die Menschen kompetente Hilfe plus die Teilhabe am Leben", sagt Geschäftsführerin Grahn: "Um dieses Plus kämpfen wir." Am Ende profitierten davon nicht nur die Patienten. "Gerade im Hinblick auf die Inklusionsbemühungen in unserem Land müssen Bemühungen an vorderster Stelle stehen, um Menschen mit Beeinträchtigungen als Mitglieder der Gesellschaft zu betrachten, die etwas leisten und somit zum Gemeinwohl beitragen können", heißt es in der Projektbeschreibung der Darlingeröder.
Das ist keine Einbahnstraße, auch die nicht von Behinderung und Krankheit betroffenen Besucher des Ilsenburger Klosters können profitieren. Schließlich soll der Klosterladen dazu beitragen, Berührungsängste abzubauen. Die gibt es sicherlich auf beiden Seiten, bestimmt aber nicht bei Tanja Riedella. Die junge, ursprünglich aus Braunschweig stammende Frau lebt seit fünf Jahren im "Haus Oehrenfeld". Sie kann sich kaum bewegen, im Klosterladen wäre es ihr unmöglich, Holzspielzeug oder Keramiktassen aus dem Regal zu holen. Aber die Kunden beraten, das wäre etwas anderes, schließlich hat sie vor ihrer Erkrankung in einer Bäckerei mit angeschlossener Cafeteria gearbeitet. "Der Laden wäre voll mein Ding", sagt sie und hofft, dass das Projekt tatsächlich ins Laufen kommt.
Gemeinsam mit Therapeutin Cornelia Lammers ist sie im Vorbereitungsteam für den Klosterladen. Derzeit denken die beiden darüber nach, welche Teesorten sich am besten für den Verkauf eignen. "Viel mit Brombeeren, viel mit Melisse" – das ist schon klar. Angst vor den Reaktionen der Klosterbesucher, wenn sie den Laden betreten, hat Riedella nicht. "Viele Menschen scheuen den Kontakt zu Behinderten", weiß sie zwar, aber falls doch mal einer komisch schaut, sei das nicht weiter schlimm. Unangenehme Kunden hatte sie auch in der Bäckerei. Wichtiger sei etwas anderes: "Im Laden kommen wir zusammen. Wir müssen keine Scheu voreinander haben."
Der Klosterladen soll im kommenden Jahr an den Start gehen. Noch sind die Architekten bei der Planung für die behindertengerechte Sanierung der beiden Räume im Torhaus. Das ist nicht einfach und vor allem sehr aufwendig, schließlich steht das Kloster unter Denkmalschutz.
Geschäftsführerin Grahn rechnet mit Kosten von rund 200.000 Euro. Geld, das das Wohnheim weitgehend alleine und mithilfe von Spendern und Sponsoren aufbringen muss, da die Krankenkassen dafür nicht einspringen. Der Aufenthalt der Menschen im "Haus Oehrenfeld" wird von der Sozialhilfe getragen. "Die zahlt, was nötig ist", sagt Silvia Grahn. Gelungene Integration gehört offenbar nicht dazu.