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Junge Mutter im Betongrab

21.02.2014, 06:31

Einbetoniert in ein Erdloch liegt die Leiche einer jungen Mutter. Die Frau aus dem Ruhrgebiet hatte ihren Stiefvater - der zugleich Vater ihres eigenen Kindes ist - wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt. Der Fall wirft beklemmende Fragen auf.

Essen/Gelsenkirchen (dpa) l Die Idylle mit Gartenzwerg und Lichtergirlande ist zerstört: Neben dem in die Jahre gekommenen blauen Holzhäuschen in einer Schrebergartensiedlung in Essen fanden die Ermittler am Dienstag die Leiche einer 23 Jahre alten Frau. Madeleines Grab war ein Erdloch von 1,30 Metern Tiefe, darüber Schichten aus Erde und Beton. Die Parzelle hatte ihr Stiefvater (47) gepachtet. Wegen des Verdachts auf gemeinschaftlichen Mord sitzen er und sein Sohn, Madeleines Halbbruder (21), nun in Untersuchungshaft.

"Wir haben die Leiche gefunden, allerdings gibt es noch viele, viele Fragen", sagt Eckhard Harms, Leiter der Mordkommission in Gelsenkirchen. Da ist etwa der Hinweis von Staatsanwaltschaft und Polizei auf einen "Bruch in der Familie". Demnach könnte ein Tatmotiv in einer vorangegangenen Tragödie liegen: Der Stiefvater hat den Angaben zufolge Madeleines inzwischen zwei Jahre alte Tochter gezeugt.

Wegen sexuellen Missbrauchs suchte sie schon vor mehr als einem Jahr Hilfe, erstattete Anzeige gegen den Mann ihrer Mutter. Seither ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen den 47-jährigen Essener. Dass es bislang noch nicht zu einer Anklageerhebung gekommen sei, habe auch daran gelegen, dass ein Glaubwürdigkeitsgutachten so lange gedauert habe, erklärt Jürgens.

Wie genau ist es zu dem perfiden Verbrechen gekommen? "Wir stehen fast am Anfang der Ermittlungsarbeit", sagt Birgit Jürgens, Oberstaatsanwältin in Essen am Donnerstag.

Was sicher ist: Am Dienstag vergangener Woche brachte die junge Mutter aus Gelsenkirchen ihre zwei Jahre alte Tochter in die Kita und verschwand danach spurlos. Der Fund ihres Leichnams eine Woche später ließ die schon frühen Befürchtungen der Ermittler Gewissheit werden: Dieser Vermisstenfall geht nicht - wie jährlich Hunderte andere im Ruhrgebiet - glimpflich aus.

Die Obduktion Madeleines ergab Ersticken als Todesursache. Beklemmend sind die offenen Fragen: Lebte sie noch, als sie, geknebelt und an Händen und Füßen gefesselt, in die Grube geworfen wurde? Vielleicht erwürgte man sie, vielleicht erstickte sie in ihrem Grab unter Beton und Erde. Rechtsmedizinische Laboruntersuchungen sollen Aufschluss geben. "Ich weiß aber nicht, ob die Rechtsmedizin das abschließend feststellen kann", sagt die Oberstaatsanwältin.

Schon am Tag nach ihrem Verschwinden sei Madeleines Familie in den Kreis der Verdächtigen geraten, berichtet Kriminalhauptkommissar Harms: Falsche Alibis und Lügenkonstrukte nährten den Verdacht. "Da wird man natürlich als Polizei sehr schnell hellhörig." Schließlich tauchte der Mann ab - angeblich nach Sachsen, dort ist er nie gesehen worden. Es sei auch nicht auszuschließen, dass er in Essen blieb, vielleicht in der Laube war.

Doch hier suchte die Polizei erst sieben Tage nach Madeleines Verschwinden. Im Garten stießen die Fahnder auf frisch aufgeworfenes Erdreich, konspirativ abgedeckt mit Pflanzenbewuchs, schildert Harms. "Dass man da natürlich gräbt als Polizei, ist klar." Viele Stunden habe es gedauert, die Leiche zu bergen, schildert ein Polizeisprecher.