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Im japanischen Atomkraftwerk Fukushima ist nach dem Erdbeben die Kühlung ausgefallen Was passiert eigentlich bei einer Kernschmelze?

18.03.2011, 04:31

Die Lage im Inneren der japanischen Unglücksreaktoren ist unklar. Nach dem Ausfall der Kühlung als Folge des verheerenden Erdbebens sowie des anschließenden Tsunamis heizten sich die betroffenen Reaktorkerne auf – und tun es dem Anschein nach weiter. Damit droht eine Kernschmelze, die eventuell bereits begonnen hat. Doch was geschieht in den betroffenen Siedewasserreaktoren?

Stuttgart (dpa). Das Hauptproblem ist die große Wärmeentwicklung, erklären die Physiker. Diese entsteht auch noch, nachdem der Reaktor abgeschaltet ist, also die nukleare Kettenreaktion gestoppt wurde. Ursache ist der natürliche Zerfall der im Betrieb gebildeten radioaktiven Spaltprodukte.

Wenn die Wasserkühlung ausfällt, heizt sich der Kernbrennstoff immer weiter auf, bis die Materialien irgendwann bei Temperaturen zwischen 2000 und 2800 Grad Celsius schmelzen. Ziel muss es daher sein, so erklären die Stuttgarter, den Kern mit allen Mitteln durch Einleitung von Wasser zu kühlen.

Das Problem: Wasser verdampft bei diesen Temperaturen heftig. Der Dampf erhöht den Druck im Reaktor, was das weitere Einpumpen von Wasser erschwert. "Je heißer der Kern oder die Kernschmelze, umso schwieriger wird die Wassereinspeisung und Kühlung gegen den Druck im Reaktordruckbehälter."

Um dennoch Wasser in den Reaktor zu bringen, muss Dampf durch Öffnen von Ventilen in den Sicherheitsbehälter und schließlich über das Gebäude in die Umgebung abgeblasen werden. Aber: Der Dampf ist radioaktiv belastet. Ihn abzulassen, birgt das Risiko, die nahe und ferne Umgebung zu kontaminieren.

Zudem kann im Kern bei Temperaturen über 1000 Grad Celsius durch chemische Reaktion des Metalls der Brennstabhüllen mit Dampf Wasserstoffgas entstehen. Kommt dieses mit Sauerstoff im Reaktorgebäude in Kontakt, kann es explodieren – wie in Japan mehrfach geschehen. Die Explosionen zerstörten die Reaktorgebäude. Ähnliches droht bei der Wassereinspeisung in den überhitzten Kern.

Die Experten für Reaktorsicherheit vermuten und hoffen aber, dass eine sogenannte intermittierende Kühlung Erfolg bringen kann: kühlendes Wasser einleiten, verdampfen lassen, Dampf ablassen, wieder Wasser einleiten – und so fort. "Wenn das funktioniert, kommt man mit der Temperatur hoffentlich irgendwann so weit herunter, dass man wieder einen Kühlkreislauf einrichten kann." Dieser müsste voraussichtlich über Monate aufrechterhalten werden.

Im schlimmsten Fall kommt es aber doch zur vollständigen Kernschmelze im Reaktor. Geschmolzenes radioaktives Metall könnte sich durch die Reaktorhülle fressen.

Die Folgen für die Umwelt und die Menschen hängen entscheidend davon ab, auf welchem Weg und in welchem Umfang die Radioaktivität freigesetzt und verteilt wird.