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Neujahrskonzert Musik aus dem Hut

Zugaben muss das Publikum eigentlich mit Applaus einfordern. Die Kammerphilharmonie präsentierte Staßfurter gleich 16 am Stück.

Von Daniel Wrüske 06.01.2016, 12:39

Staßfurt l Wenn jemand etwas aus dem Hut zaubert, dann kann das bisweilen willkürlich, gar unvorhergesehen werden. Wenn jemand das allerdings zum Programm macht, dann ist das eine verrückte Idee. Im Fall der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie und ihres Neujahrskonzertes im Salzlandtheater hat dieser Gedanke gezündet und sich spätestens vom zweiten Stück an auf das schnell begeisterte Publikum übertragen. Dann da merkten die Zuhörer im restlos ausverkauften Saal: Hier fällt das Programm aus dem Rahmen.

Schauspielerin Andrea Beckmann trat festlich gekleidet im Frack auf. Sie zückte ihren Zylinder und mischte 16 Karten, die Chefdirigent Gerard Oskamp wiederum aus seinem Frack gezaubert hatte. Sie wurden zur Vorlage für die unterhaltsame Begleitung durch den Abend, für die kleinen Werkeinführungen, die Andrea Beckmann gekonnt und sprachlich virtuos gewissermaßen als Conférencier umzusetzen wusste.

Einige Parameter standen und boten somit Dreh- und Angelpunkte: Die Musiker in ihrer Besetzung, der Dirigent, und die Noten von 16 Stücken auf dem Pult. „Passend zum Jahr 2016 habe ich 16 beliebte Werke ausgesucht. Musik, die in Konzerten sonst als Zugabe erklingt“, sagt der Orchesterchef. Ihre Aufzählung liest sich wie die Hitparade der Klassik. Der Säbeltanz von Aram Chatschaturjan und einer von Edward Elgars Pomp-Märschen, Antonin Dvoraks Slawischer Tanz, Modest Mussorgskis Kükenballett aus den Bildern einer Ausstellung sind zweifelsohne Publikumslieblinge. Gerard Oskamp hat sie neben Kennerschmankerl gereiht, wie Emmanuel Chabriers Joyese Marche. Und sich sowie die Musiker gleichsam vor ein dramaturgisches Problem gestellt. „Einen roten Faden, oder gar einen inhaltlich getragenen Gedanken bekommt man mit dieser Auswahl nicht hin.“

Nun unterstellt man den Künstlern ein hohes Maß an kreativem Potenzial und das spielten sie für die Abendgestaltung voll aus. Unterstützt von Vater Zufall als Paten. Denn Andrea Beckmann ließ das Publikum in den Zylinder greifen, ein Stück wählen. Somit setzte sich das Programm Werk für Werk zusammen. Gerard Oskamp gefällt das in doppelter Hinsicht. „Im Orchester entsteht eine ganz besondere Spannung. Sie trägt den Abend.“

Mehrmals ist das Ensemble zum Neujahrskonzert angetreten – in Schönebeck, Bernburg und Aschersleben. Immer liefen die Abende anders. Aber auch das Publikum findet sich bereichert, weiß der Dirigent. „Das sind alles Stücke, die man gern hört, die man kennt und die man will!“ Das Schöne sei auch, dass diese Zugabenstücke allesamt unterschiedlichen Charakter hätten. „Nach pompösen Konzerten wird meist etwas Leises gespielt, und umgekehrt. Hier gibt es alles auf dem Silbertablett.“ Gerard Oskamp muss schmunzeln. Das ganze Unterfangen sei ein wenig wie Klassik Radio. „Nur eben live.“

Aber birgt das nicht auch ein besonderes Stresspotenzial, wenn man sich mit den Bestsellern vor die Zuhörer stellt und das auch noch in einem so emotionalen Moment wie Neujahr? „Nein, die Stücke gehören zum Kernrepertoire. Die hat das Orchester drauf“, sagt der Dirigent und fügt hinzu, dass sie größtenteils auch nicht so schwer zu spielen seien. „Da werden Beethoven und Mozart zu größeren Herausforderungen.“

In der Tat: Die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie verstand es unter Gerard Oskamp, für alles den richtigen Gestus und das passende Klanggewand zu finden. Bisweilen trumpften die verstärkten Holz- und Blechbläser im Orchestergleichgewicht etwas auf, aber das sei als musikalische Begrüßung für zwölf neue Monate gestattet. Insgesamt stimmten Tempi, Gestaltung und Farbenreichtum. Das Publikum war wie gefangen.

Bleibt noch die Frage was man dann im Zugabenkonzert eigentlich so als Zugabe spielen könnte? Gerard Oskamp zuckt mit den Schultern und lacht. „Ich weiß es nicht.“ Und probiert aus. In Staßfurt hat er Strauß ausgewählt, den Radetzky-Marsch und Can-Can. Vielleicht ein bisschen als Reminiszenz an frühere Neujahrskonzerte. „Irgendwie kommt man da doch nicht drum herum. Aber das ist gut so“, sagt Gerard Oskamp.