1. Startseite
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Bogenschützin Unruh überrascht mit Silber in Rio

Bogenschützin Unruh überrascht mit Silber in Rio

Viele Gäste haben sich im Urlaub schon einmal im Bogenschießen ausprobiert - oft waren es nur Zufallstreffer. Nun hat Deutschland mit Lisa Unruh eine mit Silber gekrönte Olympia-Heldin mit dem Bogen. Sie schrieb in Rio Sportgeschichte.

Von Frank Kastner, dpa 10.08.2016, 23:01

Rio de Janeiro (dpa) - Am Morgen nach ihrem Silber-Coup hatte sich die Olympia-Euphorie bei Bogenschützin Lisa Unruh schon etwas gelegt. Ja, ich freu mich. Und damit ist gut. Ich muss mich ja nicht 30 000 Jahre freuen, meinte die stille Olympia-Heldin ganz trocken im Deutschen Haus von Rio.

In der Nacht hatte die Hallen-Weltmeisterin 220 Glückwunsch-Nachrichten aus der Heimat auf dem Handy empfangen, nachdem sie sich sensationell Olympia-Silber mit dem Recurvebogen gesichert hatte. Das hätte ich mir nicht träumen lassen. Das ist der größte Moment in meinem Leben, sagte die 28-Jährige direkt nach ihrem Erfolg.

Nun wünscht sich die Power-Frau mit Pfeil und Bogen eine Initialzündung für ihren Sport. Ich hoffe, dass jetzt viele Kinder mit dem Bogenschießen anfangen, sagte die Berlinerin. Die drei Glücksbringer, ein mittlerweile verwelkter Blumenstrauß bei der Abreise von Mama, ein vierblättriges Kleeblatt vom Kind des Bundestrainers und ein Glückspfeil von ihrem Freund, hatten im Sambodromo von Rio ihre Wirkung nicht verfehlt.

Ohne Frage hat Unruh deutsche Sportgeschichte geschrieben. Dass sie das Finale gegen die Südkoreanerin Chang Heyjin mit 2:6 verlor, war Nebensache. Auch Sportdirektor Heiner Gabelmann vom Deutschen Schützenbund (DSB) hofft auf eine Sogwirkung. Bislang war Bogenschießen im DSB nur eine Halbdisziplin, doch der 'weiße Sport' ist gut zu verkaufen, sagte der Funktionär. Das habe auch mit den Amokläufen und den Gewalttaten zu tun, die schnell mit dem Schießsport in Verbindung gebracht werden. Bogenschießen fällt nicht unter das Waffengesetz, der Nachwuchs kommt in Scharen. Hoffentlich kommen auch die wieder, die wieder aufgehört haben, sagt Unruh.

Werbung für ihren Sport können die Bogenschützen schon im nächsten Jahr machen. Dann steigt in Berlin, der Heimat von Unruh, der erste Weltcup. In Rio stellte sie schon - ganz ungewollt - einen Rekord auf. Ihr Wettkampf war im TV ein Quotenhit: 7,50 Millionen Zuschauer (25,6 Prozent) schalteten im Zweiten das Bogenschießen ein. Das ist der bisher beste Zuschauerwert für die diesjährigen Spiele.

Die stärksten Konkurrentinnen aus Südkorea sind alles Vollprofis. Das ist wie Fußball bei uns, absoluter Nationalsport. Die fangen schon in der Schule an, picken sich die Talente raus und bekommen nach Olympia-Gold eine Rente und ein Haus, sagte Unruh. Daher unterstrich sie die Forderung des Bundestrainers Oliver Haidn nach einer 70-Meter-Halle mit Außenanlage in Kienbaum: Unsere Konkurrentinnen aus Südkorea können ganzjährig draußen trainieren, wir aber nicht. Wir brauchen diese Halle, sagte sie. Kienbaum steht dem offen gegenüber, aber im Moment fehlt das Geld. Aber vielleicht habe ich mit Silber jetzt etwas angestoßen, hofft die Vorreiterin.

Den Erfolg feierte Unruh zu später Stunde im deutschen Haus - ohne Alkohol. Ich mag kein Alkohol, außerdem kann man auch so schön feiern, sagte die Hallen-Weltmeisterin. Überhaupt wirkte sie mit ihrem Schlapphut auf dem Kopf nach dem historischen Gänsehautmoment sichtlich gelassen. Ich habe jeden einzelnen Pfeil genossen. Und ich bin eine, die relativ schnell wieder runterkommt und gefasst ist. Aber der Bundestrainer weiß: Sie ist einfach eine coole Socke.

Porträt