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Blutiger Machtkampf Schweigemarsch für Todesopfer in Venezuela

Waffen statt Worte? In Venezuela stehen die Zeichen auf Sturm: Die Opposition pocht auf Neuwahlen, um das sozialistische Experiment zu beenden. Am Samstag findet eine Schweigemarsch für getötete Demonstranten statt, bevor wieder "richtig" demonstriert wird.

Von Von Georg Ismar, dpa 22.04.2017, 15:58

Caracas (dpa) - Trotz der Sperrung vieler Metrostationen und Zufahrtsstraßen haben sich Tausende Menschen in der venezolanischen Hauptstadt Caracas zu einer erneuten Demonstration gegen Präsident Nicolás Maduro versammelt.

Mit einem Schweigemarsch in weißer Kleidung wollten sie der Toten gedenken, die bei Demonstrationen und Unruhen getötet wurden. Von 20 Punkten aus sollte der Marsch zum Sitz der Bischofskonferenz führen. Die Opposition warf der Regierung vor, mit Sperrungen gezielt eine Teilnahme zu erschweren. Mittlerweile haben elf lateinamerikanische Staaten die Gewalt in dem Land verurteilt und fordern eine Rücklehr zu demokratischen Normen.

Seit der zeitweisen Entmachtung des Parlaments erlebt das Land die heftigsten Proteste seit 2014 - damals starben 43 Menschen. Die Demonstranten fordern Neuwahlen und die Absetzung des sozialistischen Präsidenten Maduro, dem sie die Vorbereitung einer Diktatur vorwerfen. Das Land mit den größten Ölreserven der Welt (rund 300 Milliarden Barrel - ein Barrel entspricht 159 Liter) ist seit dem Fall des Ölpreises in die tiefste Krise seiner Geschichte gerutscht.

Die nächste Großkundgebung ist für diesen Montag geplant. Die Opposition will mit den größten Massenprotesten seit Jahren Neuwahlen erzwingen. Bei Unruhen, Protesten und Plünderungen starben seit Anfang April mindestens 21 Menschen. In der Nacht zum Freitag war es im Viertel La Valle im Südosten von Caracas zu drastischen Szenen gekommen. Demonstranten und Polizisten lieferten sich Straßenschlachten, es kam zu Plünderungen, ein Kinderkrankenhaus musste evakuiert werden. Seit dem Ausbruch der Proteste am 4. April seien mindestens 1289 Menschen festgenommen worden, teilte der Direktor der Organisation Foro Penal Venezolano, Alfredo Romero, mit. Foro Penal ist ein Zusammenschluss von 200 Anwälten, die sich um die Betreuung von Gefangenen kümmern.

Es wird kaum noch etwas produziert; auch die Ölförderung ist eingebrochen. Wegen der Bedienung der Auslandsschulden und der höchsten Inflation der Welt können kaum noch Lebensmittel und Medikamente importiert werden, die in Euro oder Dollar zu bezahlen sind. 2016 brach die Wirtschaftsleistung um 18 Prozent ein. Rund 95 Prozent der Staatseinnahmen macht der Ölexport aus - in Zeiten niedriger Preise erweist sich diese Abhängigkeit als fatal.

Venezuelas Vizepräsident Tareck El Aissami rief das Volk zur "maximalen Mobilisierung" gegen einen möglichen Putsch auf: "Die Rechte ist voller Hass, sie erzeugt eine neue terroristische Spirale, ein Komplott mit Verbrechen, sie benutzen kriminelle Banden, um ein friedliches Volk zu attackieren." Auch von Seiten der gegen die Regierung demonstrierenden Menschen wird zunehmend Gewalt eingesetzt, immer wieder fliegen Molotowcocktails und es brennen Barrikaden.

Parlamentspräsident Julio Borges meinte hingegen mit Blick auf die Bewaffnung von 500 000 Milizen und die Brandmarkung der Demonstranten als Terroristen, dass allein Präsident Maduro verantwortlich für die Eskalation sei. "Die Gewalt hat einen Namen: Nicolás Maduro." Die Regierung verhindere, dass das Volk an den Urnen entscheide.

Die Amerika-Direktorin von Amnesty International, Erika Guevara Rosas, meinte: "Venezuela entwickelt sich zu einem Land, wo die Anstrengungen zu Repression die Anstrengungen zum Schutz der Bürger übertreffen." Die Opposition rief das Militär zum Bruch mit Maduro auf. "Gehen Sie nicht mit der Titanic Maduros unter", appellierte Parlaments-Vizepräsident Freddy Guevara an die Adresse von Verteidigungsminister Vladimir Padrino. Angesichts der Gewalt im ganzen Land forderte auch der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, Luis Almagro, Maduro auf, die Milizen abzuziehen, die auf Motorrädern Demonstranten attackieren