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Keine generelle Freigabe Cannabis als Medizin rückt näher

Cannabis vom Staat - was lange in Deutschland undenkbar schien, soll bald Wirklichkeit werden. Die Drogenbeauftragte macht aber auch klar, wo bei ihr die Grenzen liegen.

16.01.2017, 14:21

Berlin (dpa) - Cannabis auf Rezept rückt in Deutschland näher. Ein Schritt zu einer Aufhebung des allgemeinen Cannabisverbots solle die Freigabe des Stoffs als Medizin aber nicht sein, sagte die Drogenbeauftragten Marlene Mortler beim Besuch einer Palliativstation in Berlin.

An diesem Donnerstag will die Koalition im Bundestag einen Gesetzentwurf verabschieden, der schwerkranken Menschen den Weg zu dem Stoff auf Rezept ermöglichen soll.

Schwerkranke solle besserer Zugang zu Cannabis gegeben werden, sagte die CSU-Politikerin. Aber eine Freigabe des als illegale Droge eingestuften Stoffs für den Freizeitkonsum lehne sie ab. Mit steigender Verfügbarkeit würde nach ihrer Ansicht sonst auch der Konsum steigen.

Die Kosten sollen laut Gesetzentwurf von der Krankenkasse übernommen werden. Das Gesetz werde voraussichtlich im März in Kraft treten, sagte Mortler. "Cannabis als Medizin ist mit Sicherheit kein Wundermittel", betonte sie, "aber jeder soll das Recht haben, dass es bezahlt wird, wenn es hilft."

Die Deutsche Schmerzgesellschaft begrüßte grundsätzlich das Gesetz und plädierte für einen niedrigschwelligen Zugang, wie ihr Geschäftsführer Thomas Isenberg deutlich machte. Es seien bisher keine bestimmten Krankheitsbilder definiert, bei denen Cannabis zum Einsatz kommen solle. Bei der Anwendung werde sich mit der Zeit zeigen, wie die Indikationen eingegrenzt werden könnten. Etwa bei Gewichtsverlust mit mangelndem Hunger oder tumorbedingter Übelkeit werde Cannabis angewendet.

Derzeit haben gut 1000 Patienten eine Ausnahmeerlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zum Erwerb von getrockneten Cannabisblüten und Cannabisextrakten zur medizinischen Anwendung. Solche Genehmigungen sollen künftig nicht mehr nötig sein. Durch das Gesetz wird sich die Zahl der mit Cannabis behandelten Patienten nach Erwartung der Schmerzgesellschaft voraussichtlich erhöhen.

Ziel sei außerdem die Errichtung einer Cannabis-Agentur unter staatlicher Aufsicht für den Anbau, bekräftigte Mortler. Auch private Hersteller könnten sich dafür bewerben, aber wegen strenger Kriterien würden bei einem möglichen Verfahren am Ende wohl allenfalls wenige übrig bleiben.

Isenberg kritisierte, dass die Krankenkassen Anträge auf Erstattung erst durch ihre Medizinischen Dienste prüfen sollten. Mortler sagte, dafür sei eine verkürzte Entscheidungsfrist von drei bis fünf Tagen vorgesehen.

Neben bestimmten Fertigarzneimitteln mit dem Cannabis-Stoff THC gibt es die Option, Öl aus Hanfpflanzen über eine Vorrichtung zu inhalieren. Cannabisblüten zu rauchen, sei aus ärztlicher Sicht wegen gesundheitlicher Risiken etwa durch das enthaltene Teer nicht zu empfehlen, so die Schmerzgesellschaft. Doch es gebe auch Patienten, denen es laut eigener Aussage am besten hilft, wenn sie es rauchen.

Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Linken, bemängelte, dass die Regierung das Straßenverkehrsrecht in dem Zusammenhang außer Acht lasse. "Viele Schmerzpatienten können durch eine Cannabistherapie überhaupt erst wieder ihr Auto nutzen. Doch bei Straßenverkehrskontrollen werden sie trotz anderslautender ärztlicher Beurteilung regelmäßig durch die Polizei verdächtigt, berauscht am Steuer zu sitzen."

Gesetzentwurf der Bundesregierung zu Cannabis als Medizin

Fragen und Antworten der Bundesopiumstelle zu Cannabis

Internationale Association for Cannabinoid Medicines

Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie zu Cannabis

Schmerzgesellschaft zu Cannabis als Medizin

Palliativstation Virchow