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Deutschlands Bevölkerungszahl steigt durch Zuwanderung

Ein beliebtes Einwanderungsland ist Deutschland schon lange. Dank der hohen Zuwanderung und der Ankunft vieler Flüchtlinge im vergangenen Jahr leben nun rund 8,7 Millionen Menschen mit ausländischem Pass in der Bundesrepublik. Wie wirkt sich das auf den Arbeitsmarkt aus?

Von Ira Schaible und Christiane Jacke, dpa 26.08.2016, 14:37

Wiesbaden/Berlin (dpa) - Die Rekord-Zuwanderung hat Deutschland um eine Stadt von der Größe zwischen Köln und München wachsen lassen. 82,2 Millionen Menschen lebten Ende 2015 nach vorläufigen Erhebungen des Statistischen Bundesamts in der Bundesrepublik.

Rund 1,139 Millionen sind unterm Strich nach Deutschland gekommen - viele Flüchtlinge, aber auch EU-Bürger auf Jobsuche. Ohne diese Menschen wäre die Bevölkerung geschrumpft, denn die Kluft zwischen Sterbefällen und Geburten ist im Vergleich zum Vorjahr gewachsen.

Wie hat sich die Zahl der Einwohner verändert?

Ende 2015 waren rund 978 000 Menschen mehr in Deutschland gemeldet als vor Jahresfrist. Das ist ein Plus von 1,2 Prozent. Im Vorjahr betrug der Zuwachs nur 0,5 Prozent - das waren 430 000 Menschen. Den zweithöchsten Bevölkerungszuwachs machten die Statistiker 1992 aus (700 000 Menschen). Auch das lag damals an der großen Flüchtlingszahl wegen der Krise auf dem Balkan: 1992 wurde die zweithöchste Zahl an Asylbewerbern in der Geschichte der Bundesrepublik registriert.

Wie ist die Bevölkerung in den einzelnen Bundesländern gestiegen?

In allen Bundesländern leben mehr Menschen als vor einem Jahr. Besonders stark ist das Plus im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (227 000), gefolgt von den wirtschaftlich starken Ländern Baden-Württemberg (plus 163 000) und Bayern (plus 152 000). Prozentual fiel der Zuwachs in Baden-Württemberg und Bremen (je 1,5 Prozent) am stärksten aus und in Sachsen-Anhalt (0,4 Prozent) und Thüringen (0,6 Prozent) am schwächsten. Darin spiegelt sich nach Einschätzung von Fachleuten das ökonomische Gefälle.

Wie viele Ausländer leben in Deutschland?

Von den 82,2 Millionen Einwohnern haben 8,7 Millionen keinen deutschen Pass. Das waren 14,7 Prozent mehr als vor einem Jahr und so viele wie nie seit der Wiedervereinigung. Auf 100 Einwohner kommen 10,5 Ausländer, auch das ein Spitzenwert (2014: 9,3). Arbeitsmarktforscher Herbert Brücker gibt zu Bedenken: Es bleiben aber nicht alle ein Leben lang. Die Mobilität nimmt generell zu. 80 Prozent der Ausländer sind der Statistik zufolge im erwerbsfähigen Alter (15 bis 65 Jahre). Von den 73,5 Millionen Deutschen sind es nur 64 Prozent.

Wie viele Flüchtlinge sind unter den Zuwanderern?

Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht unterm Strich davon aus, dass 2015 rund 900 000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind - wegen der Ungenauigkeiten bei der Registrierung also etwas weniger als bislang erfasst, aber trotzdem noch so viele wie nie zuvor. 2016 werden es nach Brückers Einschätzung voraussichtlich zwei Drittel weniger sein, vorausgesetzt das Türkei-Abkommen und die Schließung der Balkanroute haben Bestand.

Wie wirkt sich die Zuwanderung auf die demografischen Probleme aus?

Die werden nach Expertenmeinung höchstens leicht abgefedert. Die Probleme der sozialen Sicherung, des Fachkräftemangels und dass Ältere in ländlichen Regionen zurückbleiben, änderten sich nicht, sagt Stephan Sievert vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung. Auch Arbeitsministerin Andre Nahles (SPD) sagte kürzlich, Flüchtlinge allein könnten die Fachkräftelücke nicht komplett schließen. Deutschland müsse daneben auch gezielt qualifizierte Zuwanderer ins Land holen.

Wie sind die Flüchtlinge denn ausgebildet?

Einer neuen Studie des IAB zufolge haben rund 70 Prozent der arbeitssuchenden Flüchtlinge und etwa ein Drittel der Beschäftigten aus den Asylherkunftsländern keine abgeschlossene Berufsausbildung. Das berufliche Bildungsniveau sei geringer als die Allgemeinbildung. Die Studie sieht aber einige Chancen: Angesichts des geringen Durchschnittsalters und der allgemeinbildenden Voraussetzung eines Teils der Flüchtlinge besteht ein hohes Bildungspotenzial.

Welche Konsequenzen gibt es für den Arbeitsmarkt?

Nach Einschätzung von Brücker sind etwa 75 Prozent der Flüchtlinge im erwerbsfähigen Alter. Viele wollten schnell in den Jobmarkt integriert werden. Aber da hapert es. Zwar wurden schon einige Hürden abgebaut: Zum Beispiel gilt bei den meisten Flüchtlingen nur noch für drei Monate ein generelles Arbeitsverbot. Auch die Vorrangprüfung, die Jobbewerber mit deutschem oder EU-Pass bevorzugt, fällt in vielen Regionen vorerst weg. Aber es bleibt das Problem, dass viele Flüchtlinge erst mal Deutsch lernen müssen, bevor sie Aussicht auf eine Stelle haben. Das Angebot an Integrationskursen reicht aber nicht überall aus. Außerdem hat nicht jeder dort Zugang. Und viele Flüchtlinge müssen erst aus- oder weitergebildet werden.

Werden sich die Effekte also erst später bemerkbar machen?

Ja. Die Integration von Flüchtlingen in den Jobmarkt brauche Zeit, erklärte Nahles zuletzt. Sie nennt Flüchtlinge eher die Fachkräfte von übermorgen. Ewig hat Deutschland mit dieser Herausforderung laut Sievert aber keine Zeit. Er sagt: Wenn die Baby-Boom-Generation ab Mitte 2020 in Rente geht, müssen wir es geschafft haben.

Pressemitteilung Statistisches Bundesamt

IAB Studie zu Flüchtlingen und Arbeitsmarkt

Homepage Stephan Sievert, Berlin-Institut

Homepage Rembrandt Scholz, Max-Planck-Institut