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Vier Wochen nach Anschlag Fall Amri: Rufe nach Neuorganisation der Terrorabwehr

Alle kritisieren Versäumnisse, keiner will so recht Schuld haben: Vier Wochen nach dem Berliner Terroranschlag steht das Versagen der Behörden im Mittelpunkt. Politiker aller Parteien wollen die Terrorabwehr neu organisieren.

18.01.2017, 13:54

Berlin (dpa) - Politiker aller Parteien wollen als Konsequenz aus dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt die Verantwortlichkeiten in der Terrorabwehr neu organisieren.

Kritik gab es während einer Sitzung des Innenausschusses vor allem an der Arbeitsweise des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums (GTAZ), in dem die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern Informationen austauschen. 

Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic bemängelte, im GTAZ herrsche "eine Art organisierte Verantwortungslosigkeit". Armin Schuster (CDU) sagte, es reiche nicht aus, dass sich die Behörden im GTAZ zwar über potenzielle Terroristen austauschten, die Zuständigkeit für die einzelnen Fälle dann aber bei den Ländern verbleibe. 

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), sieht die Versäumnisse vor allem bei den Ländern Nordrhein-Westfalen und Berlin, in denen sich Amri aufgehalten hatte. Der Tunesier sei abgesehen von seinen Kontakten zu radikalen Islamisten auch ein "Schwerverbrecher" gewesen. Es hätte sich daher die Möglichkeit geboten, Untersuchungshaft für ihn anzuordnen.

Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, sagte der Deutschen Presse-Agentur, niemand habe versucht, die Ermittlungen zu den verschiedenen Straftaten länderübergreifend "zusammenzuführen", um Amris Inhaftierung zu erreichen. 

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) informierte die Mitglieder des Innenausschusses in einer nicht-öffentlichen Sitzung über den Stand der Ermittlungen im Fall Amri. Der Tunesier war am 19. Dezember mit einem Lastwagen auf einen Berliner Weihnachtsmarkt gerast und hatte insgesamt zwölf Menschen getötet. Er war den Behörden als islamistischer "Gefährder" bekannt.

De Maizière sagte, die Einschätzung der Gefährlichkeit von Menschen sei eine extrem schwierige Aufgabe für die Sicherheitsbehörden. Er beteilige sich deshalb jetzt nicht an Schuldzuweisungen. Der Minister wiederholte seine Forderung nach einer besseren Überwachung von "Gefährdern". Wenn von einem ausreisepflichtigen Ausländer eine "erhebliche Gefahr für die Sicherheit ausgeht", müsse dieser leichter in Abschiebehaft genommen werden können. Zu strukturellen Konsequenzen aus dem Fall Amri sagte der Minister, im Verhältnis von Bundes- und Länderbehörden sei bei der Terrorabwehr "mehr Verbindlichkeit" nötig.

Die Grünen warfen den Koalitionsparteien vor, sie hielten in Bezug auf das "Behördenversagen" im Fall Amri weiter Details zurück. "Es hat Sitzungen ohne Ende gegeben, einen Austausch ohne Ende, aber es ist wenig passiert", sagte die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Renate Künast. "Eine wirkliche Analyse haben wir nicht bekommen, wo Fehler waren. Da scheut man sich noch."

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) stellte sich am Mittwoch den Fragen der Abgeordneten im Rechtsausschuss zum Fall Amri. Man hätte Amri sowohl in Abschiebehaft nehmen können als auch ein Strafverfahren wegen Sozialbetrugs und anderer Delikte einleiten können, sagte Künast. "Man hätte strafrechtliche Ermittlungsverfahren einleiten müssen", sagte auch der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. "Und man hätte auch Untersuchungshaft verhängen können."