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Rückzug aus aktiver Politik Lammert-Ausstieg kurbelt Bundespräsidenten-Karussell an

Offiziell führen Union und SPD die Gespräche über einen gemeinsamen Kandidaten für die Nachfolge von Joachim Gauck weiter. Doch ob es am Ende tatsächlich eine großkoalitionäre Lösung gibt, ist völlig offen.

Von Jörg Blank, dpa 18.10.2016, 17:52

Berlin (dpa) - Einfacher hat der angekündigte Ausstieg von Norbert Lammert aus der aktiven Politik das Präsidenten-Mikado nicht gerade gemacht - aber wohl auch nicht wesentlich schwieriger.

Intern habe der bei vielen beliebte Bundestagspräsident längst signalisiert, dass er für die Nachfolge von Bundespräsident Joachim Gauck nicht in Frage komme, heißt es in der Unionsfraktion. Es werden persönliche Gründe für die Entscheidung des 67-Jährigen genannt - hinter vorgehaltener Hand sagen mehrere Abgeordnete, seine Frau habe eine ausgeprägte Abneigung gegen Repräsentationspflichten. Ob das als Erklärung ausreicht, bleibt offen.

Doch die Entscheidung Lammerts, nach 37 Jahren nicht erneut für den Bundestag zu kandidieren, hat der Berliner Lieblingsdebatte über die Gauck-Nachfolge trotzdem Schwung gegeben. Aber erst Ende des Monats dürfte es ein wenig mehr Klarheit darüber geben, welche oder welcher der bisher immer wieder genannten Kandidaten auf dem Präsidenten-Karussell wirklich Chancen hat. Die wesentlichen Akteure bei der Auswahl: Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel.

Bei einem Spitzentreffen im Kanzleramt hatten sich die drei Koalitionäre nach der Sommerpause zugesichert, zunächst nach einem gemeinsamen Kandidaten für das höchste Staatsamt zu suchen. So solle vermieden werden, dass es schon zu Beginn des ohnehin schwierigen Bundestags-Wahljahrs 2017 unnötige parteipolitische Verwerfungen gebe, hieß es damals intern. Anfang Oktober hatten sich Merkel, Seehofer und Gabriel dann ein weiteres Mal am Rande eines Koalitionstreffens in der Präsidentenfrage ausgetauscht - und eine weitere Zusammenkunft für Ende des Monats angepeilt.

Dass die SPD bei der Suche zweigleisig fährt, ist spätestens seit einer knappen Woche offensichtlich: Nachdem öffentlich wurde, dass Gabriel bei Linken-Chef Bernd Riexinger vorgefühlt hatte, ob Margot Käßmann als gemeinsam linke Kandidatin in Frage komme, beendete die evangelische Theologin selbst derartige Spekulationen.

Ob sich die Parteien der großen Koalition tatsächlich auf einen Kandidaten für die Wahl des nächsten Bundespräsidenten in der Bundesversammlung am 12. Februar 2017 einigen können, ist offen. Zu stark könnten jeweils die internen Kräfte sein, auf die Rücksicht genommen werden muss. Sollten sich die drei Hauptakteure auf keine für alle einigermaßen tragfähige Personalie einigen können, könnte es also doch auf eine Kampfkandidatur hinauslaufen.

Bis dahin laufen die Sondierungen im Verborgenen weiter. So soll der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, der Kanzlerin zwar angeblich bereits einen Korb gegeben haben. Aber ganz ausschließen will man in Berlin nicht, dass er sich noch umstimmen lässt. Nachdem viele gerade in der Union skeptisch gegenüber Quereinsteigern im Amt des Bundespräsidenten sind, könne man bei einem Verfassungsrechtler wie Voßkuhle zumindest sicher sein, dass er um die Rolle des höchsten Staatsamtes wisse, heißt es.

Sollte es nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten zulaufen, dürften die Karten nochmal ganz neu gemischt werden. In der Union halten es führende Parteileute für nahezu selbstverständlich, dass man mit einem eigenen Kandidaten ins Rennen geht - schon, weil man in der Bundesversammlung im Vergleich zu den anderen Parteien über die meisten Stimmen verfüge. Immer wieder fallen für diese Option die Namen des hessischen CDU-Regierungschefs Volker Bouffier oder der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer. Doch im gleichen Atemzug werden Argumente gegen diese Kandidaten genannt.

Und Wolfgang Schäuble? Dem Bundesfinanzminister werden in der Union auch Sympathien aus den Reihen der Grünen zugetraut - zumal der 74-Jährige schon lange fast präsidial agiere. Als Konsenskandidat mit der SPD fällt der erfahrene CDU-Mann jedoch nach dieser Denkart aus: Die Sozialdemokraten dürften dann sofort argumentieren, warum die Union dann beispielsweise nicht Außenminister Frank-Walter Steinmeier unterstützt, der vielen in der SPD als Lieblingskandidat gilt.

Für Lammert war der Tag nach seiner überraschenden Ankündigung wie ein ganz normaler Arbeitstag im Leben eines Bundestagspräsidenten. Beim Empfang für den Staatspräsidenten von Panama, Juan Carlos Verela, lässt er sich nach seiner Lebensentscheidung nichts anmerken. Und nachher sagt er im Vorbeilaufen auf eine Reporterfrage lediglich den etwas kryptischen Satz: Das, was ich erklärt habe, habe ich erklärt. Und dem ist nichts hinzuzufügen.