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Vier Millionen überschuldet Reiche Erben und arme Schuldenmacher

Wenige Reiche haben große Teile des Vermögens in Deutschland angesammelt - auf der anderen Seite leben Millionen Arme. Immer mehr Menschen sind auch überschuldet.

Von Basil Wegener, dpa 13.12.2016, 16:22

Berlin (dpa) - Nüchterne Daten zu sozialem Sprengstoff in Deutschland will Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) vorlegen - mit dem Armuts- und Reichtumsbericht. Eigentlich soll er erst im nächsten Jahr öffentlich werden, ein Entwurf sickerte aber schon durch. Erste zentrale Ergebnisse:

Wie viel besitzen die reichsten Bundesbürger?

Exakte Messungen gibt es nicht - aber unterschiedliche Schätzungen. Demnach hat das eine Prozent der Bevölkerung mit dem größten Vermögen bis zu 26 Prozent des Gesamtvermögens. Die reichsten zehn Prozent haben zwischen 58 und 74 Prozent des gesamten Nettovermögens. Betrachtet man das Einkommen, den Konsum teurer Güter und das Vermögen zusammen, sind 2 Prozent der Bevölkerung in allen diesen Beziehungen als reich einzustufen.

Wie wird Vermögen aufgebaut?

Hauptsächlich durch Erbschaften und Schenkungen sowie durch Unternehmertum. Das Volumen von Erbschaften und Vermächtnissen lag 2014 bei fast 40 Milliarden Euro, 2007 noch bei nur knapp 22 Milliarden. Schenkungen stiegen von fast 13 Milliarden auf über 70 Milliarden Euro - wohl auch, weil die Menschen Folgen der erwarteten Erbschaftssteuerreform vermeiden wollten. Bei einer Befragung von Hochvermögenden gaben 40 Prozent Unternehmertum als Hauptgrund für Vermögensaufbau an, 35 Prozent Erbschaften.

Wie hat sich die Ungleichheit beim Einkommen entwickelt?

Von 1994 bis 1998 nahm die Ungleichheit beim Einkommen insgesamt ab, von 1999 bis 2005 nahm sie zu - vor allem, weil die Einkommen aus normaler Erwerbsarbeit stark auseinanderdrifteten. In den Folgejahren gab es zunächst keine statistisch auffälligen Veränderungen, obwohl es immer mehr Beschäftigte gab. Der Beschäftigungszuwachs wirkte sich also nicht deutlich auf die Einkommensverteilung aus - ein Grund: die Zunahme atypischer Beschäftigung.

Wer ist besonders stark armutsgefährdet?

Oft die Jüngeren: Im Alter zwischen 18 und 34 liegt die Quote der Menschen mit Armutsrisiko mit 19 Prozent um 5 Prozent höher als in der Gesamtbevölkerung. Erst mit steigendem Alter steigt das Einkommen in der Regel auch. Aktuell sind Über-65-Jährige nur unterdurchschnittlich von relativ geringem Einkommen betroffen. Im Entwurf des Berichts wird aber darauf hingewiesen, dass bis zum kommenden Jahr unter anderem in Bezug auf das Armutsrisiko noch neue Daten erwartet werden. Dann soll der Bericht vom Bundeskabinett beschlossen werden.

Wie viele Menschen können Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen?

Immer mehr Menschen sind überschuldet. Die Quote Hochverschuldeter bei den Erwachsenen stieg binnen zehn Jahren von 5 Prozent auf 6,1 Prozent im laufenden Jahr - nun 4,17 Millionen Menschen. Der Anteil der überschuldeten Haushalte stieg im selben Zeitraum von 1,6 auf mehr als 2 Prozent im laufenden Jahr. Arbeitslosigkeit und Schicksalsschläge wie Tod des Partners oder Krankheit sind die Hauptursachen.

Was will Sozialministerin Nahles mit dem Bericht erreichen?

Sie will eine Datengrundlage für die aktuelle Debatte liefern. In einem "Spiegel"-Interview sagte sie: "Die wirklich großen Vermögen werden in Deutschland größtenteils vererbt. Da ist kein Bezug zur eigenen Leistung erkennbar. Das ist gefährlich, denn wir leben in Zeiten, in denen sich immer mehr Menschen von den Eliten dieses Landes nicht mehr vertreten fühlen und sich von ihnen abwenden."

Seite zum Armut- und Reichtumsbericht

Nahles-Interview zu Armut und Reichtum