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Genuss Der perfekte Kaffee

Kaffee ist nicht gleich Kaffee. Das Aufbrühen von Hand erfordert Qualitätskaffee und eine ausgefeilte Technik. Tipps vom Kaffeesommelier.

Von Kerstin Singer 07.10.2016, 01:01

Tangermünde l Ein Kännchen Kaffee aufzubrühen dauert zweieinhalb Minuten. „So viel Zeit sollte man sich nehmen“, sagt Sven Döbbelin, Inhaber der Kaffeerösterei Tangermünde. Die gute alte Methode mit Porzellanfilter, Filterpapier und Wasserkessel hält der passionierte Kaffeetrinker für wesentlich besser als eine elektrische Kaffeemaschine, um einen aromatischen Kaffee herzustellen. Das hat mehrere Gründe, zum Beispiel, weil das Wasser in herkömmlichen Filtermaschinen nicht heiß genug wird und sich nicht gleichmäßig auf dem Kaffeemehl verteilt. Oder weil sich Vollautomaten kaum individuell einstellen lassen.
Drei Dinge sind für eine gute Tasse Kaffee nötig: qualitativ hochwertige Rohkaffeebohnen, eine schonende Röstung und Zubereitung.
Die Kaffeebohnen: Die Bandbreite an Geschmacksnuancen ist so groß wie bei Weinen. Die Autorin und der Fotograf verkosteten einen Kaffee aus Brasilien, der samtig war und an dunkle Schokolade erinnerte, und einen aus Kolumbien, der etwas säuerlicher und fast fruchtig wie Beeren schmeckte. „Jeder Mensch hat seinen persönlichen Favoriten“, so Döbbelin. Das hänge oft davon ab, mit welchem Kaffee man aufgewachsen sei. Viele seiner Kunden hätten wie er noch den intensiven Kaffeeröstduft aus dem Intershop im Hinterkopf. Erst langsam kann der ausgebildete Diplom-Kaffeesommelier und Barista seine Kundschaft auch an andere Geschmacksvarianten heranführen. Die fruchtigen  Kaffees schmecken oft erst fortgeschrittenen Genießern. Döbbelin empfiehlt bei einer Verkostung, die Milch wegzulassen, weil sie das Aroma verfälsche.
Er selbst verwendet nur handgepflückte sortenreine Spezialitätenkaffees, derzeit stammen diese aus Brasilien, Kolumbien, Äthiopien, Kenia, Tansania und Ruanda. Die ungerösteten Bohnen kommen bei ihm in großen Jute-Säcken im Laden an. Darauf sind genau das Herkunftsland, die Plantage, die Qualitätsstufe sowie das Erntejahr verzeichnet. Oft ist die verfügbare Menge begrenzt. Er röstet die getrockneten Bohnen relativ hell in seinem Trommelofen, damit die Röststoffe nicht zu sehr die Kaffeearomen überdecken. Selbst Espressobohnen, die traditionell  dunkler geröstet werden,  sind bei ihm heller. Der Aufwand hat seinen Preis.  Ein Kilogramm geröstete Kaffeebohnen kostet am Ende rund 30 Euro. 
Die Kaffeemühle: Weil die Bohnen bereits 15 Minuten nach dem Mahlen an Aroma verlieren, sollten sie immer frisch vor dem Aufbrühen gemahlen werden. Das geht elektrisch mit Kegel- oder Scheibenmahlwerk aber ebenso gut wie mit einer alten Handkurbel-Kaffeemühle vom Flohmarkt. Nur von Schlagmahlwerken rät Döbbelin ab, weil sie nicht gleichmäßig zerkleinern und schnell erhitzen. Denn für das Aufbrühen ist es wichtig, dass die Stücke im Kaffeepulver gleich groß sind.
Das Wasser: Es genügt, Leitungswasser zu verwenden. Sven Döbbelin filtert sein Wasser, weil es in Tangermünde sehr kalkhaltig ist. So erreicht er etwa einen neutralen pH-Wert. Erhitzt wird es im Wasserkocher, es sollte einmal aufkochen, aber nicht kochend heiß über das Kaffeemehl gegossen werden. Sein Wasserkessel erinnert an eine kleine Blumengießkanne mit seiner länglichen Tülle.
Der Filter: Herkömmliche Porzellanfilter haben ein zu kleines Loch im Boden. Dadurch läuft das Wasser beim Brühen nicht schnell genug in die Kanne und löst ungewollte Bitterstoffe. Sven Döbbelin verwendet einen Porzellanfilter des japanischen Herstellers Hario, der ein deutlich größeres Loch und innen ein spiralförmiges Muster hat.
Der Brühen mit dem Porzellanfilter ist nur eine von zahlreichen Methoden, die möglich sind. „Das beeinflusst den Geschmack“, erklärt der Barista. Er experimentiert auch mit anderen Handfiltersystemen wie der Aeropress aus Kunststoff, den an einen Erlenmeyerkolben erinnernden, gläsernen Chemex und French Press, die französischen Stempelkannen. Die Vorzüge und Anwendung erklärt er in eigenen Kaffee-Seminaren.
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