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Jaguar XE: Der kleine Lord

28.01.2015, 08:16

Berlin - Jaguar ist auf dem Sprung: Der britische Hersteller wagt sich mit der neuen Limousine XE in die Mittelklasse hinab. Das ist bereits der zweite Anlauf im Ringen mit Audi A4, BMW 3er und Mercedes C-Klasse. Doch diesmal stehen die Chancen besser.

Auf den X-Type spricht man die Ingenieure bei Jaguar besser nicht an. Denn in der wechselvollen Geschichte des Herstellers gibt es für sie wohl kaum einen wunderen Punkt als das Einstiegsmodell aus den Neunzigern. Zwar war die Übernahme des Ford Mondeo wirtschaftlich sehr erfolgreich, im Image der Marke hat sie aber tiefe Schrammen hinterlassen. Wenn Jaguar im Juni zu Preisen ab 36 500 Euro mit dem neuen XE erneut in die Mittelklasse zurückkehrt, wollen die Briten deshalb nicht nur deutschen Platzhirschen wie dem Audi A4, dem BMW 3er und der Mercedes C-Klasse ans Leder. Sie wollen auch die leidige Erinnerung an den unleidigen X-Type tilgen.

Von Grund auf neu entwickelt


Die Chancen dafür stehen denkbar günstig: Diesmal haben sie das Auto von Grund auf selbst entwickelt, eine neue Architektur konstruiert, eine leidenschaftliche Linie gezeichnet und sogar eine komplett neue Motorenfamilie aus der Taufe gehoben. Keine Kompromisse, lautet die Devise für das Prestige-Projekt, das sich Jaguar mehrere Milliarden kosten lässt. Auch das ist ein Grund, weshalb der XE als erstes Auto in diesem Segment mit einer weitgehend aus Aluminium gefertigten Karosserie vom Band läuft. Leichter als die Konkurrenz und zugleich spürbar steifer, soll sie dem Jaguar für Jedermann beim Spagat zwischen Sport und Komfort einen Vorteil verschaffen, argumentiert Projektleiter Jonathan Darlington.

Weil Papier allerdings geduldig ist und der Worte mittlerweile genug gewechselt wurden, räumt der Ingenieur zum Beweis seiner Thesen schon ein halbes Jahr vor der Markteinführung den Fahrersitz und übergibt schweren Herzens die Schlüssel seines Prototypen. Dann stürmt der Jaguar los, als hätte jemand versehentlich den Käfig im Raubtierhaus offen gelassen: Der Motor brüllt und der riesige Kühlerschlund scheint heißhungrig die Straße verschlingen zu wollen. Kein Wunder, wenn vorn ein Kompressor singt und dem drei Liter großen V6-Motor 250 kW/340 PS entlockt. Maximal 450 Nm treiben die 1,5 Tonnen leichte Limousine in 5,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h und das klassenübliche Limit von 250 km/h erreicht der XE mit links. Neben der Top-Motorisierung gibt es einen Zweiliter-Turbo mit 147 kW/200 PS oder 177 kW/240 PS und einen gleich großen Diesel. Auch er kommt in zwei Leistungsstufen und läuft mit 120 kW/163 PS oder 132 kW/180 PS.

Forsch aber feinfühlig


So agil und aggressiv sich die Raunkatze auch gibt, so leicht lässt sie sich im Zaum halten. Man muss am Steuer kein mutiger Dompteur sein, sondern fühlt sich eher wie ein Dirigent, der mit kleinen Gesten eine große Wirkung erzielt. Auch in scharfen Kurven hält man das Lenkrad nur mit spitzen Fingern und viel mehr als die Zehen braucht man nicht bei der Arbeit an den Pedalen, so gut ist der Wagen ausbalanciert und abgestimmt. Sobald man die Lehne ein bisschen nach hinten surren lässt und sich in den Komfort-Modus klickt, wird aus der Raubkatze ein Schmusekater. Dann gondelt man ganz gelassen dahin und erlebt den ach so wilden Jaguar als erstaunlichen Leisetreter.

Zwar will der XE eines der sportlichsten Autos in seiner Klasse sein. Doch weiß Jaguar, dass in diesem Segment auch andere Qualitäten gefragt sind. Firmenchefs und Finanzer locken die Briten deshalb mit attraktiven Leasingraten, günstiger Garantie und Servicepauschalen und niedrigen Verbrauchswerten von bestenfalls 3,8 Litern und einem CO2-Ausstoß von 99 g/km. Und Vielfahrer ködern sie mit einer üppigen, meist aufpreispflichtigen Ausstattung. So gibt es nicht nur ein zeitgemäßes Infotainment, sondern zum Beispiel auch eine automatische Abstandsregelung und ein Head-Up-Display.

Kein Allrad, kein Hybrid, kein Kombi


Ein paar aktuell besonders angesagte Extras kann Jaguar aber noch nicht bieten: Der Allradantrieb kommt erst zum Ende des Jahres, von einem Plug-In-Hybriden wie ihn BMW und Mercedes in Aussicht stellen, ist noch keine Rede und ein Kombi ist noch nicht einmal geplant.

Überhaupt: In erster Linie als Fahrerauto konzipiert, kommt der XE bei den Mitreisenden lange nicht so gut an: Im Fond gibt sich die 4,67 Meter-Limousine bei 2,84 Metern Radstand weniger großzügig als in der ersten Reihe. Und wenn man tatsächlich mal zu fünft unterwegs ist, wird es im 450 Liter großen Kofferraum ganz schön eng.

Fazit: Mit dem Zweiten fährt man besser


Der erste Anlauf in der Mittelklasse war für Jaguar ein Flop. Doch attraktiv gezeichnet, agil abgestimmt und wegweisend konstruiert, sind die Briten mit dem XE aus dem Stand auf Augenhöhe mit den Platzhirschen aus Deutschland gesprungen. Und was dem Newcomer aus dem Königreich vielleicht an Finesse oder Feinschliff fehlt, das macht er allein mit der Abwechslung wett, die er ins Einerlei der vornehmen Mittelklasse bringt.

Datenblatt: Jaguar XE S