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Barfußschuhe Dünne Sohle statt großer Dämpfung

Lauftrainer und Sportmediziner sehen Barfußschuhe als bessere Alternative zu stark gepufferten Sportschuhen.

Von Kerstin Singer 10.09.2016, 01:01

Magdeburg l Für Kinder gilt schon lange die Empfehlung viel barfuß zu laufen. Doch auch immer mehr Erwachsene merken, dass es ihnen gut tut, ohne einen einengenden Schuh zu laufen. Lauftrainer Uwe Haake aus Magdeburg macht nach jedem Training eine Runde mit nackten Sohlen über den Rasen. Es sei schön, den Untergrund zu fühlen, beschreibt er. Weil es in der Stadt nicht möglich ist, überall barfuß zu gehen, trägt er Barfußschuhe, die ihn vor Scherben, Kälte und Schmutz schützen und trotzdem dem Fuß viel Freiheit lassen.

Inzwischen gibt es diese in vielfältigen Formen, die Bandbreite reicht von dünnen Socken mit Gumminoppen bis hin zu bürotauglichen Lederschuhen. Selbst beim sportlichen Laufen wählt Haake inzwischen eine Schuhform, die viel Bodengefühl und Fußfreiheit ermöglicht. „Natural Running Schuhe“ gibt es von verschiedenen Herstellern. Im Unterschied zu herkömmlichen Joggingschuhen ist die Sohle nicht gedämmt, der Fersenkeil flach oder gar nicht vorhanden, die Seiten haben nur eine minimale Stützfunktion. Für den ehemaligen Leistungssportler ist das eine Renaissance. „Zu DDR-Zeiten hatten wir Laufschuhe aus Wildleder mit drei bis vier Millimeter dünnen Sohlen für den Straßenlauf“, erinnert sich der ehemalige Leichtathlet.

Es klingt zunächst paradox, dass Läufer, die barfuß oder mit dünnen Sohlen, schonender laufen als mit komfortabel gepufferten Sportschuhen. Doch die Erkenntnis ist nicht neu. Bereits 2010 sorgte eine erste Studie des Harvard Professors Daniel Lieberman für den wissenschaftlichen Nachweis.

Auch Oberärztin Dr. Margit Rudolf von der sportmedizinisch-rehabilitativen Abteilung der Orthopädischen Universitätsklinik Magdeburg bestätigt, dass die starke Pufferung bei Sportschuhen zu Beschwerden führen kann, vor allem bei Frauen. Der Fuß bekomme zu wenig Informationen über den Untergrund, dementsprechend könne das Gehirn den Körper schlechter im Laufen anpassen, erklärt sie. Zusätzlich führe der Fersenkeil, der den Fuß in eine Schräglage bringe, dazu, dass der Läufer ins Hohlkreuz gehe. Das führe zu Überlastungen im unteren Rücken, wie Frauen sie von hochhackigen Schuhen her kennen. Aber auch über Schmerzen im Nacken, der Hüfte oder den Knien leiden sowohl Profi-Läufer, die zur Leistungsdiagnostik kommen, als auch Laien in der Fußsprechstunde. „In einem Barfußschuh wird die Fuß- und Rückenmuskulatur besser trainiert“, so Rudolf. Aber auch sensibilisiert. „Wenn ich damit tagsüber viel auf Kopfsteinpflaster gelaufen bin, sind meine Füße abends empfindlich“, berichtet Uwe Haake.

In einem sind sich beide einig. Barfußschuhe seien nicht für jeden Jogger geeignet. „Wer ein starker Hackenläufer ist, kann schnell Probleme mit der Achillessehne bekommen“, sagt die Oberärztin. Deshalb sollte zuvor ein Orthopäde um Rat gefragt werden.

Auch Uwe Haake rät Läufern davon ab, unvorbereitet auf Barfußschuhe umzusteigen. Denn der Laufstil sei ein anderer. Beim Barfußlaufen liege das Gewicht auf dem Vorderfuß, das müsse erst geübt werden. Der sogenannte „Ballengang“ sei zwar der natürliche Gang unserer Vorfahren gewesen, doch modernes Schuhwerk habe uns eher zu Fersengängern gemacht. Das hatte bereits Lieberman analysiert.

Um den individuell richtigen Schuh zu finden, empfiehlt er zunächst eine Bewegungsanalyse des Laufbildes in einem orthopädischen Fachgeschäft machen zu lassen. Mit der Auswertung könnte dann der passende Schuh gefunden und mit Vorübungen für das Lauftraining verbunden werden. Das seien die besten Voraussetzungen um langfristig beschwerdelos und mit Freude zu joggen.

Wer Barfußschuhe allerdings im Alltag tragen möchte und keine Vorerkrankungen hat, braucht solche Vorbereitungen nicht. Mit dicken Socken können sie sogar im Winter getragen werden.