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Crystal Meth Süchtig nach einem weißen Pulver

Die Modedroge Crystal Meth ist auf dem Vormarsch. In Magdeburg gelingt Süchtigen der Entzug.

Von Uwe Seidenfaden 27.06.2016, 01:01

Magdeburg l Sie ist billig und ohne größere Probleme auf dem inoffiziellen Markt zu bekommen: die „Modedroge“ Crystal Meth. „Die Droge wird aus verschiedenen Grundstoffen künstlich hergestellt und führt sehr schnell in die Abhängigkeit“, sagt der Magdeburger Psychiater und Suchtmediziner Dr. Volker Kielstein vom Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) und der Tagesklinik an der Sternbrücke. Bekannt wurde Crystal Meth vor einigen Jahren in der Partyszene. Die Droge soll helfen, länger fit zu bleiben und sich leistungsfähiger zu fühlen.

Das hat sich auch in Kreisen herumgesprochen, die beruflich unter starkem Stress stehen. Einer von diesen Menschen ist Patrik (30 Jahre). Seit drei Jahren tourt er als LKW-Auftragsfahrer durch Europa. „Just-in-Time“ lautet die Devise. Das Wichtigste ist, immer zum geplanten Termin am Zielpunkt anzukommen, egal, was passiert. „Da nimmt man gerne jeden Rat an“, so der Speditions-Fahrer. Als Patrik wieder einmal am körperlichen Limit war, kam ihm der „Insider-Tipp“ eines Kollegen gerade recht. Der steckte ihm eine kleine Tüte mit einem weißen Pulver zu und sagte: „Damit kannst Du länger durchhalten.“

Und tatsächlich fühlte Patrik sich zunächst besser. Doch schon wenige Monate später plagten ihn Trugwahrnehmungen. Er fühlte sich verfolgt und selbst von Freunden kontrolliert. Ganz ähnlich erging es Monika, alleinstehend mit einem einjährigen Kind und seit kurzem wieder als Verkäuferin tätig. Um den Mehrfachbelastungen besser gewachsen zu sein, ließ sie sich von „Freunden“ zum Sniefen von Crystal Meth überreden. Aus Sorge, nicht mehr richtig für ihr Baby sorgen zu können, entschied sie sich für den Drogenentzug und die anschließende Behandlung ihrer Abhängigkeit in einer Therapiegruppe der Magdeburger Tagesklinik an der Sternbrücke.

Während in den vergangenen 25 Jahren die Zahl der Alkoholabhängigen nahezu gleich geblieben ist, stieg die Anzahl der Konsumenten illegaler Drogen deutlich an. „Statistisch kommen im MVZ und der Tagesklinik an der Sternbrücke auf zehn Alkoholabhängige 5,7 Drogenabhängige. 2014 hatten wir allein 95 Crystalabhängige in Behandlung“, so Dr. Kielstein. Crystal führt schnell zu einem starken Verlangen nach mehr. Langfristig eingenommen kommt es zu Gedächtnisstörungen, Psychosen, Gewichtsverlust, beschleunigter Hautalterung und einem allgemeinen körperlichen Verfall.

Die gute Nachricht ist aber, dass die Entgiftung von Crystal leichter als die von Heroin ist. „Wir führen in der Mehrzahl der Fälle eine ambulante Entgiftung durch“, so der Magdeburger Arzt. Bereits nach zwei Wochen können die Betroffenen wieder die Welt mit all ihren natürlichen Sinnen wahrnehmen. Schwieriger ist es, nicht wieder rückfällig zu werden. Verhindern soll das die sechswöchige tagesklinische Behandlung und eine langfristige einmal pro Woche durchgeführte ambulante Gruppentherapie.

Die Patienten können in der Therapie die Ursachen und Folgen der Sucht bearbeiten und verschiedene Bewältigungsstrategien erlernen. Angehörige erhalten Unterstützung durch Einzelberatung und Teilnahme an einer wöchentlichen Angehörigengruppe. „Der Zugang zu Beratung und Therapie sollte so einfach wie möglich sein“, rät Dr. Kielstein. „Bei uns können Menschen, die von Crystal, Speed, Kokain oder Cannabis abhängig sind, innerhalb von zwei bis drei Tagen mit der ambulanten Entgiftung beginnen.“ Das gilt auch für sogenannte Mischkonsumenten, die verschiedene illegale Drogen nehmen.