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Gesundheit Nach Zeckenstich in die Notaufnahme?

Wie muss man nach einem Zeckenbiss reagieren? Professor Jens Ulrich, Chefarzt am Harzklinikum, zu Fakten und Mythen.

23.07.2017, 23:01

Quedlinburg (vs) l Gerade im Frühsommer bei hoher Luftfeuchtigkeit lauern sie uns in Gebüschen, Untergehölz, am Waldesrand oder auf feuchten Wiesen und in Gärten auf – die Zecken. Sie gehören zur Klasse der Milben und halten sich vor allem an der Spitze von Grashalmen auf. Von Menschen und Säugetieren werden sie quasi im Vorbeigehen aufgesammelt. Dass Zecken sich von Bäumen auf ihre Opfer fallen lassen, ist ein weit verbreiteter Mythos. Überhaupt gibt es viele Unklarheiten über das richtige Verhalten, wenn es zu einem Zeckenstich gekommen ist, weiß Professor Jens Ulrich, Chefarzt der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Harzklinikum Dorothea Christiane Erxleben und Leiter des Hautkrebszentrums Harz in Quedlinburg.

Welche Krankheiten können beim Zeckenstich übertragen werden?

Prof. Jens Ulrich: Es sind vor allem zwei Krankheitserreger, die die Zecken mit ihrem Stich übertragen können. Zum einen das Virus für die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), einer für den Menschen gefährlichen Entzündung der Gehirnhäute und des Gehirns, und zum anderen Bakterien (Borrelien), die für die sogenannte Borreliose verantwortlich zeichnen. Für die FSME-Viren gibt es in Deutschland Risikogebiete. Wichtig zu wissen ist, maximal fünf Prozent der Zecken sind mit dem Virus infiziert. Bei den Borrelien kann man in Europa davon ausgehen, dass 10 bis 50 Prozent der Zecken Träger dieser Bakterien sein können.

Ist daraus zu schlussfolgern, dass nahezu jeder zweite Zeckenstich auch zu einer Infektion führt?

Ganz klar „Nein“. Selbst wenn eine Zecke mit den Erregern infiziert ist, bedeutet das noch lange nicht, dass auch der Wirt bei einem Stich infiziert wird. Die Infektionsgefahr mit Borrelien ist in den ersten 12 bis 24 Stunden sehr gering.

Dann sollte nach einem Stich eine Zecke möglichst schnell entfernt werden?

Ganz genau. Je schneller der Blutsauger entfernt wird, desto geringer ist das Risiko einer Infektion. Es ist also besser, die Zecke möglichst schnell selbst zu entfernen oder durch einen Helfer aus dem privaten Umfeld entfernen zu lassen, als sich beispielsweise vier Stunden in die Notaufnahme eines Krankenhauses zu setzen. Hier geht vielleicht wertvolle Zeit verloren.

Wie soll man sich denn am besten verhalten, wenn sich einmal so ein Insekt festgesetzt hat?

Die Zecke sollte mit einer Pinzette möglichst nah an der Haut erfasst und dann durch langsames Hin- und Herbewegen herausgezogen werden. Das Quetschen des Leibes der Zecke sollte unbedingt vermieden werden. Ebenso sollten die Tiere nicht mit Desinfektionsmittel oder Öl vorbehandelt werden. Manchmal verbleibt ein Rest der Zecke in der Haut, wobei es sich zumeist nicht um den Kopf, sondern um den Stechapparat handelt. Das ist überhaupt nicht schlimm. Der Stechapparat fällt in der Regel nach ein paar Tagen von allein ab, kann aber auch mit einer Kanüle einfach selbst entfernt werden.

Was muss ich beachten, wenn ich eine Zecke bei mir entfernt habe?

Nach der Entfernung sollte die Einstichstelle desinfiziert werden. Ein Gang zum Arzt ist in aller Regel wirklich nicht notwendig. Auch ist eine Rötung rund um die Einstichstelle für ein paar Tage ganz normal und sollte nicht für Beunruhigung sorgen. Wenn sich jedoch etwa ein bis zwei Wochen nach dem Stich eine flächenhafte Rötung bildet, die sich vergrößert (Wanderröte, sogenannte Erythema migrans), liegt sehr wahrscheinlich eine Infektion mit Borrelien vor. Dann sollte ein Arzt aufgesucht werden. Diese Infektion kann ganz einfach und sehr zuverlässig mit einen Antibiotikum behandelt werden. Ihr Hausarzt kennt sich mit der Behandlung aus.

Wie kann ich mich prophylaktisch vor Zeckenstichen schützen?

Wenn Sie in FSME-Risiko-Gebiete reisen, empfiehlt sich unbedingt zuvor eine Impfung. Diese sollte dann alle drei bis fünf Jahre aufgefrischt werden. Für die Borreliose existiert noch keine Impfung. Hierbei kann man sich nur entsprechend kleiden. Insektenmittel bieten meist nur einen kurzzeitigen inkompletten Schutz. Suchen Sie daher nach dem Waldspaziergang immer den ganzen Körper ab. Denn: Es können mehrere Insekten gleichzeitig einen Wirt befallen. Und bitte vergessen Sie auch nicht, ihre vierbeinigen Haustiere zu untersuchen.