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Dieter Montag, Ehrenamtlicher beim Verein "Weißer Ring": "Wir arbeiten auf der Schattenseite des Lebens"

Von Elisa Sowieja 20.07.2009, 10:31

Seit zehn Jahren kümmert sich Dieter Montag ehrenamtlich um Gewaltopfer. Er ist Außenstellenleiter des Vereins Weißer Ring im Landkreis Börde. Zu den vielen Menschen, denen er bisher geholfen hat, gehört auch Anita Schwarzlose aus Wolmirstedt. Sie wandte sich an die Leseranwalt-Redaktion, um sich bei ihm öffentlich zu bedanken.

Es ist Sonntagabend, 20 Uhr, als das Telefon von Dieter Montag klingelt. Am anderen Ende der Leitung: die Haldensleber Polizei, die ihn um Hilfe bittet. Ein Arbeitsloser sei auf dem Bahnhof von einer Gruppe Rechtsradikaler zusammengeschlagen und ausgeraubt worden und wisse nun nicht, wie er zurück in seine Heimatstadt Tangerhütte komme. Ohne zu zögern steigt der 54-Jährige ins Auto, holt den Mann vom Polizeirevier ab und bringt ihn nach Hause. Bevor er die Rückfahrt antritt, leistet er dem Opfer zur Beruhigung in dessen Wohnung noch ein wenig Gesellschaft. Erst um 23.30 Uhr ist Montag wieder zurück.

Für den Einsatz verlangt der Barleber kein Geld. Denn er arbeitet neben seinem Job als Versicherungskaufmann ehrenamtlich beim Weißen Ring, einem gemeinnützigen Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten.

Gegründet wurde er vor 33 Jahren vom damaligen "Aktenzeichen-XY-Ungelöst"-Moderator Eduard Zimmermann. Bundesweit zählt der Weiße Ring rund 60 000 Mitglieder, in Sachsen-Anhalt knapp 600. Montag ist seit zehn Jahren dabei. Nach mehreren Schulungen wurde er vor sechs Jahren Außenstellenleiter für den Bördekreis. "Wir arbeiten auf der Schattenseite des Lebens", erzählt der Barleber. "Unsere Fälle reichen von sexuellem Missbrauch, über Gewalt in der Familie bis hin zu Stalking." Die Opfer stammen aus allen sozialen Schichten.

Der Verein hilft auf verschiedenen Wegen: Erstens vermittelt er die Opfer zum Beispiel an Sozialarbeiter, Rechtsanwälte oder Therapeuten. Zweitens leistet er finanzielle Soforthilfe. "Der Mann, der am Bahnhof ausgeraubt wurde, hat zum Beispiel gleich 100 Euro bekommen, damit er nach Stendal fahren und neue Papiere beantragen konnte", erklärt Montag. Drittens sind die Mitarbeiter geduldige Zuhörer. "Das ist vielen Opfern am wichtigsten", sagt der 54-Jährige.

Zum Weißen Ring gekommen ist er damals durch einen Präventionstag in Wolmirstedt. "Zuerst wurde ich nur Vereinsmitglied", erinnert er sich. "Dann habe ich immer mehr Lehrgänge gemacht, in denen ich für die Opferhilfe ausgebildet wurde." Er lernte zum Beispiel, wie er Menschen so zuhört, dass er auch zwischen den Zeilen ihre Probleme erkennt.

Heute ist Montag täglich von 8 bis 20 Uhr für die Zentrale des Weißen Rings erreichbar. Meldet sich am Infotelefon ein Opfer aus seinem Gebiet, bekommt er eine E-Mail oder wird angerufen. Er kümmert sich dann entweder selbst um den Fall oder bittet einen der anderen vier Außenstellenmitarbeiter um Hilfe.

Die Arbeit mit Opfern von sexuellem Missbrauch und anderen Formen von Gewalt geht an Montag nicht spurlos vorbei. "Man muss ein dickes Fell haben", sagt er. "Wegen der Schweigepflicht können wir Mitarbeiter uns auch nur untereinander austauschen." Trotzdem ist Montag nach wie vor mit ganzem Herzen dabei. Warum? "Ich weiß nicht", sagt er bescheiden. "Vielleicht, weil ich einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn habe."

Infotelefon: (01803) 343434