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Unterstützung für behinderte Menschen Sozialamt zahlt Jaqueline mehr Geld

Von Gudrun Oelze 15.02.2010, 11:49

Ein behindertes Mädchen mit Down-Syndrom haben die Eheleute Perschel aus Schönebeck wie ihr eigenes Kind in die Familie aufgenommen. 1997 kam Jaqueline Urbanik in ihren Haushalt. Die Pflegeeltern kannten sie bereits eine Weile, da Hannelore Perschel in dem Heim arbeitete, in dem das Mädchen einige Jahre lebte.

Als sie wegen ihrer Behinderung nicht länger dort bleiben konnte, nahmen die Perschels sie dauerhaft in ihren Haushalt auf. "Dauerhaft" ab September 2009 auch nach Auslaufen des Pflegevertrages mit dem Jugendamt.

Jaqueline selbst wollte bei ihren Pflegeeltern bleiben. Tagsüber besucht die 19-Jährige eine Werkstatt für behinderte Menschen, in der Freizeit sorgen die Eheleute Perschel wie zuvor für sie.

Trotz ihrer schweren Behinderung – im Schwerbehindertenausweis sind die Merkzeichen G (Gehbehinderung), B (Notwendigkeit ständiger Begleitung) und H (Hilflosigkeit) eingetragen - ist es für Familie Perschel selbstverständlich, weiter für Jaqueline da zu sein. "Wir sind im Jugendamt weiterhin als Pflegeeltern registriert und auch die gesetzlichen Betreuer von Jaqueline. Unsere Tätigkeit hat sich nicht verändert, nur dass wir kein Geld vom Jugendamt mehr dafür bekommen", schrieb Hannelore Perschel.

Sie wandte sich an den Leseranwalt der Volksstimme, weil das Sozialamt nun die Leistungen für die junge Frau beschnitt. Wegen der dauerhaft vollen Erwerbsminderung hat Jaqueline Anspruch auf Grundsicherungsleistungen. Doch das Kindergeld, das Jaquelines Pflegeeltern für sie erhalten, wurde einfach dem Mädchen als Einkommen zugerechnet und sein Bedarf an Sozialleistungen um diesen Betrag gekürzt.

Für erwachsene Kinder, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage sind, sich selbst zu unterhalten, wird ohne altersmäßige Begrenzung Kindergeld gewährt. Es darf nicht von der Grundsicherungsleistung abgezogen werden, wenn es in die gemeinsame Haushaltskasse der Familie fließt und dem behinderten Kind nicht zur freien Verfügung steht – etwa durch "Abzweigung" auf dessen Konto. Das befanden auch Deutschlands oberste Sozialrichter, die 2007 urteilten, dass Kindergeld der Eltern bei den Grundsicherungsleistungen eines volljährigen, voll erwerbsgeminderten Kindes nicht angerechnet werden darf (Az.: B 9b SO 6/06 R).

Auf unsere Anfrage hin wurde der Fall von Jaqueline und ihren Pflegeeltern im Sozialamt überprüft. Herauskam, dass nach Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch bei Minderjährigen das Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen ist. "Im Umkehrschluss gilt die Anrechnungsregelung nicht für volljährige Kinder oder nicht im Haushalt lebende Kinder. In diesem Fall ist das Kindergeld grundsätzlich dem Kindergeldberechtigten zuzurechnen, an den es ausgezahlt wird", so die Feststellung in der Kreisverwaltung.

Dort ging man vorher jedoch davon aus, dass Jaquelines Pflegeeltern überhaupt keinen Anspruch auf das Kindergeld hätten – weil sie nicht die leiblichen Eltern sind.

Dazu hatten wir uns zunächst bei der Familienkasse erkundigt: Anspruchsberechtigt sind jene, in deren Haushalt das behinderte Kind lebt, so die Antwort. Und so wird es in diesem Fall ja auch praktiziert, das Kindergeld für Jaqueline nach wie vor auf das Konto der Pflegeeltern überwiesen.

Das gaben wir beim Sozialamt des Salzlandkreises zu bedenken. Eine Rückfrage bei der Kindergeldkasse bestätigte nun auch diesem Amt, dass die Kindergeldberechtigte die Pflegemutter ist. Somit sei das Kindergeld nicht als Einkommen des Pflegekindes Jaqueline zu betrachten und wirke sich daher auch nicht mindernd auf ihre Leistungen der Grundsicherung aus, stellte man nun dort fest. "Wir bedauern, dass es zu dieser Fehlentscheidung kommen konnte. Eine Auswertung erfolgt innerhalb des Amtes.

Die Neuberechnung erfolgt ab 1. September 2009, die Nachzahlung wird mit der nächsten Zahlung angewiesen", konnten wir den Pflegeeltern die Antwort aus der Kreisverwaltung weiterleiten. Von dem Kindergeld erfüllen die Pflegeeltern dem Mädchen so manchen zusätzlichen Wunsch und Freizeitspaß. "Solange wir gesundheitlich dazu in der Lage sind, wollen wir Jaqueline ein schönes Leben ermöglichen", sagen die Eheleute Perschel.