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Dreiste Abzocke älterer Bürger Hände weg von Haustürgeschäften

Von Gudrun Oelze 22.12.2008, 07:24

Es klingelt an der Wohnungstür. Zwei nette Herren bieten der betagten Bewohnerin an, Rechnungen für Gas, Strom oder auch Telefon zu überprüfen und eventuelle Sparmöglichkeiten aufzuspüren. Nach dem Durchstöbern der Papiere bitten sie ihre Gastgeberin noch, die erfolgte Prüfung auf einem Formular per Unterschrift zu bestätigen.

Wenig später muss sie erschrocken zur Kenntnis nehmen, dass sie einen Vertrag mit der Firma Face2Face unterzeichnet hatte. So oder ähnlich hat es sich in diesem Jahr in vielen Fällen zugetragen.

"Meine 80-jährige Oma durchlebt zurzeit einen Albtraum", schrieb uns zum Beispiel eine Magdeburgerin. Die Oma öffnete im Juni in ihrer Gutgläubigkeit die Haustür für sogenannte Mitarbeiter der SWM (Stadtwerke Magdeburgs). Auf Verlangen zeigte sie diesen Vertretern ihre letzten Auszüge der Betriebskostenabrechnung. "Von den Abrechnungen übernahmen diese die Bankdaten und erschlichen sich die Unterschrift meiner Oma für eine Mitgliedschaft bei der Firma Face2Face Prüfungsgesellschaft."

Kurz darauf wurden ihr vom Konto 79,90 Euro Konto abgebucht, die sie umgehend rückbuchen ließ. Im November erhielt sie nun Post und wurde mit einer "Zweiten und letzten Mahnung" aufgefordert, 497,90 Euro zu zahlen. "Das Schreiben löste bei meiner Oma einen schweren Schock aus."

Ähnliches erlebte im Frühjahr eine 88-Jährige in Calbe, die angebliche Mitarbeiter der Telekom zur Überprüfung der Rechnungen in ihre Wohnung ließ. "Unter fragwürdigen Umständen" kam auch in diesem Fall ein Vertragsabschluss zustande, gegen den sich die Angehörigen jetzt zur Wehr setzen wollen.

Die Aufregung und Vorwürfe der Betroffenen kann man bei der Face2Face Prüfungsgesellschaft wohl nicht nachvollziehen. "Unsere Mitarbeiter stellen sich grundsätzlich mit unserem Firmennamen vor und weisen sich entsprechend mit den Firmenausweisen aus", teilte man uns auf Nachfrage mit. Jeder Kunde erhalte eine Durchschrift seines Vertrages, den er natürlich auch innerhalb einer Frist von 14 Tagen widerrufen könne. "Somit sind die Vorwürfe keinesfalls gerechtfertigt und haben auch keine rechtliche Grundlage."

Katja Schwaar von der Magdeburger Beratungsstelle der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt dagegen kann "das Chaos mit der Firma Face-2-Face nur bestätigen". Schon im Sommer mahnten die Verbraucherschützer öffentlich: "Abzocke der Firma Face2Face Prüfungsgesellschaft aus Magdeburg geht weiter." Die Dreistigkeit kenne keine Grenzen, so die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt, werde doch den meist betagten Betroffenen auch eine zweijährige Mitgliedschaft untergeschoben, die pro Monat bis zu 79,95 Euro kosten soll. "Verbraucher, die sich berechtigterweise zur Wehr setzen, die Verträge widerrufen, das abgebuchte Geld von der Bank zurückbuchen lassen, erhalten weitere Mahnungen. Zurzeit versucht die Firma, über eine beauftragte Anwaltskanzlei Betroffene mit gerichtlichen Mahnbescheiden zur Zahlung zu bewegen. Wichtig, auch hier kann und sollte man sich zur Wehr setzen", so der Verbaucher-Tipp schon vor Monaten.

Wie unsere Redaktion erhalten aber auch die Verbraucherschützer weiterhin immer neue Face-2-Face-Fälle. Statt einer Rechtsanwältin mahne jetzt die Firma selbst und dies fleißig, so Katja Schwaar, und fordere zum Teil hohen Schadenersatz.

Das bedeute bei der bevorzugten Klientel der Firma, dass viele der älteren Leute vor Angst und Schrecken nicht mehr schlafen können. "Nach wie vor gilt jedoch: Die Betroffenen sollten sich unbedingt zur Wehr setzen! Dazu ist dringend zu empfehlen, sich Rechtsrat einzuholen", so die Verbraucherschützer. Deren Beratungsstelle zum Beispiel kann mit Musterbriefen helfen. Ansatzpunkt ist dabei die Widerrufsbelehrung, die für Haustürgeschäfte gesetzlich vorgeschrieben ist. Allerdings entspreche die Face2Face-Belehrung nicht den Vorschriften, berichtet Frau Schwaar, so dass der Vertrag auch nach zwei Wochen noch widerrufen werden könne.

"Darüber hinaus vertreten wir die Auffassung, dass ein derartiges Rechtsgeschäft nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch sittenwidrig und damit nichtig ist. Es kann nicht sein, dass - überspitzt formuliert – für eine monatliche Telefonrechnung von 20 Euro und monatlich 79,95 Euro für Rechnungsüberprüfung zu zahlen sind." Es bleibe abzuwarten, welche weiteren Schritte die Firma noch einleiten werde. Verbrauchern sei dringend zu raten: "Hände weg von derartigen Haustürgeschäften. Egal, welche Märchen aufgetischt werden, keine Unterschriften leisten!"