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Mehr Menschen im Berufsalter betroffen / Kolonkarzinom muss kein tödliches Schicksal sein Darmkrebs betrifft nicht nur Senioren

Von Uwe Seidenfaden 05.08.2013, 03:24

Ein Blick in die Familienchronik kann sich auch medizinisch lohnen. Das gilt insbesondere dann, wenn nahe Verwandte in jungen Jahren in Krebs erkrankten. Angehörige sollten sich dann vorbeugend untersuchen lassen.

Magdeburg l Die meisten Tumorerkrankungen treten im fortgeschrittenen Lebensalter, etwa ab dem 60. Lebensjahrzehnt, auf. Das gilt auch für Darmkrebs, der mit jährlich rund 74000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland an dritter Stelle der Tumorstatistik steht.

Seit 2002 können alle Krankenversicherten ab 55 Jahren eine Darmspiegelung (Koloskopie) als Früherkennungs-Untersuchung erhalten. "Dadurch konnten wir mehr Darmtumoren im noch symptomfreien Frühstadium diagnostizieren und mit über 90-prozentigem Erfolg heilen", sagt Professor Hans Lippert, Direktor der Magdeburger Uniklinik für Chirurgie. Er bezieht sich dabei auf Daten von mehr als 80000 Darmkrebspatienten aus zirka 300 chirurgischen Kliniken, die am An-Institut des Uniklinikums seit 2000 regelmäßig ausgewertet werden.

Bei der Analyse der Daten bemerkten die Mediziner allerdings auch eine Zunahme von Patienten im Alter von unter 55 Jahren, die mit einem Darmkrebs im fortgeschrittenen Stadium in die Klinik kamen. Professor Lippert erinnert sich an einen erst 42-jährigen Mann, der wegen Blutarmut behandelt wurde. Bei den Untersuchungen stellte sich heraus, dass der Blutverlust durch einen Darmtumor verursacht wurde. Der Patient hatte das Blut im Stuhl auf harmlose Hämorrhoiden zurückgeführt. Auch andere Risikofaktoren hatte er nicht beachtet (siehe Infokasten). Obwohl es vielfältige Behandlungsmöglichkeiten für Darmkrebs gibt, sind die Heilungschancen in fortgeschrittenen Krankheitsstadien gering. "Eine meiner jüngsten Patientinnen mit Darmkrebs war erst 20 Jahre alt", so der Magdeburger Chirurg.

Warum in Deutschland immer mehr junge Menschen an Darmkrebs erkranken wissen die Mediziner nicht. Eine ähnliche Tendenz wird in den USA, Westeuropa und aus Polen beobachtet. Nur ein kleiner Teil lässt sich auf erbliche Darmkrebsfaktoren wie das sogenannte Lynch-Syndrom (HNPCC) beziehungsweise auf eine vererbbare Neigung zur Darmpolypenbildung (FAP) zurückführen. Diese Patienten kann man durch genetische Untersuchungen im familiären Umfeld herausfinden. Wenn die Diagnose gesichert ist, müssen sie sich engmaschigen Kontrolluntersuchungen unterziehen. Gleiches gilt für Menschen, die unter chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa und Morbus Crohn) leiden. Auch sie haben ein erhöhtes Darmkrebsrisiko.

Bislang wenig Beachtung fanden dagegen Menschen, in deren Familie ein allgemein erhöhtes Krebsrisiko in jungen Jahren besteht. Das kann beispielsweise der Bruder oder der Großvater sein, der in mittleren Lebensjahren an Magenkrebs erkrankte, bzw. die Mutter, die als junge Frau Brustkrebs bekam. Dieser Personenkreis erkrankt statistisch auch häufiger an Darmkrebs, ohne dass die Ärzte dafür eine eindeutige genetischen Ursache finden konnten. Professor Lippert rät daher allen Menschen im berufstätigen Alter, in deren Familie Krebserkrankungen in jungen Jahren auftraten, bei auffälligen Symptomen den Hausarzt darauf hinzuweisen. Der Hausarzt kann bei Krebsverdacht klärende Untersuchungen wie eine Darmspiegelung veranlassen. Sollten während dieser Koloskopie Krebsvorstadien (Darmpolypen) festgestellt werden, lassen diese sich endoskopisch entfernen, noch bevor daraus ein Tumor entsteht.

Nur in seltenen Fällen, wenn ein sehr hohes Krebsrisiko besteht, kann eine vorbeugende Entfernung des Dickdarms ratsam sein. "Bei diesen Patienten bauen wir aus einem Stück des Dünndarms einen neuen Dickdarm", erklärt der Chirurg. Die Schließmuskelfunktion bleibt erhalten, so dass den Betroffenen nur vorübergehend (zur Heilung der Operationsnarben) ein künstlicher Darmausgang gelegt werden muss.