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Hemmungen und Blockaden Die Angst, sich zu blamieren

Einfach mal was Neues wagen: Wie viele Menschen würden das gern tun,
trauen es sich aber nicht. Weil sie innerlich blockiert sind. Sie haben
Angst, etwas zu machen, mit dem sie aus dem Rahmen fallen könnten. Doch
diese Angst lässt sich in den Griff bekommen.

02.08.2014, 01:19

Königstein (dpa) l Sei es der attraktive Mann neulich an der Brötchentheke oder die Frau aus dem Büro gegenüber: Es gibt immer wieder Situationen, in denen man gern jemanden ansprechen würde, sich aber nicht traut. Aus Angst, zurückgewiesen zu werden. Oder die Sportart, die einen schon lange reizt, für die sich aber nie die Gelegenheit findet, sie auszuprobieren. Weil es auch hier immer wieder einen vermeintlich guten Grund gibt, der dagegen spricht: zu teuer, zu zeitaufwendig.

Solche und ähnliche Hemmungen haben viele Menschen. Dadurch blockieren sie sich immer wieder in mehr oder weniger entscheidenden Momenten des Lebens und trauern dann vertanen Chancen und verpassten Gelegenheiten nach. Wer das überwinden will, sollte seinen Hemmungen und Blockaden auf den Grund gehen.

"Hemmungen wirken entfaltungsverhindernd", sagt Motivationstrainer Nikolaus B. Enkelmann. Wer Minderwertigkeitskomplexe habe, sollte hinterfragen, worauf diese beruhen. "Blockaden haben Gründe", ergänzt Lutz Hertel, Vorsitzender des Deutschen Wellness-Verbandes. "Irgendwann ist etwas passiert, dass der Mensch nicht mehr frei ist."

Angst blockiert Veränderung

Meist stecke dahinter die Angst, zu versagen, Fehler zu machen, sich zu blamieren und daraufhin ausgegrenzt zu werden. "Man wäre viel freier, wenn man nicht befürchten müsste, dass andere über einen reden oder sich abwenden", erklärt Hertel.

Die Angst, aus dem Rahmen zu fallen, sei zwar für das Zusammenleben in einer sozialen Gruppe sinnvoll, sagt Julia Scharnhorst vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP). Aber das könne sich auch ins Negative kehren und dazu führen, dass sich jemand nichts mehr traut. Auch die Angst vor ungewissen Ergebnissen hindere viele Menschen daran, etwas zu verändern. Zum Beispiel, indem sie eine unglückliche Beziehung beenden oder einen Job kündigen.

Ein klassisches psychologisches Verfahren, Hemmungen abzubauen, ist laut Hertel die kognitive Verhaltenstherapie. Dabei gehe es darum, unbewusste Gedanken, Überzeugungen oder Glaubenssätze über sich selbst und das Leben "aufzudecken, zu erkennen und zu korrigieren". Mithilfe eines Therapeuten findet und erlernt der Klient dann neue, eigene Glaubenssätze und andere Verhaltensweisen.

Glückstagebuch führen

Enkelmann plädiert dafür, grundsätzlich vermehrt das Positive zu beachten, um Hemmungen zu überwinden. "Wir müssen lernen, den Zufall auszuschalten. Denn alles, was wir beachten, verstärkt sich." Das gelte auch für Negatives wie Krankheiten. Um diesen Gedanken zu entkommen, rät er zu einem Glückstagebuch. "Darin notieren wir jeden Abend drei Dinge, über die wir uns heute gefreut haben. Auch an Tagen, an denen alles schiefgegangen ist, gibt es die drei Dinge."

Wer das 365 Mal gemacht hat, werde Veränderungen feststellen: "Nach einem Jahr sieht der Kopf ganz anders aus." Der Geist werde von positiven Informationen gelenkt und geleitet. Das allein reicht allerdings nicht: Man müsse herausfinden, was man wirklich will, und dann auch entsprechend handeln. "Jeder Mensch kann sein Leben in die Hand nehmen und verändern", betont der Coach. Auch Psychologin Scharnhorst hält das Notieren von positiven Erlebnissen für sinnvoll. Sie rät, zum einen schon länger zurückliegende Erfolge aufzuschreiben und zum anderen jeden Abend auch Kleinigkeiten festzuhalten: etwa den lange aufgeschobenen Anruf, zu dem man sich endlich überwunden hat.

Wenn es daran geht, Neues wirklich auszuprobieren, empfiehlt sie eine Salamitaktik: "Nicht zu viel auf einmal vornehmen, sondern nur so viel, dass es sich noch angenehm anfühlt und wo Erfolgserlebnisse möglich sind." Bei der neuen Sportart heißt das zum Beispiel, zunächst eine Schnupperstunde zu absolvieren, bevor man sich bindet. Und wenn eine Sache gut geklappt hat, dann wage man sich auch an das nächste Projekt.