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Salz unter der Haut Die guten Seiten des weißen Goldes

Bei kaum einem Thema diskutieren Gesundheitsexperten so intensiv und
emotional wie beim Thema Salz. Weißes Gold oder Gesundheitsrisiko - was
stimmt denn nun? Ein neues Forschungsergebnis bringt frischen Zündstoff
in die Debatte.

25.03.2015, 01:21

Berlin (dpa) l Ein Griff zum Salzstreuer - und schon folgt am Tisch der mahnende Blick der anderen. Schließlich weiß doch jeder: Salz erhöht den Blutdruck und lässt das Risiko für Infarkte und Schlaganfälle steigen. Noch nie habe sich der Mensch so sehr mit seinem Salzkonsum auseinandergesetzt wie heute, meint Mediziner Karl-Ludwig Resch: "Vor zehn Jahren noch war Salz eher ein akademisches Thema, jetzt kommt alle paar Tage ein Beitrag dazu im Fernsehen."

Doch selten sind die Ergebnisse so eindeutig, wie viele es gerne hätten. In der Wissenschaft wird leidenschaftlich und nicht immer sachlich um die Auswirkungen von Kochsalz - Natriumchlorid, kurz NaCl - auf den Menschen gestritten. "Bis man irgendwann blind wird gegenüber anderen Argumenten", sagt Resch, Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Gesundheitsforschung in Bad Elster.

Was man sicher weiß, ist vor allem, dass man längst noch nicht alles über die Wirkung der Substanz herausgefunden hat, die einst eine kostbare Handelsware war und die wichtig für Wasserhaushalt, Knochenaufbau, Nervensystem und Verdauung ist. Mitte März brachte ein deutsch-amerikanisches Forscherteam neuen Schwung in die Debatte: Es entdeckte einen möglichen Nutzen von überschüssigem Salz im Körper.

Bekannt war bereits: Isst der Mensch zu viel Salz, speichert die Haut diesen Überschuss. Nur, warum? Die Forscher erkannten nun, dass sich das Natrium aus dem NaCl sowohl bei Menschen als auch bei Mäusen um Wunden herum anreicherte. Bei den Nagern konnten sie zeigen, dass Salz die lokale Immunabwehr stärkte. "Mit dem Salzspeicher ist die Haut in der Lage, sich gegen Infektionserreger zu schützen", erklärt Jonathan Jantsch von der Universität Regensburg, einer der Studienautoren. Das Salz aktiviere die Fresszellen, die Krankheitserreger vernichten, schreiben die Forscher im Fachjournal "Cell Metabolism".

Ein Freifahrtschein für hemmungslosen Salzkonsum sei das Ergebnis nicht, warnt Jantsch. "Wer viel Salz zu sich nimmt, läuft weiterhin Gefahr, herz- oder gefäßkrank zu werden." Dennoch eröffne die Studie einen neuen Blick auf das Thema.

Das Salz für alle möglichen Körperfunktionen wichtig ist, ist unbestritten. Ohne Natriumchlorid wäre der Mensch nicht überlebensfähig. Die Flüssigkeits- und Nährstoffbalance in den menschlichen Zellen würde durcheinandergeraten, der Stoffwechsel wäre gestört. Deshalb hat jeder Mensch etwa 200 Gramm Salz in seinem Körper. Das lässt sich auch schmecken, etwa in Tränen oder Schweiß.

Wie wichtig Salz für Lebewesen ist, zeigt sich auch bei Tieren. "Natrium ist der einzige Stoff, bei dem Tiere selbst merken, dass sie einen Mangel haben und gezielt versuchen, den auszugleichen", erklärt Hubert Spiekers, Leiter des Instituts für Tierernährung und Futterwirtschaft bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Fehlt den Tieren Salz, fressen sie Erde oder beißen in Holz. Bei Nutztieren wird Salz ins Futter gemischt oder über einen Leckstein zur Verfügung gestellt.

Wissenschaftlich gesehen immer noch ein Phantom
Doch wie viel NaCl ist gut für den Menschen? Für Mediziner Resch besteht da noch viel Forschungsbedarf. "Es gibt keine Studie, aus der sich zuverlässig schließen lässt, dass Salzkonsum schädlich ist", meint er. "Salz ist wissenschaftlich gesehen immer noch ein Phantom." Die Weltgesundheitsorganisation WHO ist sicher: Mit einem reduzierten Salzkonsum könnten das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle gesenkt und Millionen Menschenleben gerettet werden. Derzeit nimmt ein Mensch durchschnittlich zehn Gramm Salz pro Tag zu sich - etwa doppelt so viel wie von der WHO empfohlen.

Es sei schwierig, die Wirkung von Salz gesondert zu untersuchen - immer spielten auch die Lebensumstände und die gesamte Ernährung des Menschen mit hinein. "Salz getrennt von diesen Dingen zu beobachten, ist schlicht nicht möglich", sagt Resch. Auf jeden Fall gebe es Risikogruppen, etwa Nierenkranke oder Menschen mit Bluthochdruck. Seinen Patienten erkläre er, dass sowohl negative als auch positive Wirkungen von Salz nachgewiesen seien.

Gerade kranken Menschen könnten die Forschungsergebnisse von Jantsch und seinen Kollegen langfristig nützen. Sie wollen nun herausfinden, wie die Speicherung von Salz in der Haut abläuft. "Bluthochdruck-Patienten und ältere Menschen lagern vermehrt Salz ein", erklärt Jantsch. "Wenn wir herausfinden, wie die Mechanismen beim Speichern funktionieren, könnten wir den Vorgang vielleicht beeinflussen und irgendwann dafür sorgen, dass überflüssiges Salz wieder weggeschafft wird."