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Inkontinenz Implantat regelt die Blasenfunktion

27.06.2015, 01:08

Magdeburg l Zwischen sechs und acht Millionen Menschen in Deutschland leben mit Kontinenzstörungen. Anlässlich der Weltkontinenzwoche beantworteten Experten des Kontinenz- und Beckenbodenzentrums im Johanniter-Krankenhaus Genthin-Stendal Fragen beim Volksstimme-Telefonforum.

Ich muss ständig zur Toilette, obwohl ich wenig trinke. Ich traue mich kaum noch auf die Straße, kann nachts nicht schlafen, weil ich aufstehen muss. Was kann ich tun?
Auf jeden Fall müssen sie ausreichend trinken. Der Körper braucht genügend Flüssigkeit. Meiden Sie harntreibende Substanzen wie schwarzen Tee und Kaffee, trinken sie mehr stilles Wasser, weniger in den Abendstunden als vielmehr über den Tag verteilt. Die Ursache Ihres ständigen Harndrangs muss dringend geklärt werden. Vertrauen Sie sich einem Arzt an. Möglicherwiese sind Ihre Beschwerden die typischen Symptome einer vergrößerten, den Harnabfluss beeinträchtigenden Prostata.

Ich bin 68 Jahre alt. Muss ich mich mit meiner Inkontinenz abfinden?
Nein. Der Leidensdruck vieler Betroffener ist sehr groß. Mit der Verwendung von Vorlagen sollte sich niemand abfinden. Vertrauen Sie sich Ihrem Frauenarzt an und bitten Sie um die Überweisung zu einem auf die Inkontinenzdiagnostik spezialisierten Facharzt.

Wenn ich husten muss, geht mir etwas Urin in die Hose. Bin ich inkontinent?
Möglicherweise handelt es sich um eine Stressinkontinenz, bei der es zu unkontrolliertem Urinverlust bei körperlicher Belastung kommt. Das sollten Sie abklären lassen.

Wie stellt man überhaupt fest, ob es tatsächlich Inkontinenz ist?
Zunächst gibt das sogenannte Miktionsprotokoll Auskunft über Trinkmenge, Blasenentleerung und unkontrollierten Urinabgang. Dann werden verschiedene Tests, wie die Urin- und die urogynäkologische Untersuchung sowie eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Sehr hilfreich kann eine sogenannte Blasendruckmessung sein. Mit den Ergebnissen erhält man Informationen über die Art der Blasenentleerungsstörung, geht der Ursache auf den Grund und leitet eine entsprechende Behandlung ein.

Ist eine Operation der richtige Weg?
Zunächst wird man eine nichtoperative Behandlung versuchen. Dies sind zum Beispiel ein physiotherapeutisch angeleitetes Beckenbodentraining, eine Elektrostimulationsbehandlung oder auch eine medikamentöse Therapie. Sollte kein Erfolg eintreten, sind operative Eingriffe in Erwägung zu ziehen. Die Behandlungsmethode richtet sich nach der Ursache der Inkontinenz. Bei einer Belastungsharninkontinenz kann beispielsweise ein Kunststoffband unter die Harnröhre implantiert werden. Die Heilungschancen liegen bei bis zu 85 Prozent.

Was bewirkt die Beckenboden-Gymnastik?
Der Patient erlernt Übungen, seine Beckenboden-Muskulatur gezielt anzuspannen. Dadurch werden die Muskeln gekräftigt und die Funktion und Verschluss der Blase verbessert. Auch bei einer Dranginkontinenz ist das Training geeignet, da die Spannung von Blase und Beckenboden-Muskulatur reguliert werden kann.

Vor vielen Jahren musste ich mich einer Radikal-Prostata-Operation unterziehen. Seitdem leide ich unter Inkontinenz. Was kann ich tun?
Nach einer Prostata-Operationen treten häufig Inkontinenz-Probleme auf. Inzwischen haben moderne OP-Verfahren Fortschritte erzielt. Wichtig bleibt die körperliche Betätigung wie das Beckenbodentraining. Eine Elektrostimulationsbehandlung kann den Schließmuskelapparat kräftigen. Es besteht die Möglichkeit eines operativen Eingriffs, bei dem eine Schlinge oder ein Band unter die Harnröhre gelegt wird. Lassen Sie sich am besten im Beckenboden- und Kontinenzzentrum oder beim Urologen beraten.

Wann spricht man von einer Stuhlinkontinenz?
Neben dem unkontrollierten Stuhlabgang können bereits Verschmutzung der Unterwäsche oder unwillkürlicher Abgang von Darmluft mögliche Hinweise für Schließmuskelschwäche sein. Ursächlich sind Operationen, Unfälle, Geburtstraumata oder natürliche Alterungsprozesse.

Hilft der Beckenbodenschrittmacher bei Stuhlinkontinenz?
Ja, sehr häufig tritt eine Besserung auf und oftmals sind sogar die Beschwerden weg. Ein besonderer Vorteil des Beckenbodenschrittmachers ist, dass man bei jedem Patienten durch Teststimulation genau die Effektivität austesten kann, bevor man das Gerät endgültig implantiert. Harninkontinenz ist zusammen mit Stuhlinkontinenz das häufigste Anwendungsgebiet. Den Schrittmacher setzt man bei vielen Formen der Blasenfunktionsstörungen ein, zum Beispiel bei Reizblase und schlaffer Blase. Weitere mögliche Indikationen sind chronischer Beckenschmerz und bestimmte Formen der Obstipation (Verstopfung).

Wie funktioniert der Beckenbodenschrittmacher genau?
Die Methode nutzt schwache und niederfrequente elektrische Impulse, um die sakralen Nerven und auch Kontrollzentren im Gehirn zu modulieren. Dies geschieht über eine dünne Elektrode, die durch natürliche Öffnung im Kreuzbein am Nervengeflecht des Beckenbodens platziert wird. Der Impulsgeber ist der Beckenbodenschrittmacher, der ähnlich wie ein Herzschrittmacher unter die Haut implantiert wird. In diesem Fall am häufigsten im oberen Gesäßbereich.

Wie erfolgreich ist der Beckenbodenschrittmacher?
Bei Stuhlinkontinenz ist bei positiver Teststimulation und Schrittmacherimplantation mit 80-prozentiger deutlicher Verbesserung der Lebensqualität zu rechnen, 40 Prozent werden sogar vollständig kontinent. Der Therapieeffekt ist nachhaltig. Bei Harninkontinenz verzeichnet man stabile Erfolgsraten von 70 Prozent.

Gibt es eine Altersbegrenzung bei Schrittmacherimplantation?
Nein. Der Patient muss aber gut kooperieren, um seine Wahrnehmung bei der Geräteeinstellung genau beschreiben zu können.

Muss man mit Komplikationen rechnen?
Das Verfahren hat eine geringe Komplikationsrate. Möglich sind Diskomfort/Schmerzen an der Implantationsstelle, Elek-trodenmigration oder eine unerwünschte Nervenreizung. Patienten sollen starke elek-tromagnetische und magnetische Felder meiden, etwa bei Schweißgeräten, industriellen Induktionsheizgeräten oder MRT-Untersuchungen.