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Nach Urteil des Europäischen Gerichtshofes Gleiche Versicherungstarife für Frauen und Männer

Von Daniela Wiegmann und Marion Trimborn 02.03.2011, 04:29

Für viele Versicherte könnte die Auto- oder Krankenversicherung demnächst teurer werden. Nach einem EU-Urteil sind unterschiedliche Prämien für Männer und Frauen diskriminierend - und von Ende 2012 an verboten. Die Versicherer drohen mit Preiserhöhungen.

Luxemburg/München (dpa). Männlich oder weiblich? Beim Abschluss eines Versicherungsvertrages entscheidet diese Frage über viel Geld. Junge Frauen können ihren Wagen günstiger versichern als junge Männer, weil sie seltener Unfälle bauen. Für Rentenversicherungen müssen sie dagegen mehr zahlen, weil sie statistisch gesehen länger leben. Mit solchen Unterschieden nach Geschlecht ist es aber bald vorbei: Der Europäische Gerichtshof wertet sie als diskriminierend und schreibt von Ende 2012 an den Versicherungen Unisex-Tarife vor.

Auf Preissenkungen dürften die meisten Versicherten aber vergeblich hoffen. "Klar ist, dass das Urteil Versicherungen verteuern wird", sagte der Vorstandschef der Allianz Deutschland, Markus Rieß, in München. Ganz im Gegensatz zu den Richtern hält er einheitliche Tarife für Männer und Frauen für ungerecht. Denn obwohl junge Frauen seltener Unfälle haben, müssten sie dann den gleichen Beitrag für die Auto-Haftpflicht wie junge Männer zahlen, schreibt Rieß in der "Euro am Sonntag".

Derzeit muss ein 18-jähriger Fahranfänger aus Berlin mit einem VW Golf, der höchstens 9000 Kilometer pro Jahr fährt, bis zu ein Viertel mehr für die Autoversicherung berappen als eine gleichaltrige Frau: Statt 915,18 Euro fallen 1204,53 Euro Jahresbeitrag an, wie eine Beispielrechnung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zeigt.

Unterschiedliche Beiträge für Männer und Frauen gibt es nach einer EU-Studie in praktisch allen 27 Mitgliedsstaaten. Mal geht es um Auto-, Reise- oder Lebensversicherung, mal um Renten- und Krankenversicherungen. Im Juli 2010 richteten sich 13 Prozent aller Beschwerden im Versicherungs- sektor gegen Benachteiligung wegen des Geschlechts. Die meisten Verbraucher klagten über zu hohe Preise, viele aber auch über schlechte Verträge und zusätzliche Prüfungen. "Das Geschlecht ist ein ganz wesentlicher Faktor für Benachteiligung", heißt es in der Studie.

Dabei ist die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ein ehernes Grundgesetz der EU und im EU-Vertrag verankert. Doch was auf dem Papier steht, sieht in der Realität oft ganz anders aus. Frauen verdienen immer noch fast ein Fünftel weniger als Männer mit dem gleichen Job. In den Chefetagen sind Frauen immer noch die Ausnahme - und selbst im Haushalt verbringen sie deutlich mehr Stunden mit Abwaschen und Staubsaugen als Männer. Die höchsten europäischen Richter haben der Diskriminierung in der Versicherungsbranche nun einen Riegel vorgeschoben - und möglicherweise den Weg für neue Ungerechtigkeiten bereitet. Bei Neuverträgen muss von Ende 2012 an zwar jeder gleich viel bezahlen. "Das heißt aber nicht notwendig, dass er am Ende gerechter behandelt wird", sagt GDV-Sprecherin Una Großmann. Denn bei der Rentenversicherungen zahlten Frauen und Männer künftig den gleichen Beitrag, am Ende bekämen Männer aber wegen ihrer geringeren Lebenserwartung im Schnitt weniger Rente heraus als Frauen.

Für die Kfz-Haftpflichtversicherung könnte es bedeuten, dass junge Frauen höhere Beiträge zahlen müssen - obwohl sie vorsichtiger Auto fahren. Gerecht scheint das nicht.

Grundsätzlich müssen aber nicht alle Beiträge steigen. "Sie werden sich irgendwo zwischen dem Männer- und dem Frauentarif treffen", sagt eine Sprecherin der Versicherung Ergo. Schon 2008 seien die Schwangerschafts- und Mutterschaftskosten in der Versicherung auf beide Geschlechter verteilt worden. "Dies hat bei uns dazu geführt, dass die Männer vier bis fünf Prozent mehr Beitrag bezahlt haben und die Frauen zehn Prozent weniger."

Verbraucherschützer verweisen auf die vor Jahren eingeführten Unisex-Tarife bei der Riester-Rente: "Es geht also auch so", sagt Bianca Boss, Sprecherin des Bundes der Versicherten (BdV).

In jedem Fall sollten Verbraucher nicht überhastet noch schnell Verträge nach altem Recht abschließen: "Der Verbraucher sollte sich nicht wild machen lassen, dass die Versicherung nach den Unisex-Tarifen viel teurer wird", so Bianca Boss.