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Bundesgerichtshof erweitert Privilegierten-Kreis Kündigung wegen Eigenbedarfs auch für Nichten

29.01.2010, 04:52

Karlsruhe ( dpa ). Nichten und Neffen sind so enge Verwandte, dass zu ihren Gunsten ein Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs gekündigt werden darf. Das hat der Bundesgerichtshof ( BGH ) in Karlsruhe entschieden und damit die Rechte der Vermieter gestärkt. Nicht nur die Geschwister, sondern auch deren Kinder seien eng mit einem Vermieter verwandt, urteilte der für Mietsachen zuständige Senat. Darum komme es nicht darauf an, ob im Einzelfall eine besondere Beziehung oder soziale Bindung bestehe. Die Karlsruher Richter erklärten damit die Kündigung einer Eigentümerin aus Baden Baden für wirksam. ( Az .: VIII ZR 159 / 09 – Urteil vom 27. März 2010 )

Der Deutsche Mieterbund ( DMB ) befürchtet, dass das Urteil zu mehr Kündigungen wegen Eigenbedarfs führen wird. Mehr als 20 Jahre sei der Kreis der Familienangehörigen von den Gerichten eng ausgelegt worden – diese Rechtsprechung habe der BGH nun aufgegeben. Unklar sei, wie weit der Kreis der Privilegierten gezogen werden müsse, kritisierte DMBDirektor Lukas Siebenkotten. " Die Entscheidung wird viele Mieter verunsichern. "

Die Eigentümer-Gemeinschaft Haus & Grund widersprach dem. Nichten und Neffen seien von den Gerichten durchaus schon entsprechende Rechte eingeräumt worden – nun folge der BGH. Dies sei begrüßenswert und nachvollziehbar. " Das Urteil passt in das heutige Gesellschaftsbild mit vielen Single-Haushalten ", sagte ein Sprecher.

Im konkreten Fall hatte die betagte Witwe ihren Mietern in Baden Baden gekündigt, damit ihre Nichte in die Eigentumswohnung einziehen kann. Diese ist die einzige Verwandte der Seniorin. Selbst schon im Rentenalter, hat sie sich verpflichtet, sich um ihre Tante zu kümmern. Diese lebt in einer Seniorenresidenz und hatte 2008 einen Herzinfarkt.

Die Mieter sahen keinen Anlass für eine Eigenbedarfskündigung. Schließlich werde die alte Dame in dem Heim versorgt, hatten sie argumentiert. Vor allen Dingen hatte ihr Anwalt aber davor gewarnt, den vom Gesetz privilegierten Kreis der Verwandten zu sehr zu erweitern. Es müsse zumindest im Einzelfall geprüft werden, ob eine engere Bindung zwischen Vermieter und den Verwandten vorliege.

Die Karlsruher Richter sahen jedoch Ähnlichkeiten zum Zeugnisverweigerungsrecht.

Danach können Zeugen in Zivil- und Strafprozessen unter anderem dann eine Aussage verweigern, wenn sie mit dem Betroffenen verwandt oder verschwägert sind.

Die Dame war im Sommer 2004 mit 85 Jahren in die Seniorenresidenz gezogen und hatte damals ihre Eigentumswohnung vermietet. Drei Jahre später übertrug sie ihrer Nichte die Wohnung im Rahmen einer Schenkung. Als Gegenleistung verpflichtete diese sich, ihre Tante zu versorgen. Nach mehreren Kündigungsversuchen aus anderen Gründen kündigte die alte Dame ihren Mietern schließlich im August 2007 wegen Eigenbedarf.