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Körperpflegemittel Die wenigsten Kosmetika haben tatsächlich Bio-Qualität

Von Mascha Schacht 28.01.2010, 04:52

Naturkosmetik, das klingt nach duftenden Blütenblättern und kostbaren Pflanzenölen, die liebevoll zu zarten Cremes verarbeitet werden. Dieses Bild vermitteln zumindest die Hersteller vieler Körperpflegeprodukte. Doch es ist ein Zerrbild.

Hamburg ( ddp ). Bio boomt, das hat auch die Kosmetikindustrie erkannt, und sie reagiert ähnlich, wie es noch vor wenigen Jahren im Lebensmittelbereich der Fall war : " Mit natürlichen Farben ", " mit naturbasierten Inhaltsstoffen " und immer wieder " Bio " prangt es dick und fett auf Shampoos, Duschgels, Cremetiegeln und Deosticks. Daneben finden sich meist großflächige Abbildungen von Früchten, Blüten oder Pflanzenteilen.

" Das ist ganz klar Irreführung ", sagt Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. " Dem Verbraucher soll suggeriert werden, er kaufe Naturkosmetik, aber das ist schlichtweg falsch. " Von den abgebildeten Pflanzenteilen sind im Produkt, wenn überhaupt, meist nur verschwindend geringe Anteile enthalten – und die sind in den seltensten Fällen tatsächlich biologisch angebaut. " Zwar kann das der Verbraucher auch selbst feststellen, denn die Hersteller müssen die Inhaltsstoffe auf der Verpackung abdrucken. Die Angaben sind aber häufig auf Englisch und mit so vielen chemischen Fachbegriffen durchsetzt, dass die meisten Menschen schlicht überfordert sind. "

Mit denselben Problemen hatten die Lebensmittelhersteller zu kämpfen, bevor das staatliche Bio-Siegel zum allgemeingültigen Maßstab wurde. Die Verbraucherzentralen fordern daher, auch für Kosmetikprodukte einen einheitlichen Standard mit entsprechendem Label zu schaffen. " Das wird wohl in den nächsten Jahren auch kommen, denn es wird in der EU schon seit längerem diskutiert ", hofft Schwartau. " Es ist aus unserer Sicht unverständlich, dass die Kosmetik bislang so stiefmütterlich behandelt worden ist, schließlich verwenden wir diese Produkte täglich. "

Von Herstellerseite aus ist die Einführung eines einheitlichen Naturkosmetik-Labels bislang gescheitert, weil sich die Produzenten nicht auf die Kriterien einigen konnten. " Einige verzichten beispielsweise auf Erdölprodukte, verwenden aber Konservierungsstoffe oder synthetische Duftstoffe, bei anderen ist es umgekehrt. " Es gibt jedoch Schritte in die richtige Richtung. " Die Verbraucherzentralen begrüßen die Einführung des NaTrue-Siegels ", erzählt Silke Schwartau. " Dabei handelt es sich um ein internationales Label, dessen Vergabe in Deutschland der Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel innehat. "

Besonders angetan sind die Verbraucherschützer von dem Drei-Sterne-System : Ein, zwei oder drei Sterne machen es dem Verbraucher leicht, zwischen Naturkosmetik, Naturkosmetik mit Bioanteil und echter Biokosmetik zu unterscheiden. " Problematisch ist aber nach wie vor die Kontrolle. Es werden zwar externe Unternehmen damit beauftragt, aber wirklich unabhängig könnten nur staatliche Kontrollstellen agieren. " Ein weiteres Problem könnten allerdings auch staatliche Kontrollstellen nicht lösen : " Naturkosmetik bedeutet nicht in jedem Fall, dass sie besser verträglich ist ", stellt Silke Schwartau klar. " Auch hier kann es vorkommen, dass Verbraucher auf einzelne Inhaltsstoffe allergisch reagieren. "

Diese Frage bereitet Gabriele Korzekwa längst kein Kopfzerbrechen mehr : Die Mannheimerin mixt sich ihre Pflegeprodukte einfach selbst zusammen. " Das hat für Allergiker den entscheidenden Vorteil, dass sie unverträgliche Inhaltsstoffe einfach weglassen und durch andere ersetzen können ", erklärt sie. " Dabei trifft meist eine einfache Regel zu : Was man als Lebensmittel nicht verträgt, das sollte man auch nicht in Hautpflegeprodukten verwenden. "

Wenn die Naturkosmetikexpertin in Volkshochschulkursen ihre Rezepte verrät, zeigen sich allerdings nicht nur Allergiker begeistert : " Vielen ist es einfach wichtig zu wissen, was in den Produkten drin ist. Beim Selbermachen kann zudem jeder die Inhaltsstoffe an seine persönlichen Ansprüche anpassen. " Wer hundertprozentige Biokosmetik möchte, verwendet eben nur Bio-Lebensmittel – denn die sind im Gegensatz zu fertigen Pflegeprodukten ausreichend zertifiziert.

" Auch für Menschen mit kleinem Geldbeutel ist selbstgemachte Kosmetik ideal, denn vieles kann man gut aus Resten herstellen. " So verwendet sie beispielsweise Kaffeesatz als Peeling oder benutzt den letzten Schluck Tee als Spülung – Kamille für blonde, Schwarztee für dunkle Haare. " Auch für Gesichtsmasken braucht man weder viel Zeit noch ein Chemiestudium oder exotische Zutaten ", betont Korzekwa und verrät ihr Lieblingsrezept : eine Apfelmaske. " Dazu vermische ich ein wenig geriebenen Apfel mit einem Klecks Sahne und gebe für die Bindung etwas Mehl hinzu. "

Duftstoffe oder Konservierungsmittel braucht sie nicht : " Die Zutaten riechen ohnehin gut, und da man die Produkte gleich verbraucht, muss man sich auch um die Haltbarkeit keine Gedanken machen. " Gesichtscremes sind etwas aufwendiger in der Herstellung, kommen aber ebenfalls mit wenigen Zutaten aus : " Als Grundlagen verwende ich Bienenwachs und Mandelöl. Da ich nur wasserfreie Cremes anrühre, sind diese genauso lange haltbar, wie das Öl, also durchaus einige Monate. " Wer möchte, kann das Öl zuvor mit getrockneten Kräutern und Blüten aus dem Garten oder der Apotheke versehen und sich so die entzündungshemmende Wirkung vieler Heilpflanzen zunutze machen.

• Die Verbraucherzentrale Hamburg informiert auf ihren Seiten über den Etikettenschwindel bei Naturkosmetik. Auskunft in speziellen Fragen ist über eine Hotline möglich, zudem werden diverse Broschüren angeboten, beispielsweise zu den Themen " Antiagingund Wellness-Präparate " oder " Alles Öko ?", zu finden unter vzhh. de.

• Über das NaTrue-Siegel und die Zertifizierungskriterien können sich Interessierte auf der folgenden Website informieren : natrue. de.

• Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland hält auf seinen Serviceseiten viele Ökotipps zum Thema Körperpflege bereit, abrufbar unter bund. net ( Rubrik " Service ", " Ökotipps ", " Körperpflege ").

• Bücher : Petra Doleschalek : " Kosmetikmacherei : Im Handumdrehen zur eigenen Creme ", Books on Demand, 2007, 16, 90 Euro, ISBN : 978-3837006384 ; Gill Farrer-Halls : " Shampoo, Creme & Bodylotion : Natürlich – selbst gemacht ", Stocker Verlag, 2008, 14, 95 Euro, ISBN : 978-3702011949 ; Heinz Knieriemen und Paul Silas Pfyl : " Kosmetik-Inhaltsstoffe von A bis Z : Der kritische Ratgeber ", AT Verlag, 2005, 9, 95 Euro, ISBN : 978-3855029747.

• Ein Rezeptheft für Naturkosmetik ist für 2, 95 Euro plus Porto auch bei der im Text zitierten Naturkosmetikexpertin Gabriele Korzekwa erhältlich unter der Mailadresse cloudnumberfive @ googlemail. com.