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Innovative Operationstechnik an den Universitätskliniken Sachsen-Anhalts Die Bio-Herzklappe kommt durchs Schlüsselloch

Von Uwe Seidenfaden 29.04.2010, 06:48

Das Herz ist eine Pumpe, die ohne Unterbrechung Blut in die Organe befördert. So wie eine Pumpe enthält auch das menschliche Herz Klappen, die den Blut-Rückfluss verhindern. Bei einigen Menschen sind die Herzklappen defekt. Sie benötigen einen Ersatz. Neue kathetergestützte Techniken verhelfen neuerdings auch den Menschen zu einem Aortenklappen-Ersatz, die bislang als nicht operabel galten.

Magdeburg. Es sind leider keine eindeutigen Symptome, die auf eine Erkrankung der Herzklappen hinweisen. Luftknappheit bei körperlichen Anstrengungen oder ganz plötzlich in der Nacht auftretende Atemnot können ebenso dazugehören wie Schwindel oder Schmerzen im Brustkorb ( Angina pectoris ). Genaueres über die individuelle Ursache dieser Beschwerden können Herzkreislauf-Spezialisten ( Kardiologen ) herausfinden. Diagnostische Techniken sind nicht-invasive Ultraschalluntersuchungen des Herzens ( Echokardiografie ) und die minimal-invasive Herzkatheteruntersuchung.

Die häufigste Ursache von Herzklappen-Funktionsstörungen in Deutschland ist die sogenannte Aortenklappen-Stenose. " Sie ist Folge einer Verengung der Klappe, die das Blut zur Körperschlagader, der Aorta, leitet ", so Professor Rüdiger Braun-Dullaeus, Direktor der Magdeburger Uniklinik für Kardiologie. Die Folge ist, dass die Organe nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt werden. Die Beschwerden können vielfältig sein – sogar Zustände von Bewusstlosigkeit können Folge dieser Herzklappen-Fehlfunktion sein.

Es gibt verschiedene Therapiemöglichkeiten, wenn die Symptome auf diese schwerwiegende Herzklappen-Funktionsstörung zurückzuführen sind. Meist ist es erforderlich, die fehlerhaft arbeitenden Herzklappen operativ zu ersetzen. Es gibt Kunstklappen und Klappen aus tierischem Gewebe ( Bioprothesen ).

• Kunstherzklappen haben den Vorteil, dass sie prinzipiell viele Jahrzehnte zuverlässig funktionieren. Ihr Nachteil ist, dass die betroffenen Patienten zeitlebens gerinnungshemmende Medikamente wie Falithrom oder Marcumar einnehmen müssen. Um dadurch bedingte Komplikationen wie lebensbedrohliche Hirnblutungen zu vermeiden, sind regelmäßige Kontrollen der Blutgerinnung erforderlich.

• Menschen mit Herzklappen-Bioprothesen müssen keine stark gerinnungshemmenden Medikamente einnehmen. Wegen der bislang fehlenden Langzeiterfahrungen kamen für die Klappen-Bioprothesen aber nur ältere Patienten in Betracht. Das hat sich inzwischen verändert.

Diese Entwicklung führte mittlerweile zur Implantation von Bio-Herzklappen über die Beinarterie. Anfang 2010 wurden erstmals die neuen medizinischen Techniken an den Universitätskliniken in Sachsen-Anhalt eingeführt.

Gewebe eines Schweine-Herzbeutels

" Das Gewebe eines Schweine-Herzbeutels wird in ein gewebeverträgliches Trägermaterial aus Nickel und Titan gespannt ", sagt Professor Braun-Dullaeus. Vor der Implantation im Eiswasser gekühlt, ist sie schmaler als ein Bleistift und passt so durch die großen Körpergefäße. Nachdem die Kardiologen das Implantat unter Röntgenlicht von der großen Beinarterie zum Herz vorgeschoben haben, nimmt das auf Körpertemperatur erwärmte Material seine ursprüngliche Größe an. Es drückt die verschlissene Klappe beiseite und übernimmt deren Funktion.

Das neue Verfahren ist eine Ergänzung zu den bisherigen Operationsverfahren am Herzen. Von Vorteil ist, dass der Eingriff für Patienten körperlich weniger belastend ist, da er ohne Herz-Lungenmaschine und ohne Eröffnung des Brustkorbes auskommt. Die Patienten können bereits nach einem Tag aufstehen.

Da die neue Technik weltweit erst seit fünf Jahren angewendet wird, sind die Langzeitauswirkungen noch unbekannt. Deshalb wenden die Mediziner sie vorerst nur bei den Patienten an, die für eine chirurgische Aortenklappen-Operation gesundheitlich nicht in Frage kommen.