1. Startseite
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Wen die Pflege von Demenzkranken überfordert, der sollte sich Hilfe holen

Volksstimme-Telefonforum zu Demenz Wen die Pflege von Demenzkranken überfordert, der sollte sich Hilfe holen

23.09.2009, 04:58

Auskunft zur Demenz gaben gestern am Volksstimme-Telefon Brigitte Solbrig vom Deutschen Roten Kreuz, Annette Seidel von der Knappschaft in Halle und Dr. Daniel Bittner von der Uniklinik Magdeburg. Anja Hintze notierte die wichtigsten Fragen und Antworten.

Frage : Ich bin 70 Jahre alt und werde zunehmend vergesslich. Woran merke ich, dass ich Demenz habe ?

Antwort : Demenz kommt nicht über Nacht, sondern entwickelt sich schleichend, deshalb ist die Diagnose schwierig. Wenn Ihnen etwas eigenartig vorkommt, sollten Sie das ernst nehmen. Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt darüber und lassen Sie sich gegebenenfalls zur Gedächtnissprechstunde, zum Beispiel an der Uniklinik Magdeburg, überweisen. Dort wird man Ihre Denk- und Gedächtnisabläufe in Hinblick auf Ihr Alter ausführlich testen.

Frage : Bei meiner Mutter wurde Demenz festgestellt. Wir haben deshalb eine Pfl egestufe für sie beantragt, die wurde aber abgelehnt – wir vermuten, weil sie beim Besuch des Gutachters ein zu gutes Bild abgegeben hat, das leider nicht der Realität entspricht, denn sie kann vieles nicht mehr allein erledigen. Wie sollen wir uns verhalten ? Wir können sie leider nicht pfl egen.

Antwort : Innerhalb von sechs Wochen können Sie der Ablehnung widersprechen und dabei darlegen, wie Ihre Mutter im Alltag eingeschränkt ist. Sollte die Frist abgelaufen sein, raten wir Ihnen dazu, den Antrag noch einmal zu stellen. Fordern Sie bei Ihrer Pfl egekasse ein Pflegetagebuch an, mit dem Sie den Alltag dokumentieren. Sie können sich bei der Antragstellung auch von der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft beraten lassen.

Frage : Wie kann man der Demenz vorbeugen ?

Antwort : Sie sollten sich geistig und körperlich fi t halten, viel Obst und Gemüse essen, auf ein gesundes Gewicht achten und soziale Kontakte pfl egen.

Frage : Meine Freundin leidet unter Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium und ist auf der Demenzstation eines Pfl egeheimes untergebracht. Neuerdings verweigert sie an manchen Tagen das Sprechen, sitzt nur noch auf dem Flur und scheint im Allgemeinen zu resignieren. Wie kann ich ihr helfen ? Was kann ich machen ?

Antwort : Kommunikationsverweigerung oder auch verbale Aggressivität sowie Teilnahmslosigkeit sind typisch für die Alzheimer-Erkrankung. Besuchen Sie Ihre Freundin weiterhin regelmäßig und entwickeln Sie ein Gespür für ihre Tagesform. Wenn Sie merken, dass sie absolut nicht mit Ihnen sprechen möchte, akzeptieren sie das und nehmen Sie es auf keinen Fall persönlich. Wenn Ihre Freundin einen " guten Tag " hat, können Sie sich – zum Beispiel mit Fotos oder anderen Dokumenten – mit ihr auf eine Reise in ihre Biografi e oder ihre Berufswelt begeben. Viele Demenz-Patienten vergessen Alltagsdinge, haben aber deutliche Erinnerungen an ihre Vergangenheit. Pfl egende sollten sich grundsätzlich in die Welt des Demenz-Patienten hineinversetzen und dessen Welt bestätigen.

Frage : Mein Schwiegervater hat Demenz und wird von einem ambulanten Pfl egedienst versorgt. Wir schaffen es leider nicht, ihn selbst angemessen zu betreuen. Ihn in ein Heim zu geben, wäre für uns allerdings noch ein zu großer Schritt. Welche Möglichkeiten gibt es in unserer Situation ?

Antwort : Für Ihren Schwiegervater kommt eine Pfl egebetreuung in Frage. Das ist eine Tagesbetreuung für Menschen mit Demenz in Form von Gruppentherapie. Auch die Betreuung durch einen Ehrenamtler kommt in Frage. Angebote für Ihre Region erfahren Sie zum Beispiel bei der DRK-Demenz-Hotline oder bei der Alzheimer-Gesellschaft. Wenn die Pfl egebedürftigkeit überwiegt, sollten Sie allerdings über ein Pfl egeheim nachdenken.

Frage : Woran erkenne ich ein gutes Pfl egeheim ?

Antwort : Prüfen Sie verschiedene Heime, informieren Sie sich über die Angebote, die Einrichtung und die Qualifi kation des Personals in Hinblick auf Demenz-Patienten. In manchen Pfl egeheimen stehen zum Beispiel bewusst alte Möbel oder die Bewohner können selbst kochen. Einige Einrichtungen haben spezielle Demenz-Stationen. Nur dort, wo Sie sich selbst wohlfühlen, sollten Sie einen Angehörigen unterbringen.

Frage : Was verbirgt sich hinter der " Pflege mit eingeschränkter Alltagskompetenz " ( PEA )?

Antwort : Seit 2001 gibt es neben der Pflegestufe diese zusätzliche Betreuungsleistung für psychisch erkrankte Personen, also auch für Demenz-Patienten. Sie darf nur eingesetzt werden für nie drigschwellige Angebote, Tages- und Nachtpfl ege und Kurzzeitpflege. Dabei geht es um die Betreuung und nicht um die Pflege. Der Antrag wird bei der Pfl egekasse gestellt, fragen Sie Ihre Krankenkasse danach.

Frage : Ich betreue eine Alzheimer-Patientin und muss feststellen, dass trotz Pfl egestufe drei das Geld nicht ausreicht, um die Patientin angemessen zu betreuen. Gibt es andere Geld-Quellen ?

Antwort : Die Pfl egeversicherung ist in Ihrem Fall ausgereizt. Bitte wenden Sie sich an das Sozialamt.

Frage : Ist die Alzheimer-Krankheit erblich ?

Antwort : Grundsätzlich ist Alzheimer erblich, wird aber selten vererbt. Alzheimer-Erkrankungen in der Familie erhöhen das persönliche Risiko für die Erkrankung.

Frage : Meine Mutter leidet unter Demenz und verlegt ständig Dinge, zum Beispiel ihre Handtasche samt Papieren. Auch läuft sie öfters weg. Was kann ich tun ?

Antwort : Das sind typische Verhaltensweisen für Demenz-Patienten. Sie sollten in der Handtasche Ihrer Mutter Kopien von Ausweispapieren deponieren. Stellen Sie nachts Bewegungsmelder, wie zum Beispiel ein Babyphon, auf. Kennzeichnen Sie die Kleidung Ihrer Mutter, stecken Sie ihr einen Zettel mit Namen und Adresse in die Hosentasche.

Frage : Was sollte ich als Pfl egende eines dementen Angehörigen bei der Organisation des Alltags beachten ?

Antwort : Achten Sie auf einen gleichbleibenden Tagesablauf, zum Beispiel mit festen Essenzeiten, festgelegten Badetagen, usw. Vermeiden Sie Stress wie Streitigkeiten und Diskussionen, das kann Agressionen auslösen. Beziehen Sie den Patienten in alltägliche Arbeiten ein. Vermeiden Sie Überforderung. Sie brauchen viel Geduld. Holen Sie sich unbedingt Hilfe und Rat, wenn Sie selbst überfordert sind.